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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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masse bildet sich erst allmählig über der ursprünglichen, und diese ist die Substanz,
welche später nur die Mitte inne hat. Der reife Dotter hat eine deutliche Keim-
schicht bekommen und zieht die Umgebung nur wenig, gleichsam in einen Kelch
ohne Stiel, hervor. Es entwickelt sich ein starkes Gefässnetz in diesem Kelche
(besonders bei den Eidechsen), und es bildet sich eine lange schmale Narbe, die
das Ei austreten lässt, sobald die weite Mündung des Eileiters sich anlegt. Diese
Dottern werden jedoch nicht wie bei den Vögeln einzeln weggeführt, sondern alle,
welche in einem Sommer zur Entwickelung kommen sollen, reifen fast zugleich,
während noch viele andere unentwickelt bleiben. Die ersteren werden schnell
nach einander von den beiden Eileitern aufgenommen und verweilen gemeinschaft-
lich ein Paar Wochen im hintern Theile der Eileiter, welche hier noch weniger
in differente Abtheilungen zerfallen, als in den Schildkröten.

In den Eileitern werden die Dottern zuvörderst mit äussern Theilen beklei-
det. Sie erhalten eine dünne Lage eines fast flüssigen Eiweisses *), um das Ei-
weiss bildet sich eine zarte Schaalenhaut und ein dicker Ueberzug, der aus einem
zähen, weissen, ausgeschiedenen Stoffe gerinnt. Er lässt sich sehr leicht in zwei
Lagen theilen, ist offenbar der Schaale des Vogeleies analog, und unterscheidet
sich nur durch den Mangel, oder, was wahrscheinlicher ist, durch den sehr ge-
gringen Vorrath von Kalk. Hagelschnüre fehlen. Die Dotterhöhle ist gross und
mit einer nicht unbedeutenden Menge von Eiweiss gefüllt. Das Keimbläschen
ist geschwunden. Statt der Keimschicht sieht man einen grossen hautförmigen
Keim, der sich allmählig über den ganzen Dotter ausdehnt und Höfe bemerken
lässt, wie im Vogel. Ein Luftraum fehlt sowohl jetzt, als später.

Im Keime bildet sich ein Fruchthof, in diesem ein Embryo, den ich an
Eidechsen in frühester Zeit auch ohne Amnion gesehen habe, wie den Embryo
des Vogels am ersten Tage und der Schildkröte mehrere Tage hindurch. In die-
sem Embryo waren Rückenplatten, die erste Anlage von Bauchplatten und eine
Wirbelsaite zu erkennen, wie im Hühnchen in der ersten Periode. Die Bildungs-
stätte ist nicht, wie Emmert angiebt, bei den Eidechsen das stumpfe Ende des
Eies, sondern die Mitte wie im Vogel, doch liegt der Embryo zuweilen, beson-
ders in späterer Zeit, dem stumpfen Ende näher.

Darauf umhüllt sich der Embryo auf die bekannte Weise mit einem Am-
nion, er nimmt an Krümmung zu und legt sich mit seiner linken Seite auf den
unterdessen gebildeten Dottersack, auf welchem der Gefässhof mit seiner Grenz-
vene im Verhältniss zum Dotterhofe kleiner ist, als im Vogel, aber auch allmäh-

*) Häufig wird den Schlangen-Eiern das Eiweiss ganz abgesprochen.

masse bildet sich erst allmählig über der ursprünglichen, und diese ist die Substanz,
welche später nur die Mitte inne hat. Der reife Dotter hat eine deutliche Keim-
schicht bekommen und zieht die Umgebung nur wenig, gleichsam in einen Kelch
ohne Stiel, hervor. Es entwickelt sich ein starkes Gefäſsnetz in diesem Kelche
(besonders bei den Eidechsen), und es bildet sich eine lange schmale Narbe, die
das Ei austreten läſst, sobald die weite Mündung des Eileiters sich anlegt. Diese
Dottern werden jedoch nicht wie bei den Vögeln einzeln weggeführt, sondern alle,
welche in einem Sommer zur Entwickelung kommen sollen, reifen fast zugleich,
während noch viele andere unentwickelt bleiben. Die ersteren werden schnell
nach einander von den beiden Eileitern aufgenommen und verweilen gemeinschaft-
lich ein Paar Wochen im hintern Theile der Eileiter, welche hier noch weniger
in differente Abtheilungen zerfallen, als in den Schildkröten.

In den Eileitern werden die Dottern zuvörderst mit äuſsern Theilen beklei-
det. Sie erhalten eine dünne Lage eines fast flüssigen Eiweiſses *), um das Ei-
weiſs bildet sich eine zarte Schaalenhaut und ein dicker Ueberzug, der aus einem
zähen, weiſsen, ausgeschiedenen Stoffe gerinnt. Er läſst sich sehr leicht in zwei
Lagen theilen, ist offenbar der Schaale des Vogeleies analog, und unterscheidet
sich nur durch den Mangel, oder, was wahrscheinlicher ist, durch den sehr ge-
gringen Vorrath von Kalk. Hagelschnüre fehlen. Die Dotterhöhle ist groſs und
mit einer nicht unbedeutenden Menge von Eiweiſs gefüllt. Das Keimbläschen
ist geschwunden. Statt der Keimschicht sieht man einen groſsen hautförmigen
Keim, der sich allmählig über den ganzen Dotter ausdehnt und Höfe bemerken
läſst, wie im Vogel. Ein Luftraum fehlt sowohl jetzt, als später.

Im Keime bildet sich ein Fruchthof, in diesem ein Embryo, den ich an
Eidechsen in frühester Zeit auch ohne Amnion gesehen habe, wie den Embryo
des Vogels am ersten Tage und der Schildkröte mehrere Tage hindurch. In die-
sem Embryo waren Rückenplatten, die erste Anlage von Bauchplatten und eine
Wirbelsaite zu erkennen, wie im Hühnchen in der ersten Periode. Die Bildungs-
stätte ist nicht, wie Emmert angiebt, bei den Eidechsen das stumpfe Ende des
Eies, sondern die Mitte wie im Vogel, doch liegt der Embryo zuweilen, beson-
ders in späterer Zeit, dem stumpfen Ende näher.

Darauf umhüllt sich der Embryo auf die bekannte Weise mit einem Am-
nion, er nimmt an Krümmung zu und legt sich mit seiner linken Seite auf den
unterdessen gebildeten Dottersack, auf welchem der Gefäſshof mit seiner Grenz-
vene im Verhältniſs zum Dotterhofe kleiner ist, als im Vogel, aber auch allmäh-

*) Häufig wird den Schlangen-Eiern das Eiweiſs ganz abgesprochen.
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[158/0168] masse bildet sich erst allmählig über der ursprünglichen, und diese ist die Substanz, welche später nur die Mitte inne hat. Der reife Dotter hat eine deutliche Keim- schicht bekommen und zieht die Umgebung nur wenig, gleichsam in einen Kelch ohne Stiel, hervor. Es entwickelt sich ein starkes Gefäſsnetz in diesem Kelche (besonders bei den Eidechsen), und es bildet sich eine lange schmale Narbe, die das Ei austreten läſst, sobald die weite Mündung des Eileiters sich anlegt. Diese Dottern werden jedoch nicht wie bei den Vögeln einzeln weggeführt, sondern alle, welche in einem Sommer zur Entwickelung kommen sollen, reifen fast zugleich, während noch viele andere unentwickelt bleiben. Die ersteren werden schnell nach einander von den beiden Eileitern aufgenommen und verweilen gemeinschaft- lich ein Paar Wochen im hintern Theile der Eileiter, welche hier noch weniger in differente Abtheilungen zerfallen, als in den Schildkröten. In den Eileitern werden die Dottern zuvörderst mit äuſsern Theilen beklei- det. Sie erhalten eine dünne Lage eines fast flüssigen Eiweiſses *), um das Ei- weiſs bildet sich eine zarte Schaalenhaut und ein dicker Ueberzug, der aus einem zähen, weiſsen, ausgeschiedenen Stoffe gerinnt. Er läſst sich sehr leicht in zwei Lagen theilen, ist offenbar der Schaale des Vogeleies analog, und unterscheidet sich nur durch den Mangel, oder, was wahrscheinlicher ist, durch den sehr ge- gringen Vorrath von Kalk. Hagelschnüre fehlen. Die Dotterhöhle ist groſs und mit einer nicht unbedeutenden Menge von Eiweiſs gefüllt. Das Keimbläschen ist geschwunden. Statt der Keimschicht sieht man einen groſsen hautförmigen Keim, der sich allmählig über den ganzen Dotter ausdehnt und Höfe bemerken läſst, wie im Vogel. Ein Luftraum fehlt sowohl jetzt, als später. Im Keime bildet sich ein Fruchthof, in diesem ein Embryo, den ich an Eidechsen in frühester Zeit auch ohne Amnion gesehen habe, wie den Embryo des Vogels am ersten Tage und der Schildkröte mehrere Tage hindurch. In die- sem Embryo waren Rückenplatten, die erste Anlage von Bauchplatten und eine Wirbelsaite zu erkennen, wie im Hühnchen in der ersten Periode. Die Bildungs- stätte ist nicht, wie Emmert angiebt, bei den Eidechsen das stumpfe Ende des Eies, sondern die Mitte wie im Vogel, doch liegt der Embryo zuweilen, beson- ders in späterer Zeit, dem stumpfen Ende näher. Darauf umhüllt sich der Embryo auf die bekannte Weise mit einem Am- nion, er nimmt an Krümmung zu und legt sich mit seiner linken Seite auf den unterdessen gebildeten Dottersack, auf welchem der Gefäſshof mit seiner Grenz- vene im Verhältniſs zum Dotterhofe kleiner ist, als im Vogel, aber auch allmäh- *) Häufig wird den Schlangen-Eiern das Eiweiſs ganz abgesprochen.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/168>, abgerufen am 29.04.2024.