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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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lig sich ausdehnt. Aus dem Herzen treten ganz eben so wie im Vogel allmählig
fünf Paar Gefässbogen hervor, die in 2 Aortenwurzeln übergehen und zwischen
denen eben so allmählig von vorn nach hinten vier Paar Kiemenspalten sich ent-
wickeln, von welchen sich zwar die vorderste früher schliesst als die hinteren,
die aber einige Zeit hindurch alle zugleich offen sind, wie auch alle fünf Gefäss-
bogen zugleich Blut führen. Das Herz hat während dieser Zeit ungemeine Aehn-
lichkeit mit dem Herzen des Hühnchens, doch verweilt es länger auf den einzel-
nen Stufen. Eben so die erste Anlage der Extremitäten. Der Mund und der Af-
ter bilden sich auch eben so, wie im Hühnchen. Dasselbe gilt von dem Dotter-
gange, den Primordial-Nieren und ohne Zweifel von den übrigen Theilen. Auch
der Harnsack tritt am hintern Ende hervor und verlängert sich nach rechts, mit
einem schönen Gefässnetze versehen. -- Das Hirn entwickelt dieselben Abthei-
lungen wie im Vogel, und man kann eine Eidechse mit einem kleinen Vogel ver-
wechseln, so lange der Schwanz nicht deutlich hervorgewachsen ist. Dieser rollt
sich nach rechts auf, doch schien mir der Kopf etwas weniger übergebogen als
im Vogel.

Die Entwickelung der Schlangen, die ich weniger in der ersten Periode zu
beobachten Gelegenheit gehabt habe, weicht nur darin merklich von der Ent-
wickelung der Eidechsen ab, dass sie schon ungemein früh, vielleicht gleich An-
fangs, sehr lang sind und ihr ganzer Leib sich sehr früh spiralförmig aufrollt,
während in den Eidechsen nur das Schwanzende so aufgerollt ist: ein Verhältniss,
das man im Vogel wegen Kürze seines Schwanzes nicht beobachten kann. Auch
bekommen die Schlangen keine Extremitäten.

Alle diese Entwickelungen erfolgen innerhalb des Eileiters, wo das Ei
ohne Zweifel durch seine weiche Schaale die ausgeschiedene Feuchtigkeit ein-
saugt. Erst wenn der Harnsack eine ansehnliche Grösse hat und die zweite Ent-
wickelungsperiode, wie wir sie nach dem Vogel bestimmt haben, vollendet ist,
werden die Eier gelegt. Sie bedürfen jetzt nicht nur eines mässigen Grades von
Wärme, nach deren geringerer oder schwächerer Einwirkung sie sich langsa-
mer oder schneller entwickeln, sondern auch einer feuchten Umgebung, da
durch die weiche Schaale die Verdünstung so rasch erfolgt, dass an freier Luft
die Eier in wenigen Stunden ausgetrocknet sind. Aus diesem Grunde legen auch
die Eidechsen und mehr noch die Schlangen ihre Eier an feuchte Stellen. Es
scheint sogar, dass die Eidechsen-Eier so viel Feuchtigkeit von aussen aufnehmen,
dass sie allmählig grösser werden. Wenigstens waren bei Emmert sowohl als
bei mir die zuletzt erhaltenen Eier grösser als die frühern. Indessen ist auch zu
berücksichtigen, dass die ältern und grössern Eidechsen im Allgemeinen später

lig sich ausdehnt. Aus dem Herzen treten ganz eben so wie im Vogel allmählig
fünf Paar Gefäſsbogen hervor, die in 2 Aortenwurzeln übergehen und zwischen
denen eben so allmählig von vorn nach hinten vier Paar Kiemenspalten sich ent-
wickeln, von welchen sich zwar die vorderste früher schlieſst als die hinteren,
die aber einige Zeit hindurch alle zugleich offen sind, wie auch alle fünf Gefäſs-
bogen zugleich Blut führen. Das Herz hat während dieser Zeit ungemeine Aehn-
lichkeit mit dem Herzen des Hühnchens, doch verweilt es länger auf den einzel-
nen Stufen. Eben so die erste Anlage der Extremitäten. Der Mund und der Af-
ter bilden sich auch eben so, wie im Hühnchen. Dasselbe gilt von dem Dotter-
gange, den Primordial-Nieren und ohne Zweifel von den übrigen Theilen. Auch
der Harnsack tritt am hintern Ende hervor und verlängert sich nach rechts, mit
einem schönen Gefäſsnetze versehen. — Das Hirn entwickelt dieselben Abthei-
lungen wie im Vogel, und man kann eine Eidechse mit einem kleinen Vogel ver-
wechseln, so lange der Schwanz nicht deutlich hervorgewachsen ist. Dieser rollt
sich nach rechts auf, doch schien mir der Kopf etwas weniger übergebogen als
im Vogel.

Die Entwickelung der Schlangen, die ich weniger in der ersten Periode zu
beobachten Gelegenheit gehabt habe, weicht nur darin merklich von der Ent-
wickelung der Eidechsen ab, daſs sie schon ungemein früh, vielleicht gleich An-
fangs, sehr lang sind und ihr ganzer Leib sich sehr früh spiralförmig aufrollt,
während in den Eidechsen nur das Schwanzende so aufgerollt ist: ein Verhältniſs,
das man im Vogel wegen Kürze seines Schwanzes nicht beobachten kann. Auch
bekommen die Schlangen keine Extremitäten.

Alle diese Entwickelungen erfolgen innerhalb des Eileiters, wo das Ei
ohne Zweifel durch seine weiche Schaale die ausgeschiedene Feuchtigkeit ein-
saugt. Erst wenn der Harnsack eine ansehnliche Gröſse hat und die zweite Ent-
wickelungsperiode, wie wir sie nach dem Vogel bestimmt haben, vollendet ist,
werden die Eier gelegt. Sie bedürfen jetzt nicht nur eines mäſsigen Grades von
Wärme, nach deren geringerer oder schwächerer Einwirkung sie sich langsa-
mer oder schneller entwickeln, sondern auch einer feuchten Umgebung, da
durch die weiche Schaale die Verdünstung so rasch erfolgt, daſs an freier Luft
die Eier in wenigen Stunden ausgetrocknet sind. Aus diesem Grunde legen auch
die Eidechsen und mehr noch die Schlangen ihre Eier an feuchte Stellen. Es
scheint sogar, daſs die Eidechsen-Eier so viel Feuchtigkeit von auſsen aufnehmen,
daſs sie allmählig gröſser werden. Wenigstens waren bei Emmert sowohl als
bei mir die zuletzt erhaltenen Eier gröſser als die frühern. Indessen ist auch zu
berücksichtigen, daſs die ältern und gröſsern Eidechsen im Allgemeinen später

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[159/0169] lig sich ausdehnt. Aus dem Herzen treten ganz eben so wie im Vogel allmählig fünf Paar Gefäſsbogen hervor, die in 2 Aortenwurzeln übergehen und zwischen denen eben so allmählig von vorn nach hinten vier Paar Kiemenspalten sich ent- wickeln, von welchen sich zwar die vorderste früher schlieſst als die hinteren, die aber einige Zeit hindurch alle zugleich offen sind, wie auch alle fünf Gefäſs- bogen zugleich Blut führen. Das Herz hat während dieser Zeit ungemeine Aehn- lichkeit mit dem Herzen des Hühnchens, doch verweilt es länger auf den einzel- nen Stufen. Eben so die erste Anlage der Extremitäten. Der Mund und der Af- ter bilden sich auch eben so, wie im Hühnchen. Dasselbe gilt von dem Dotter- gange, den Primordial-Nieren und ohne Zweifel von den übrigen Theilen. Auch der Harnsack tritt am hintern Ende hervor und verlängert sich nach rechts, mit einem schönen Gefäſsnetze versehen. — Das Hirn entwickelt dieselben Abthei- lungen wie im Vogel, und man kann eine Eidechse mit einem kleinen Vogel ver- wechseln, so lange der Schwanz nicht deutlich hervorgewachsen ist. Dieser rollt sich nach rechts auf, doch schien mir der Kopf etwas weniger übergebogen als im Vogel. Die Entwickelung der Schlangen, die ich weniger in der ersten Periode zu beobachten Gelegenheit gehabt habe, weicht nur darin merklich von der Ent- wickelung der Eidechsen ab, daſs sie schon ungemein früh, vielleicht gleich An- fangs, sehr lang sind und ihr ganzer Leib sich sehr früh spiralförmig aufrollt, während in den Eidechsen nur das Schwanzende so aufgerollt ist: ein Verhältniſs, das man im Vogel wegen Kürze seines Schwanzes nicht beobachten kann. Auch bekommen die Schlangen keine Extremitäten. Alle diese Entwickelungen erfolgen innerhalb des Eileiters, wo das Ei ohne Zweifel durch seine weiche Schaale die ausgeschiedene Feuchtigkeit ein- saugt. Erst wenn der Harnsack eine ansehnliche Gröſse hat und die zweite Ent- wickelungsperiode, wie wir sie nach dem Vogel bestimmt haben, vollendet ist, werden die Eier gelegt. Sie bedürfen jetzt nicht nur eines mäſsigen Grades von Wärme, nach deren geringerer oder schwächerer Einwirkung sie sich langsa- mer oder schneller entwickeln, sondern auch einer feuchten Umgebung, da durch die weiche Schaale die Verdünstung so rasch erfolgt, daſs an freier Luft die Eier in wenigen Stunden ausgetrocknet sind. Aus diesem Grunde legen auch die Eidechsen und mehr noch die Schlangen ihre Eier an feuchte Stellen. Es scheint sogar, daſs die Eidechsen-Eier so viel Feuchtigkeit von auſsen aufnehmen, daſs sie allmählig gröſser werden. Wenigstens waren bei Emmert sowohl als bei mir die zuletzt erhaltenen Eier gröſser als die frühern. Indessen ist auch zu berücksichtigen, daſs die ältern und gröſsern Eidechsen im Allgemeinen später

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/169>, abgerufen am 29.04.2024.