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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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eben so wenig einsichtlich, als die Nothwendigkeit der äussern Bewegung für die
Contractionen der Eileiter, und die Unmöglichkeit der Bewegung wegen ausgeblie-
bener Häutung *).

§. 9.
Entwickelung der Säugethiere.
a. Früh-
gebärende
Säugethiere.

Mit diesen beiden Bemerkungen machen wir den Uebergang zu den Säuge-
thieren, einer Thierklasse, welche von einem Verhältnisse in ihrer Entwickelungs-
geschichte ihren Namen hat, indem alle Mitglieder derselben, nachdem sie aus
dem Leibe der Mutter geboren sind und die Eihüllen abgelegt haben, als Nah-
rungsstoff die Muttermilch aufnehmen, welche in besondern Organen des müt-
terlichen Körpers (den Brüsten oder Milchdrüsen) bereitet wird. Die Zeit der
Geburt fällt aber nicht bei allen auf dieselbe Entwickelungsstufe des Embryo.
Man muss daher auch unter den Säugethieren frühgebärende und spätgebärende
unterscheiden. Der erstern giebt es nur wenige und sie zeigen wieder unter sich
in der Entwickelungsweise bedeutende Verschiedenheiten, während die andern
viel zahlreicher sind, und wenn auch ihre Embryonen bei der Geburt nicht alle
gleichweit gebildet sind, doch alle äusserlich fast die bleibende Gestalt und sämmt-
liche Organe, mit Ausnahme des Geschlechtsapparates, in fast ausgebildetem Zu-
stande besitzen. Alle können sich nach der Geburt frei bewegen. Die Früchte
der frühgebärenden Säugethiere sind dagegen zu einer selbstständigen Bewegung
noch nicht fähig, wenn sie aus der weiblichen Geschlechtsöffnung hervortreten.

Die frühgebärenden Säugethiere sind also als die Uebergangsformen, die
spätgebärenden als der eigentliche Stamm dieser Klasse zu betrachten. Von jenen
müssen wir zuvörderst sprechen, weil sie den Vögeln näher stehen. Es kann
aber nur kurz geschehen, theils weil mehrfacher Versuche ungeachtet, eine zu-
sammenhängende Kenntniss ihrer Entwickelungsgeschichte uns noch ganz abgeht,
theils weil mir eigene Untersuchungen über diese Thiere fehlen.

b. Mono-
tremen.

Die auffallendste Abweichung zeigen die neuholländischen Monotremen, das
Schnabelthier und das Stachelthier. Zwar ist es nur das Schnabelthier (Ornitho-
rhynchus
),
an welchem man diese auffallenden Abweichungen von der Ent-
wickelungsweise anderer Säugethiere bemerkt hat, allein bei der nahen Verwandt-
schaft der Stachelthiere (Echidna) darf man kaum zweifeln, dass beide auch in
dieser Hinsicht übereinstimmen werden. -- Vom Schnabelthiere ging schon

*) Bei einem meiner Zuhörer, Herrn Dr. Grube, hat eine trocken gehaltene Coluber Natrix
Eier gelegt. Leider erfuhr ich dies zu spät, um die Eier und die Ausbildung der Embryonen zu
untersuchen. Die von mir lebendig gehaltenen Schlangen habe ich alle früher geöffnet.

eben so wenig einsichtlich, als die Nothwendigkeit der äuſsern Bewegung für die
Contractionen der Eileiter, und die Unmöglichkeit der Bewegung wegen ausgeblie-
bener Häutung *).

§. 9.
Entwickelung der Säugethiere.
a. Früh-
gebärende
Säugethiere.

Mit diesen beiden Bemerkungen machen wir den Uebergang zu den Säuge-
thieren, einer Thierklasse, welche von einem Verhältnisse in ihrer Entwickelungs-
geschichte ihren Namen hat, indem alle Mitglieder derselben, nachdem sie aus
dem Leibe der Mutter geboren sind und die Eihüllen abgelegt haben, als Nah-
rungsstoff die Muttermilch aufnehmen, welche in besondern Organen des müt-
terlichen Körpers (den Brüsten oder Milchdrüsen) bereitet wird. Die Zeit der
Geburt fällt aber nicht bei allen auf dieselbe Entwickelungsstufe des Embryo.
Man muſs daher auch unter den Säugethieren frühgebärende und spätgebärende
unterscheiden. Der erstern giebt es nur wenige und sie zeigen wieder unter sich
in der Entwickelungsweise bedeutende Verschiedenheiten, während die andern
viel zahlreicher sind, und wenn auch ihre Embryonen bei der Geburt nicht alle
gleichweit gebildet sind, doch alle äuſserlich fast die bleibende Gestalt und sämmt-
liche Organe, mit Ausnahme des Geschlechtsapparates, in fast ausgebildetem Zu-
stande besitzen. Alle können sich nach der Geburt frei bewegen. Die Früchte
der frühgebärenden Säugethiere sind dagegen zu einer selbstständigen Bewegung
noch nicht fähig, wenn sie aus der weiblichen Geschlechtsöffnung hervortreten.

Die frühgebärenden Säugethiere sind also als die Uebergangsformen, die
spätgebärenden als der eigentliche Stamm dieser Klasse zu betrachten. Von jenen
müssen wir zuvörderst sprechen, weil sie den Vögeln näher stehen. Es kann
aber nur kurz geschehen, theils weil mehrfacher Versuche ungeachtet, eine zu-
sammenhängende Kenntniſs ihrer Entwickelungsgeschichte uns noch ganz abgeht,
theils weil mir eigene Untersuchungen über diese Thiere fehlen.

b. Mono-
tremen.

Die auffallendste Abweichung zeigen die neuholländischen Monotremen, das
Schnabelthier und das Stachelthier. Zwar ist es nur das Schnabelthier (Ornitho-
rhynchus
),
an welchem man diese auffallenden Abweichungen von der Ent-
wickelungsweise anderer Säugethiere bemerkt hat, allein bei der nahen Verwandt-
schaft der Stachelthiere (Echidna) darf man kaum zweifeln, daſs beide auch in
dieser Hinsicht übereinstimmen werden. — Vom Schnabelthiere ging schon

*) Bei einem meiner Zuhörer, Herrn Dr. Grube, hat eine trocken gehaltene Coluber Natrix
Eier gelegt. Leider erfuhr ich dies zu spät, um die Eier und die Ausbildung der Embryonen zu
untersuchen. Die von mir lebendig gehaltenen Schlangen habe ich alle früher geöffnet.
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[164/0174] eben so wenig einsichtlich, als die Nothwendigkeit der äuſsern Bewegung für die Contractionen der Eileiter, und die Unmöglichkeit der Bewegung wegen ausgeblie- bener Häutung *). §. 9. Entwickelung der Säugethiere. Mit diesen beiden Bemerkungen machen wir den Uebergang zu den Säuge- thieren, einer Thierklasse, welche von einem Verhältnisse in ihrer Entwickelungs- geschichte ihren Namen hat, indem alle Mitglieder derselben, nachdem sie aus dem Leibe der Mutter geboren sind und die Eihüllen abgelegt haben, als Nah- rungsstoff die Muttermilch aufnehmen, welche in besondern Organen des müt- terlichen Körpers (den Brüsten oder Milchdrüsen) bereitet wird. Die Zeit der Geburt fällt aber nicht bei allen auf dieselbe Entwickelungsstufe des Embryo. Man muſs daher auch unter den Säugethieren frühgebärende und spätgebärende unterscheiden. Der erstern giebt es nur wenige und sie zeigen wieder unter sich in der Entwickelungsweise bedeutende Verschiedenheiten, während die andern viel zahlreicher sind, und wenn auch ihre Embryonen bei der Geburt nicht alle gleichweit gebildet sind, doch alle äuſserlich fast die bleibende Gestalt und sämmt- liche Organe, mit Ausnahme des Geschlechtsapparates, in fast ausgebildetem Zu- stande besitzen. Alle können sich nach der Geburt frei bewegen. Die Früchte der frühgebärenden Säugethiere sind dagegen zu einer selbstständigen Bewegung noch nicht fähig, wenn sie aus der weiblichen Geschlechtsöffnung hervortreten. Die frühgebärenden Säugethiere sind also als die Uebergangsformen, die spätgebärenden als der eigentliche Stamm dieser Klasse zu betrachten. Von jenen müssen wir zuvörderst sprechen, weil sie den Vögeln näher stehen. Es kann aber nur kurz geschehen, theils weil mehrfacher Versuche ungeachtet, eine zu- sammenhängende Kenntniſs ihrer Entwickelungsgeschichte uns noch ganz abgeht, theils weil mir eigene Untersuchungen über diese Thiere fehlen. Die auffallendste Abweichung zeigen die neuholländischen Monotremen, das Schnabelthier und das Stachelthier. Zwar ist es nur das Schnabelthier (Ornitho- rhynchus), an welchem man diese auffallenden Abweichungen von der Ent- wickelungsweise anderer Säugethiere bemerkt hat, allein bei der nahen Verwandt- schaft der Stachelthiere (Echidna) darf man kaum zweifeln, daſs beide auch in dieser Hinsicht übereinstimmen werden. — Vom Schnabelthiere ging schon *) Bei einem meiner Zuhörer, Herrn Dr. Grube, hat eine trocken gehaltene Coluber Natrix Eier gelegt. Leider erfuhr ich dies zu spät, um die Eier und die Ausbildung der Embryonen zu untersuchen. Die von mir lebendig gehaltenen Schlangen habe ich alle früher geöffnet.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/174>, abgerufen am 29.04.2024.