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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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der anderer Säugethier-Eier als übereinstimmend nachzuweisen und vollständig
aufzufinden, wodurch Haller und Kuhlemann irre geführt waren *).

Mit dieser kurzen, auf Vollständigkeit durchaus nicht Anspruch machenden
historischen Skizze **) habe ich Sie gleich in die Kenntniss unserer Zeit hinüber-

würden also allein fehlen! Der zweiten Abhandlung in Meckel's Archiv für Anat. und Physiol.
Jahrg. 1829. hat Herr Dr. Plagge Abbildungen beigegeben, ohne weitere Erklärung. In Taf. VI.
Fig. 2. wird Jedermann eine kürzlich geöffnete Kapsel erkennen, aus der das Ei längst weg ist, und
was ausserdem von der Grösse einer Kirsche abgebildet ist, für etwas Krankhaftes oder Unver-
ständliches erklären. In Fig. I. sieht man einen Eierstock mit mehreren vorragenden fast auflie-
genden Graaf'schen Bläschen, wie sie sich nie im Eierstocke der Kuh finden. Auf einem dersel-
ben erblickt man ein schwarzes Fleckchen, das wahrscheinlich das Ei bedeuten soll. Es war
nicht schwer, nach Erscheinung meiner Schrift ein solches Fleckchen zu zeichnen, es ist aber von
einem Gefässkreise umgeben, wie er sich bei aller Wandelbarkeit der Gefässe der Graaf'schen
Bläschen doch nie findet. Früher war ich zweifelhaft, ob Herr Dr. Plagge nicht wirklich die
Dotterkugel der Kuh gesehen habe, jetzt nicht mehr.
Prevost und Dumas scheinen dagegen im Hunde das Ei gefunden zu haben, ohne es da-
für zu halten, was es wirklich ist, denn nicht nur sagen sie in der Abhandlung, in der sie be-
merken, zweimal dunkle Körperchen innerhalb der Graaf'schen Bläschen gesehen zu haben
(Annales des sciences naturelles T. III. p. 135.), diese seyen von den Eiern durch ge-
ringere Durchsichtigkeit verschieden gewesen, weswegen die Verfasser es für nöthig halten, dass
nochmals das Verhältniss der Graaf'schen Bläschen zu den im Fruchthälter gefundenen Eiern
untersucht werde, sondern Dumas erklärt in dem Artikel Oeuf des Dictionnaire classi-
que
(gedruckt 1827): "aus der Kapsel trete ein elliptisches, durchsichtiges mit Flüssigkeit gefülltes
Bläschen", offenbar nach blosser Vermuthung, da ein solches Bläschen sich nicht findet. Nach
Erscheinung meier Schrift beschreibt freilich Prevost (Annales des sciences naturelles
Tome XVI. [an 1829] p. 160) richtig die Dotterkugel aus der Kuh, als ein undurchsichtiges Kügel-
chen. In neuester Zeit hat auch Herr Coste die Dotterkugel der Säugethiere gesehen.
*) Diese Beobachtungen theilte ich 1830 der Akademie zu Paris und 1831 der Akademie zu Berlin
mit, bin aber seitdem, obgleich die Abbildungen schon vor vier Jahren gestochen sind, nicht
dahin gelangt sie erscheinen zu lassen. Ich hoffe dieses nächstens thun zu können.
**) Nicht einmal auf vollkommene Wahrheit kann unsere Skizze Anspruch machen, da bekanntlich
Needham schon weiter gesehen hatte, als seine Nachfolger. Allein jeder Kundige weiss, dass,
wenn man alle Schwankungen erzählen wollte, daraus nothwendig ein starker Band werden würde.
Ich habe nur die allgemein verbreitete ältere Kenntniss berücksichtigt, weil es mir darauf ankam,
von dem, was jeder Mediciner weiss, oder wovon er wenigstens gehört hat, wie von der Ery-
throis
u. s. w. eine Brücke zu der spätern genetischen Darstellung zu bauen, und ich hoffe, dass
diejenigen Leser, die eben nicht Anatomen aus der neuen Schule sind, mir für diese paar Seiten
danken werden, weil ohne sie ihnen das Verständniss der genetischen Darstellung nicht unbe-
deutende Schwierigkeiten machen würde. Nur diesen Zweck im Auge behaltend, habe ich das
Verwirrende möglichst ausgelassen und den historischen Bericht der nachfolgenden Darstellung
mehr angeführt. So hat Cuvier eigentlich nicht bewiesen, dass das Chorion aus einer äussern
Haut und der Allantois werde. Vielmehr nennt er die äussere Haut selbst Chorion und sucht es
aus dem Bau reiferer Eier zu erweisen, dass die Gefässe durch die Allantois (oder was wir Harn-
sack nennen) dahin gelangen. Dutrochet dagegen läugnet eine gemeine umschliessende Haut
ganz und hat deshalb sogar Kämpfe mit Cuvier begonnen. Nach ihm ist das Chorion nur ein
Theil des Harnsackes. Dazu kommt, dass er im Menschen die Decidua für das Chorion, d. h.
für die Allantois angesehen hat. Er ist daher häufig gar nicht verstanden. Die allmählige Ausbil-

der anderer Säugethier-Eier als übereinstimmend nachzuweisen und vollständig
aufzufinden, wodurch Haller und Kuhlemann irre geführt waren *).

Mit dieser kurzen, auf Vollständigkeit durchaus nicht Anspruch machenden
historischen Skizze **) habe ich Sie gleich in die Kenntniſs unserer Zeit hinüber-

würden also allein fehlen! Der zweiten Abhandlung in Meckel’s Archiv für Anat. und Physiol.
Jahrg. 1829. hat Herr Dr. Plagge Abbildungen beigegeben, ohne weitere Erklärung. In Taf. VI.
Fig. 2. wird Jedermann eine kürzlich geöffnete Kapsel erkennen, aus der das Ei längst weg ist, und
was auſserdem von der Gröſse einer Kirsche abgebildet ist, für etwas Krankhaftes oder Unver-
ständliches erklären. In Fig. I. sieht man einen Eierstock mit mehreren vorragenden fast auflie-
genden Graaf’schen Bläschen, wie sie sich nie im Eierstocke der Kuh finden. Auf einem dersel-
ben erblickt man ein schwarzes Fleckchen, das wahrscheinlich das Ei bedeuten soll. Es war
nicht schwer, nach Erscheinung meiner Schrift ein solches Fleckchen zu zeichnen, es ist aber von
einem Gefäſskreise umgeben, wie er sich bei aller Wandelbarkeit der Gefäſse der Graaf’schen
Bläschen doch nie findet. Früher war ich zweifelhaft, ob Herr Dr. Plagge nicht wirklich die
Dotterkugel der Kuh gesehen habe, jetzt nicht mehr.
Prévost und Dumas scheinen dagegen im Hunde das Ei gefunden zu haben, ohne es da-
für zu halten, was es wirklich ist, denn nicht nur sagen sie in der Abhandlung, in der sie be-
merken, zweimal dunkle Körperchen innerhalb der Graaf’schen Bläschen gesehen zu haben
(Annales des sciences naturelles T. III. p. 135.), diese seyen von den Eiern durch ge-
ringere Durchsichtigkeit verschieden gewesen, weswegen die Verfasser es für nöthig halten, daſs
nochmals das Verhältniſs der Graaf’schen Bläschen zu den im Fruchthälter gefundenen Eiern
untersucht werde, sondern Dumas erklärt in dem Artikel Oeuf des Dictionnaire classi-
que
(gedruckt 1827): „aus der Kapsel trete ein elliptisches, durchsichtiges mit Flüssigkeit gefülltes
Bläschen”, offenbar nach bloſser Vermuthung, da ein solches Bläschen sich nicht findet. Nach
Erscheinung meier Schrift beschreibt freilich Prévost (Annales des sciences naturelles
Tome XVI. [an 1829] p. 160) richtig die Dotterkugel aus der Kuh, als ein undurchsichtiges Kügel-
chen. In neuester Zeit hat auch Herr Coste die Dotterkugel der Säugethiere gesehen.
*) Diese Beobachtungen theilte ich 1830 der Akademie zu Paris und 1831 der Akademie zu Berlin
mit, bin aber seitdem, obgleich die Abbildungen schon vor vier Jahren gestochen sind, nicht
dahin gelangt sie erscheinen zu lassen. Ich hoffe dieses nächstens thun zu können.
**) Nicht einmal auf vollkommene Wahrheit kann unsere Skizze Anspruch machen, da bekanntlich
Needham schon weiter gesehen hatte, als seine Nachfolger. Allein jeder Kundige weiſs, daſs,
wenn man alle Schwankungen erzählen wollte, daraus nothwendig ein starker Band werden würde.
Ich habe nur die allgemein verbreitete ältere Kenntniſs berücksichtigt, weil es mir darauf ankam,
von dem, was jeder Mediciner weiſs, oder wovon er wenigstens gehört hat, wie von der Ery-
throis
u. s. w. eine Brücke zu der spätern genetischen Darstellung zu bauen, und ich hoffe, daſs
diejenigen Leser, die eben nicht Anatomen aus der neuen Schule sind, mir für diese paar Seiten
danken werden, weil ohne sie ihnen das Verständniſs der genetischen Darstellung nicht unbe-
deutende Schwierigkeiten machen würde. Nur diesen Zweck im Auge behaltend, habe ich das
Verwirrende möglichst ausgelassen und den historischen Bericht der nachfolgenden Darstellung
mehr angeführt. So hat Cuvier eigentlich nicht bewiesen, daſs das Chorion aus einer äuſsern
Haut und der Allantois werde. Vielmehr nennt er die äuſsere Haut selbst Chorion und sucht es
aus dem Bau reiferer Eier zu erweisen, daſs die Gefäſse durch die Allantois (oder was wir Harn-
sack nennen) dahin gelangen. Dutrochet dagegen läugnet eine gemeine umschlieſsende Haut
ganz und hat deshalb sogar Kämpfe mit Cuvier begonnen. Nach ihm ist das Chorion nur ein
Theil des Harnsackes. Dazu kommt, daſs er im Menschen die Decidua für das Chorion, d. h.
für die Allantois angesehen hat. Er ist daher häufig gar nicht verstanden. Die allmählige Ausbil-
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[175/0185] der anderer Säugethier-Eier als übereinstimmend nachzuweisen und vollständig aufzufinden, wodurch Haller und Kuhlemann irre geführt waren *). Mit dieser kurzen, auf Vollständigkeit durchaus nicht Anspruch machenden historischen Skizze **) habe ich Sie gleich in die Kenntniſs unserer Zeit hinüber- ††) *) Diese Beobachtungen theilte ich 1830 der Akademie zu Paris und 1831 der Akademie zu Berlin mit, bin aber seitdem, obgleich die Abbildungen schon vor vier Jahren gestochen sind, nicht dahin gelangt sie erscheinen zu lassen. Ich hoffe dieses nächstens thun zu können. **) Nicht einmal auf vollkommene Wahrheit kann unsere Skizze Anspruch machen, da bekanntlich Needham schon weiter gesehen hatte, als seine Nachfolger. Allein jeder Kundige weiſs, daſs, wenn man alle Schwankungen erzählen wollte, daraus nothwendig ein starker Band werden würde. Ich habe nur die allgemein verbreitete ältere Kenntniſs berücksichtigt, weil es mir darauf ankam, von dem, was jeder Mediciner weiſs, oder wovon er wenigstens gehört hat, wie von der Ery- throis u. s. w. eine Brücke zu der spätern genetischen Darstellung zu bauen, und ich hoffe, daſs diejenigen Leser, die eben nicht Anatomen aus der neuen Schule sind, mir für diese paar Seiten danken werden, weil ohne sie ihnen das Verständniſs der genetischen Darstellung nicht unbe- deutende Schwierigkeiten machen würde. Nur diesen Zweck im Auge behaltend, habe ich das Verwirrende möglichst ausgelassen und den historischen Bericht der nachfolgenden Darstellung mehr angeführt. So hat Cuvier eigentlich nicht bewiesen, daſs das Chorion aus einer äuſsern Haut und der Allantois werde. Vielmehr nennt er die äuſsere Haut selbst Chorion und sucht es aus dem Bau reiferer Eier zu erweisen, daſs die Gefäſse durch die Allantois (oder was wir Harn- sack nennen) dahin gelangen. Dutrochet dagegen läugnet eine gemeine umschlieſsende Haut ganz und hat deshalb sogar Kämpfe mit Cuvier begonnen. Nach ihm ist das Chorion nur ein Theil des Harnsackes. Dazu kommt, daſs er im Menschen die Decidua für das Chorion, d. h. für die Allantois angesehen hat. Er ist daher häufig gar nicht verstanden. Die allmählige Ausbil- ††) würden also allein fehlen! Der zweiten Abhandlung in Meckel’s Archiv für Anat. und Physiol. Jahrg. 1829. hat Herr Dr. Plagge Abbildungen beigegeben, ohne weitere Erklärung. In Taf. VI. Fig. 2. wird Jedermann eine kürzlich geöffnete Kapsel erkennen, aus der das Ei längst weg ist, und was auſserdem von der Gröſse einer Kirsche abgebildet ist, für etwas Krankhaftes oder Unver- ständliches erklären. In Fig. I. sieht man einen Eierstock mit mehreren vorragenden fast auflie- genden Graaf’schen Bläschen, wie sie sich nie im Eierstocke der Kuh finden. Auf einem dersel- ben erblickt man ein schwarzes Fleckchen, das wahrscheinlich das Ei bedeuten soll. Es war nicht schwer, nach Erscheinung meiner Schrift ein solches Fleckchen zu zeichnen, es ist aber von einem Gefäſskreise umgeben, wie er sich bei aller Wandelbarkeit der Gefäſse der Graaf’schen Bläschen doch nie findet. Früher war ich zweifelhaft, ob Herr Dr. Plagge nicht wirklich die Dotterkugel der Kuh gesehen habe, jetzt nicht mehr. Prévost und Dumas scheinen dagegen im Hunde das Ei gefunden zu haben, ohne es da- für zu halten, was es wirklich ist, denn nicht nur sagen sie in der Abhandlung, in der sie be- merken, zweimal dunkle Körperchen innerhalb der Graaf’schen Bläschen gesehen zu haben (Annales des sciences naturelles T. III. p. 135.), diese seyen von den Eiern durch ge- ringere Durchsichtigkeit verschieden gewesen, weswegen die Verfasser es für nöthig halten, daſs nochmals das Verhältniſs der Graaf’schen Bläschen zu den im Fruchthälter gefundenen Eiern untersucht werde, sondern Dumas erklärt in dem Artikel Oeuf des Dictionnaire classi- que (gedruckt 1827): „aus der Kapsel trete ein elliptisches, durchsichtiges mit Flüssigkeit gefülltes Bläschen”, offenbar nach bloſser Vermuthung, da ein solches Bläschen sich nicht findet. Nach Erscheinung meier Schrift beschreibt freilich Prévost (Annales des sciences naturelles Tome XVI. [an 1829] p. 160) richtig die Dotterkugel aus der Kuh, als ein undurchsichtiges Kügel- chen. In neuester Zeit hat auch Herr Coste die Dotterkugel der Säugethiere gesehen.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/185>, abgerufen am 29.04.2024.