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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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Fidelis (aufstehend, lebhaft). Und ist denn nicht jede
Krankheit nur ein Weg zur Gesundheit?
Justine (erbittert; sehr laut). Du wirst noch behaupten,
sie hat bloß die Masern gehabt!
Fidelis (hebt rasch abwehrend die Hand, daß sie nicht so
schreien soll, tritt aus der Bank nach rechts und blickt besorgt
auf die zweite Türe rechts; dann wendet er sich wieder nach
Justinen um; nickend, ganz ernst).
Ungefähr. -- (Leichter
im Ton.)
Ihr wollt immer das Glück fertig ins Haus
geliefert kriegen! Das wär mir langweilig. Das Schick-
sal mischt die Karten, aber spielen will ich schon selber
damit. (Geht zur zweiten Türe rechts und horcht; dann,
indem er sich wieder zu Justine wendet, vorwurfsvoll.)
Sie
geht drin auf und ab. Du hast sie sicher aufgeweckt.
Justine (aufstehend; mit moralischer Entrüstung). Ich
hoffe, daß meine Tochter jetzt nicht schlafen kann!
Fidelis (geht wieder einige Schritte nach links; ruhig,
herzlich).
Ich hätte eine Bitte an dich, Mamchen. -- Geh
jetzt zu ihr! (Da er ihr widerstrebendes Gesicht bemerkt;
leichthin.)
Verfinstere dich nicht und -- sei nicht päpst-
licher als der Papst!
Justine (tritt vom Sofa weg, vor den runden Tisch; mit
einem finsteren Gesicht, widerstrebend, achselzuckend).
Ein
Kind, das Geheimnisse vor der Mutter hat --
Fidelis (ihr ins Wort fallend). Es ist in solchen Fällen
nicht üblich, vorher die Mutter zu fragen.
Justine (geht noch einige Schritte nach rechts; empört).
Ich weiß Gott sei Dank nicht, was in solchen Fällen
üblich ist!
Fidelis (geht ihr entgegen; herzlich). Sei lieb! Geh
Fidelis (aufſtehend, lebhaft). Und iſt denn nicht jede
Krankheit nur ein Weg zur Geſundheit?
Juſtine (erbittert; ſehr laut). Du wirſt noch behaupten,
ſie hat bloß die Maſern gehabt!
Fidelis (hebt raſch abwehrend die Hand, daß ſie nicht ſo
ſchreien ſoll, tritt aus der Bank nach rechts und blickt beſorgt
auf die zweite Tuͤre rechts; dann wendet er ſich wieder nach
Juſtinen um; nickend, ganz ernſt).
Ungefähr. — (Leichter
im Ton.)
Ihr wollt immer das Glück fertig ins Haus
geliefert kriegen! Das wär mir langweilig. Das Schick-
ſal miſcht die Karten, aber ſpielen will ich ſchon ſelber
damit. (Geht zur zweiten Tuͤre rechts und horcht; dann,
indem er ſich wieder zu Juſtine wendet, vorwurfsvoll.)
Sie
geht drin auf und ab. Du haſt ſie ſicher aufgeweckt.
Juſtine (aufſtehend; mit moraliſcher Entruͤſtung). Ich
hoffe, daß meine Tochter jetzt nicht ſchlafen kann!
Fidelis (geht wieder einige Schritte nach links; ruhig,
herzlich).
Ich hätte eine Bitte an dich, Mamchen. — Geh
jetzt zu ihr! (Da er ihr widerſtrebendes Geſicht bemerkt;
leichthin.)
Verfinſtere dich nicht und — ſei nicht päpſt-
licher als der Papſt!
Juſtine (tritt vom Sofa weg, vor den runden Tiſch; mit
einem finſteren Geſicht, widerſtrebend, achſelzuckend).
Ein
Kind, das Geheimniſſe vor der Mutter hat —
Fidelis (ihr ins Wort fallend). Es iſt in ſolchen Fällen
nicht üblich, vorher die Mutter zu fragen.
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Ich weiß Gott ſei Dank nicht, was in ſolchen Fällen
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[62/0065] Fidelis (aufſtehend, lebhaft). Und iſt denn nicht jede Krankheit nur ein Weg zur Geſundheit? Juſtine (erbittert; ſehr laut). Du wirſt noch behaupten, ſie hat bloß die Maſern gehabt! Fidelis (hebt raſch abwehrend die Hand, daß ſie nicht ſo ſchreien ſoll, tritt aus der Bank nach rechts und blickt beſorgt auf die zweite Tuͤre rechts; dann wendet er ſich wieder nach Juſtinen um; nickend, ganz ernſt). Ungefähr. — (Leichter im Ton.) Ihr wollt immer das Glück fertig ins Haus geliefert kriegen! Das wär mir langweilig. Das Schick- ſal miſcht die Karten, aber ſpielen will ich ſchon ſelber damit. (Geht zur zweiten Tuͤre rechts und horcht; dann, indem er ſich wieder zu Juſtine wendet, vorwurfsvoll.) Sie geht drin auf und ab. Du haſt ſie ſicher aufgeweckt. Juſtine (aufſtehend; mit moraliſcher Entruͤſtung). Ich hoffe, daß meine Tochter jetzt nicht ſchlafen kann! Fidelis (geht wieder einige Schritte nach links; ruhig, herzlich). Ich hätte eine Bitte an dich, Mamchen. — Geh jetzt zu ihr! (Da er ihr widerſtrebendes Geſicht bemerkt; leichthin.) Verfinſtere dich nicht und — ſei nicht päpſt- licher als der Papſt! Juſtine (tritt vom Sofa weg, vor den runden Tiſch; mit einem finſteren Geſicht, widerſtrebend, achſelzuckend). Ein Kind, das Geheimniſſe vor der Mutter hat — Fidelis (ihr ins Wort fallend). Es iſt in ſolchen Fällen nicht üblich, vorher die Mutter zu fragen. Juſtine (geht noch einige Schritte nach rechts; empoͤrt). Ich weiß Gott ſei Dank nicht, was in ſolchen Fällen üblich iſt! Fidelis (geht ihr entgegen; herzlich). Sei lieb! Geh

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/65>, abgerufen am 29.04.2024.