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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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lichen Regierungen und alle monarchischen Fürsten und
Gewalthaber, weil sie wohl wissen, dass ihr selbstsüchtiges
Treiben nicht imstande sein wird, seinen flammenden Blick
zu ertragen" 76).

Weitlings religiöser Kommunismus kam aus Frankreich
und England. In England sprach Owen von der positiven
Religion, dem persönlichen Eigentum und der unzertrenn-
baren Ehe als einer "Dreieinigkeit des Bösen", und Owen
war es, der Weitling, als dieser auf der Flucht nach
London kam, den "Führer der deutschen Kommunisten"
nannte 77).

Ein Buch von Marie Wollstonecraft über die Frauen-
rechte (1792) und Godwins Schilderungen des sozialen
Elends in seinem Werke "Enquiry concerning Political
Justice and its Influence on Morals and Happiness" hatten
Franz von Baader angeregt zu dem Satze: "Man muss zeigen,
dass Könige, Staatsgefangene und alle Reichen Pensionäre
sind" 78). In Frankreich aber gab Buchez den religiösen
Momenten des Saint-Simonismus eine praktische Wendung,
indem er verlangte, die Gebote der christlichen Moral auf
sozialem Gebiet zu verwirklichen. Louis Cabet lehrte unter
ungeheurem Beifall: "Der ikarische Kommunismus ist das
Christentum, das Jesus Christus eingesetzt hat, in seiner
ursprünglichen Reinheit, denn das Christentum ist das Prinzip
der Bruderliebe, der Gleichheit, der Freiheit, der Assoziation
und der Gütergemeinschaft" 79). Beranger rief aus: "Völker,
schliessen wir eine heilige Allianz!" Lammenais, der das
Priestertum des Volkes aufstellte und in so vielen Dingen
Prophetengabe besass, warnte vor sozialistischen Systemen,
durch die "die Völker zu einer Sklaverei verurteilt würden,
wie die Welt sie noch nicht gesehen habe"; die "den
Menschen zu einer blossen Maschine, zu einem Werkzeug
herabsetzen, ihn unter den Neger, ja sogar unter das Tier
stellen würden". Und noch Proudhons "Philosophie des
Elends", desselben Proudhon, der in seinen Mussestunden

lichen Regierungen und alle monarchischen Fürsten und
Gewalthaber, weil sie wohl wissen, dass ihr selbstsüchtiges
Treiben nicht imstande sein wird, seinen flammenden Blick
zu ertragen“ 76).

Weitlings religiöser Kommunismus kam aus Frankreich
und England. In England sprach Owen von der positiven
Religion, dem persönlichen Eigentum und der unzertrenn-
baren Ehe als einer „Dreieinigkeit des Bösen“, und Owen
war es, der Weitling, als dieser auf der Flucht nach
London kam, den „Führer der deutschen Kommunisten“
nannte 77).

Ein Buch von Marie Wollstonecraft über die Frauen-
rechte (1792) und Godwins Schilderungen des sozialen
Elends in seinem Werke „Enquiry concerning Political
Justice and its Influence on Morals and Happiness“ hatten
Franz von Baader angeregt zu dem Satze: „Man muss zeigen,
dass Könige, Staatsgefangene und alle Reichen Pensionäre
sind“ 78). In Frankreich aber gab Buchez den religiösen
Momenten des Saint-Simonismus eine praktische Wendung,
indem er verlangte, die Gebote der christlichen Moral auf
sozialem Gebiet zu verwirklichen. Louis Cabet lehrte unter
ungeheurem Beifall: „Der ikarische Kommunismus ist das
Christentum, das Jesus Christus eingesetzt hat, in seiner
ursprünglichen Reinheit, denn das Christentum ist das Prinzip
der Bruderliebe, der Gleichheit, der Freiheit, der Assoziation
und der Gütergemeinschaft“ 79). Béranger rief aus: „Völker,
schliessen wir eine heilige Allianz!“ Lammenais, der das
Priestertum des Volkes aufstellte und in so vielen Dingen
Prophetengabe besass, warnte vor sozialistischen Systemen,
durch die „die Völker zu einer Sklaverei verurteilt würden,
wie die Welt sie noch nicht gesehen habe“; die „den
Menschen zu einer blossen Maschine, zu einem Werkzeug
herabsetzen, ihn unter den Neger, ja sogar unter das Tier
stellen würden“. Und noch Proudhons „Philosophie des
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[158/0166] lichen Regierungen und alle monarchischen Fürsten und Gewalthaber, weil sie wohl wissen, dass ihr selbstsüchtiges Treiben nicht imstande sein wird, seinen flammenden Blick zu ertragen“ ⁷⁶⁾ . Weitlings religiöser Kommunismus kam aus Frankreich und England. In England sprach Owen von der positiven Religion, dem persönlichen Eigentum und der unzertrenn- baren Ehe als einer „Dreieinigkeit des Bösen“, und Owen war es, der Weitling, als dieser auf der Flucht nach London kam, den „Führer der deutschen Kommunisten“ nannte ⁷⁷⁾ . Ein Buch von Marie Wollstonecraft über die Frauen- rechte (1792) und Godwins Schilderungen des sozialen Elends in seinem Werke „Enquiry concerning Political Justice and its Influence on Morals and Happiness“ hatten Franz von Baader angeregt zu dem Satze: „Man muss zeigen, dass Könige, Staatsgefangene und alle Reichen Pensionäre sind“ ⁷⁸⁾ . In Frankreich aber gab Buchez den religiösen Momenten des Saint-Simonismus eine praktische Wendung, indem er verlangte, die Gebote der christlichen Moral auf sozialem Gebiet zu verwirklichen. Louis Cabet lehrte unter ungeheurem Beifall: „Der ikarische Kommunismus ist das Christentum, das Jesus Christus eingesetzt hat, in seiner ursprünglichen Reinheit, denn das Christentum ist das Prinzip der Bruderliebe, der Gleichheit, der Freiheit, der Assoziation und der Gütergemeinschaft“ ⁷⁹⁾ . Béranger rief aus: „Völker, schliessen wir eine heilige Allianz!“ Lammenais, der das Priestertum des Volkes aufstellte und in so vielen Dingen Prophetengabe besass, warnte vor sozialistischen Systemen, durch die „die Völker zu einer Sklaverei verurteilt würden, wie die Welt sie noch nicht gesehen habe“; die „den Menschen zu einer blossen Maschine, zu einem Werkzeug herabsetzen, ihn unter den Neger, ja sogar unter das Tier stellen würden“. Und noch Proudhons „Philosophie des Elends“, desselben Proudhon, der in seinen Mussestunden

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/166>, abgerufen am 01.05.2024.