Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
Drittes Hauptstück.
Von den Umsatzgewerben, als Zweig der
Volkswirthschaft
.
§. 435.
1) Der Handel.

In den ersten Zeiten des Verkehrslebens brachte blos das
zufällige Zusammentreffen gelegenheitlich einen und den andern
Tausch hervor, weil blos besondere Neigung für eine Sache wirk-
sam war. Erst als sich die verschiedenen gewerblichen Beschäfti-
gungen getrennt hatten wurde er eine Nothwendigkeit, indem jene
Trennung ohne diesen nicht bestehen konnte. Indem nun die Ge-
werbstrennung immer weiter ging, sich die Bevölkerung mehr hob
und mehr auseinander zog, wurde auch die Nützlichkeit einer Art
von Geschäften fühlbar, welche blos den Tausch zwischen den Be-
sitzern und Begehrern besorgten. So wie nun Menschen, natürlich
nicht ohne Vergütung, diesem Geschäfte sich widmeten, war auch
der Handel entstanden, und mußte immer um so nothwendiger
werden, je mehr sich die Arbeiten und die Bevölkerung trennten,
je mehr neue Bedürfnisse entstanden und je mehr man durch ihn
selbst mit den Producten, Gewerben, Künsten, Wissenschaften und
Lebensweisen anderer Nationen bekannt wurde. Sein Nutzen ist
darum groß, aber doch ist aus den Gründen seiner Entstehung klar,
warum es kein Volk geben kann, das nichts als Handel treibt,
und daß Handelsvölker nur solche sind, welche sich vorzüglich durch
den Handel vor den andern auszeichnen, weil ihr Geist und die
Lage des Landes besonders dazu geeignet ist. Ohne ihn ist der
Gewerbsbetrieb der Völker in civilisirterem Zustande nicht denkbar.
Es bleibt 1) beim Binnenhandel die Kostenerstattung für die
Handelsgüter im Preise blos zwischen den Inländern. Er ist daher
zwei inländischen Gewerbsklassen und -Capitalien zugleich förderlich
und ist bei großer Blüthe Eines der sichersten Zeichen großen Volks-
wohlstandes von langer Dauer. Das Handelscapital läuft fast be-
ständig um, so daß eine und dieselbe Summe jährlich mehrmals
umgesetzt wird. Der Gewinn ist zwar selten so groß, wie beim
auswärtigen Handel, aber sicherer, weil das Wagniß weit geringer
ist. Als ein Hauptzweig desselben ist besonders der Kleinhandel
wegen seiner Hilfe in der Gütervertheilung wichtig. Er erheischt
wenig Capital, bietet manchem Besitzer kleiner Capitalien Gelegen-
heit zur Gewerbsunternehmung dar, greift in die Fugen des Groß-
handels unterstützend ein, und erleichtert die Befriedigung der

Drittes Hauptſtück.
Von den Umſatzgewerben, als Zweig der
Volkswirthſchaft
.
§. 435.
1) Der Handel.

In den erſten Zeiten des Verkehrslebens brachte blos das
zufällige Zuſammentreffen gelegenheitlich einen und den andern
Tauſch hervor, weil blos beſondere Neigung für eine Sache wirk-
ſam war. Erſt als ſich die verſchiedenen gewerblichen Beſchäfti-
gungen getrennt hatten wurde er eine Nothwendigkeit, indem jene
Trennung ohne dieſen nicht beſtehen konnte. Indem nun die Ge-
werbstrennung immer weiter ging, ſich die Bevölkerung mehr hob
und mehr auseinander zog, wurde auch die Nützlichkeit einer Art
von Geſchäften fühlbar, welche blos den Tauſch zwiſchen den Be-
ſitzern und Begehrern beſorgten. So wie nun Menſchen, natürlich
nicht ohne Vergütung, dieſem Geſchäfte ſich widmeten, war auch
der Handel entſtanden, und mußte immer um ſo nothwendiger
werden, je mehr ſich die Arbeiten und die Bevölkerung trennten,
je mehr neue Bedürfniſſe entſtanden und je mehr man durch ihn
ſelbſt mit den Producten, Gewerben, Künſten, Wiſſenſchaften und
Lebensweiſen anderer Nationen bekannt wurde. Sein Nutzen iſt
darum groß, aber doch iſt aus den Gründen ſeiner Entſtehung klar,
warum es kein Volk geben kann, das nichts als Handel treibt,
und daß Handelsvölker nur ſolche ſind, welche ſich vorzüglich durch
den Handel vor den andern auszeichnen, weil ihr Geiſt und die
Lage des Landes beſonders dazu geeignet iſt. Ohne ihn iſt der
Gewerbsbetrieb der Völker in civiliſirterem Zuſtande nicht denkbar.
Es bleibt 1) beim Binnenhandel die Koſtenerſtattung für die
Handelsgüter im Preiſe blos zwiſchen den Inländern. Er iſt daher
zwei inländiſchen Gewerbsklaſſen und -Capitalien zugleich förderlich
und iſt bei großer Blüthe Eines der ſicherſten Zeichen großen Volks-
wohlſtandes von langer Dauer. Das Handelscapital läuft faſt be-
ſtändig um, ſo daß eine und dieſelbe Summe jährlich mehrmals
umgeſetzt wird. Der Gewinn iſt zwar ſelten ſo groß, wie beim
auswärtigen Handel, aber ſicherer, weil das Wagniß weit geringer
iſt. Als ein Hauptzweig deſſelben iſt beſonders der Kleinhandel
wegen ſeiner Hilfe in der Gütervertheilung wichtig. Er erheiſcht
wenig Capital, bietet manchem Beſitzer kleiner Capitalien Gelegen-
heit zur Gewerbsunternehmung dar, greift in die Fugen des Groß-
handels unterſtützend ein, und erleichtert die Befriedigung der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0640" n="618"/>
                <div n="6">
                  <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Drittes Haupt&#x017F;tück</hi>.<lb/><hi rendition="#g">Von den Um&#x017F;atzgewerben</hi>, <hi rendition="#g">als Zweig der<lb/>
Volkswirth&#x017F;chaft</hi>.</hi> </head><lb/>
                  <div n="7">
                    <head> <hi rendition="#c">§. 435.<lb/>
1) <hi rendition="#g">Der Handel</hi>.</hi> </head><lb/>
                    <p>In den er&#x017F;ten Zeiten des Verkehrslebens brachte blos das<lb/>
zufällige Zu&#x017F;ammentreffen gelegenheitlich einen und den andern<lb/><hi rendition="#g">Tau&#x017F;ch</hi> hervor, weil blos be&#x017F;ondere Neigung für eine Sache wirk-<lb/>
&#x017F;am war. Er&#x017F;t als &#x017F;ich die ver&#x017F;chiedenen gewerblichen Be&#x017F;chäfti-<lb/>
gungen getrennt hatten wurde er eine Nothwendigkeit, indem jene<lb/>
Trennung ohne die&#x017F;en nicht be&#x017F;tehen konnte. Indem nun die Ge-<lb/>
werbstrennung immer weiter ging, &#x017F;ich die Bevölkerung mehr hob<lb/>
und mehr auseinander zog, wurde auch die Nützlichkeit einer Art<lb/>
von Ge&#x017F;chäften fühlbar, welche blos den Tau&#x017F;ch zwi&#x017F;chen den Be-<lb/>
&#x017F;itzern und Begehrern be&#x017F;orgten. So wie nun Men&#x017F;chen, natürlich<lb/>
nicht ohne Vergütung, die&#x017F;em Ge&#x017F;chäfte &#x017F;ich widmeten, war auch<lb/>
der <hi rendition="#g">Handel</hi> ent&#x017F;tanden, und mußte immer um &#x017F;o nothwendiger<lb/>
werden, je mehr &#x017F;ich die Arbeiten und die Bevölkerung trennten,<lb/>
je mehr neue Bedürfni&#x017F;&#x017F;e ent&#x017F;tanden und je mehr man durch ihn<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t mit den Producten, Gewerben, Kün&#x017F;ten, Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften und<lb/>
Lebenswei&#x017F;en anderer Nationen bekannt wurde. Sein Nutzen i&#x017F;t<lb/>
darum groß, aber doch i&#x017F;t aus den Gründen &#x017F;einer Ent&#x017F;tehung klar,<lb/>
warum es kein Volk geben kann, das nichts als Handel treibt,<lb/>
und daß Handelsvölker nur &#x017F;olche &#x017F;ind, welche &#x017F;ich vorzüglich durch<lb/>
den Handel vor den andern auszeichnen, weil ihr Gei&#x017F;t und die<lb/>
Lage des Landes be&#x017F;onders dazu geeignet i&#x017F;t. Ohne ihn i&#x017F;t der<lb/>
Gewerbsbetrieb der Völker in civili&#x017F;irterem Zu&#x017F;tande nicht denkbar.<lb/>
Es bleibt 1) beim <hi rendition="#g">Binnenhandel</hi> die Ko&#x017F;tener&#x017F;tattung für die<lb/>
Handelsgüter im Prei&#x017F;e blos zwi&#x017F;chen den Inländern. Er i&#x017F;t daher<lb/>
zwei inländi&#x017F;chen Gewerbskla&#x017F;&#x017F;en und -Capitalien zugleich förderlich<lb/>
und i&#x017F;t bei großer Blüthe Eines der &#x017F;icher&#x017F;ten Zeichen großen Volks-<lb/>
wohl&#x017F;tandes von langer Dauer. Das Handelscapital läuft fa&#x017F;t be-<lb/>
&#x017F;tändig um, &#x017F;o daß eine und die&#x017F;elbe Summe jährlich mehrmals<lb/>
umge&#x017F;etzt wird. Der Gewinn i&#x017F;t zwar &#x017F;elten &#x017F;o groß, wie beim<lb/>
auswärtigen Handel, aber &#x017F;icherer, weil das Wagniß weit geringer<lb/>
i&#x017F;t. Als ein Hauptzweig de&#x017F;&#x017F;elben i&#x017F;t be&#x017F;onders der <hi rendition="#g">Kleinhandel</hi><lb/>
wegen &#x017F;einer Hilfe in der Gütervertheilung wichtig. Er erhei&#x017F;cht<lb/>
wenig Capital, bietet manchem Be&#x017F;itzer kleiner Capitalien Gelegen-<lb/>
heit zur Gewerbsunternehmung dar, greift in die Fugen des Groß-<lb/>
handels unter&#x017F;tützend ein, und erleichtert die Befriedigung der<lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[618/0640] Drittes Hauptſtück. Von den Umſatzgewerben, als Zweig der Volkswirthſchaft. §. 435. 1) Der Handel. In den erſten Zeiten des Verkehrslebens brachte blos das zufällige Zuſammentreffen gelegenheitlich einen und den andern Tauſch hervor, weil blos beſondere Neigung für eine Sache wirk- ſam war. Erſt als ſich die verſchiedenen gewerblichen Beſchäfti- gungen getrennt hatten wurde er eine Nothwendigkeit, indem jene Trennung ohne dieſen nicht beſtehen konnte. Indem nun die Ge- werbstrennung immer weiter ging, ſich die Bevölkerung mehr hob und mehr auseinander zog, wurde auch die Nützlichkeit einer Art von Geſchäften fühlbar, welche blos den Tauſch zwiſchen den Be- ſitzern und Begehrern beſorgten. So wie nun Menſchen, natürlich nicht ohne Vergütung, dieſem Geſchäfte ſich widmeten, war auch der Handel entſtanden, und mußte immer um ſo nothwendiger werden, je mehr ſich die Arbeiten und die Bevölkerung trennten, je mehr neue Bedürfniſſe entſtanden und je mehr man durch ihn ſelbſt mit den Producten, Gewerben, Künſten, Wiſſenſchaften und Lebensweiſen anderer Nationen bekannt wurde. Sein Nutzen iſt darum groß, aber doch iſt aus den Gründen ſeiner Entſtehung klar, warum es kein Volk geben kann, das nichts als Handel treibt, und daß Handelsvölker nur ſolche ſind, welche ſich vorzüglich durch den Handel vor den andern auszeichnen, weil ihr Geiſt und die Lage des Landes beſonders dazu geeignet iſt. Ohne ihn iſt der Gewerbsbetrieb der Völker in civiliſirterem Zuſtande nicht denkbar. Es bleibt 1) beim Binnenhandel die Koſtenerſtattung für die Handelsgüter im Preiſe blos zwiſchen den Inländern. Er iſt daher zwei inländiſchen Gewerbsklaſſen und -Capitalien zugleich förderlich und iſt bei großer Blüthe Eines der ſicherſten Zeichen großen Volks- wohlſtandes von langer Dauer. Das Handelscapital läuft faſt be- ſtändig um, ſo daß eine und dieſelbe Summe jährlich mehrmals umgeſetzt wird. Der Gewinn iſt zwar ſelten ſo groß, wie beim auswärtigen Handel, aber ſicherer, weil das Wagniß weit geringer iſt. Als ein Hauptzweig deſſelben iſt beſonders der Kleinhandel wegen ſeiner Hilfe in der Gütervertheilung wichtig. Er erheiſcht wenig Capital, bietet manchem Beſitzer kleiner Capitalien Gelegen- heit zur Gewerbsunternehmung dar, greift in die Fugen des Groß- handels unterſtützend ein, und erleichtert die Befriedigung der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/640
Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 618. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/640>, abgerufen am 30.04.2024.