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Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

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Bedürfnisse nach Lust, bester Zeit und in kleinen Quantitäten.
2) Der auswärtige Handel verlangt weit mehr eigenthümliche
begünstigende Umstände zu seiner Entstehung und ein sehr bedeu-
tendes stehendes und umlaufendes Capital. Die Aus- und Einfuhr
befördert den Gewerbsfleiß und erleichtert den Gütergenuß. Er
bewirkt eine gegenseitige Aushilfe unter den Ländern mit ihren
eigenthümlichen Producten. Alle Völker haben dabei diesen Ge-
winn, obschon seine Einträglichkeit durch manche Hindernisse unter-
brochen werden kann. Sehr wichtig ist das Verhältniß zwischen
der Aus- und Einfuhr, um welches sich der Irrthum des Merkan-
tilsystems dreht in der Lehre von der Handelsbilanz. Seine
Grundansicht ist, daß ein Volk einen Ueberschuß der Ausfuhr über
die Einfuhr haben könne und daß hierin der Gewinn liege, welchen
eine Nation im auswärtigen Handel mache. Allein aus der Theorie
der Gegenseitigkeit des Handels, nämlich daraus, daß kein Tausch
und Handel ohne gegenseitige Abtretung gleicher Tauschwerthe
Statt finden kann, wenn man keine Ueberlistung statuirt, ergibt
sich leicht, daß in der That kein solcher Ueberschuß bestehen kann,
sondern Ein- und Ausfuhr dem Tauschwerthe nach gleich sind.
Ergeben die statistischen Berechnungen doch einen solchen, so ist
dies eine Folge davon, daß man bei der Zusammenstellung einen
Stillstand annimmt, obschon im Verkehre nie ein solcher existirt,
daß viele Arten der Aus- und Einfuhr Statt finden, die man gar
nicht berechnen kann, und daß die Angaben über die bestimmbaren
Punkte unrichtig sind. Die Erstattung der Gegengabe geschieht
zudem auf so manchfache, Baarsendungen entbehrlich machende,
Arten (§. 341-345.), und zufällige Störungen sind dabei so leicht
möglich, daß man sich auf die Berechnungen der Aus- und Einfuhr
nicht verlassen kann. Nichts desto weniger ist die Erörterung des-
selben wegen des Einflusses auf das Gewerbswesen sehr wichtig;
allein die statistischen Mittel reichten bis jetzt zu einer vollständigen
Kenntniß desselben nicht hin. Denn der Wechselcurs, der sich noch
nach andern Umständen als nach der bloßen Ein- und Ausfuhr
richtet, berechtigt noch nicht zu einem Schlusse auf diese (§.
350.) und die Zolllisten sind an sich wegen Verheimlichung und
Ungenauigkeit unzureichend. 3) Der Zwischenhandel übt einen
mittelbar förderlichen Einfluß auf die Gewerbsamkeit des Landes,
welchem der Kaufmann angehört und wodurch der Waarenzug geht.
Er erheischt viele Capitalien, ist aber leicht durch Hindernisse der
Absperrung, Abgaben u. dgl. mehr zu unterbrechen. 4) Der Co-
lonialhandel ist für das Mutterland und die Colonien bei freiem
Betriebe hauptsächlich darum sehr vortheilhaft, weil er die Ver-

Bedürfniſſe nach Luſt, beſter Zeit und in kleinen Quantitäten.
2) Der auswärtige Handel verlangt weit mehr eigenthümliche
begünſtigende Umſtände zu ſeiner Entſtehung und ein ſehr bedeu-
tendes ſtehendes und umlaufendes Capital. Die Aus- und Einfuhr
befördert den Gewerbsfleiß und erleichtert den Gütergenuß. Er
bewirkt eine gegenſeitige Aushilfe unter den Ländern mit ihren
eigenthümlichen Producten. Alle Völker haben dabei dieſen Ge-
winn, obſchon ſeine Einträglichkeit durch manche Hinderniſſe unter-
brochen werden kann. Sehr wichtig iſt das Verhältniß zwiſchen
der Aus- und Einfuhr, um welches ſich der Irrthum des Merkan-
tilſyſtems dreht in der Lehre von der Handelsbilanz. Seine
Grundanſicht iſt, daß ein Volk einen Ueberſchuß der Ausfuhr über
die Einfuhr haben könne und daß hierin der Gewinn liege, welchen
eine Nation im auswärtigen Handel mache. Allein aus der Theorie
der Gegenſeitigkeit des Handels, nämlich daraus, daß kein Tauſch
und Handel ohne gegenſeitige Abtretung gleicher Tauſchwerthe
Statt finden kann, wenn man keine Ueberliſtung ſtatuirt, ergibt
ſich leicht, daß in der That kein ſolcher Ueberſchuß beſtehen kann,
ſondern Ein- und Ausfuhr dem Tauſchwerthe nach gleich ſind.
Ergeben die ſtatiſtiſchen Berechnungen doch einen ſolchen, ſo iſt
dies eine Folge davon, daß man bei der Zuſammenſtellung einen
Stillſtand annimmt, obſchon im Verkehre nie ein ſolcher exiſtirt,
daß viele Arten der Aus- und Einfuhr Statt finden, die man gar
nicht berechnen kann, und daß die Angaben über die beſtimmbaren
Punkte unrichtig ſind. Die Erſtattung der Gegengabe geſchieht
zudem auf ſo manchfache, Baarſendungen entbehrlich machende,
Arten (§. 341–345.), und zufällige Störungen ſind dabei ſo leicht
möglich, daß man ſich auf die Berechnungen der Aus- und Einfuhr
nicht verlaſſen kann. Nichts deſto weniger iſt die Erörterung des-
ſelben wegen des Einfluſſes auf das Gewerbsweſen ſehr wichtig;
allein die ſtatiſtiſchen Mittel reichten bis jetzt zu einer vollſtändigen
Kenntniß deſſelben nicht hin. Denn der Wechſelcurs, der ſich noch
nach andern Umſtänden als nach der bloßen Ein- und Ausfuhr
richtet, berechtigt noch nicht zu einem Schluſſe auf dieſe (§.
350.) und die Zollliſten ſind an ſich wegen Verheimlichung und
Ungenauigkeit unzureichend. 3) Der Zwiſchenhandel übt einen
mittelbar förderlichen Einfluß auf die Gewerbſamkeit des Landes,
welchem der Kaufmann angehört und wodurch der Waarenzug geht.
Er erheiſcht viele Capitalien, iſt aber leicht durch Hinderniſſe der
Abſperrung, Abgaben u. dgl. mehr zu unterbrechen. 4) Der Co-
lonialhandel iſt für das Mutterland und die Colonien bei freiem
Betriebe hauptſächlich darum ſehr vortheilhaft, weil er die Ver-

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[619/0641] Bedürfniſſe nach Luſt, beſter Zeit und in kleinen Quantitäten. 2) Der auswärtige Handel verlangt weit mehr eigenthümliche begünſtigende Umſtände zu ſeiner Entſtehung und ein ſehr bedeu- tendes ſtehendes und umlaufendes Capital. Die Aus- und Einfuhr befördert den Gewerbsfleiß und erleichtert den Gütergenuß. Er bewirkt eine gegenſeitige Aushilfe unter den Ländern mit ihren eigenthümlichen Producten. Alle Völker haben dabei dieſen Ge- winn, obſchon ſeine Einträglichkeit durch manche Hinderniſſe unter- brochen werden kann. Sehr wichtig iſt das Verhältniß zwiſchen der Aus- und Einfuhr, um welches ſich der Irrthum des Merkan- tilſyſtems dreht in der Lehre von der Handelsbilanz. Seine Grundanſicht iſt, daß ein Volk einen Ueberſchuß der Ausfuhr über die Einfuhr haben könne und daß hierin der Gewinn liege, welchen eine Nation im auswärtigen Handel mache. Allein aus der Theorie der Gegenſeitigkeit des Handels, nämlich daraus, daß kein Tauſch und Handel ohne gegenſeitige Abtretung gleicher Tauſchwerthe Statt finden kann, wenn man keine Ueberliſtung ſtatuirt, ergibt ſich leicht, daß in der That kein ſolcher Ueberſchuß beſtehen kann, ſondern Ein- und Ausfuhr dem Tauſchwerthe nach gleich ſind. Ergeben die ſtatiſtiſchen Berechnungen doch einen ſolchen, ſo iſt dies eine Folge davon, daß man bei der Zuſammenſtellung einen Stillſtand annimmt, obſchon im Verkehre nie ein ſolcher exiſtirt, daß viele Arten der Aus- und Einfuhr Statt finden, die man gar nicht berechnen kann, und daß die Angaben über die beſtimmbaren Punkte unrichtig ſind. Die Erſtattung der Gegengabe geſchieht zudem auf ſo manchfache, Baarſendungen entbehrlich machende, Arten (§. 341–345.), und zufällige Störungen ſind dabei ſo leicht möglich, daß man ſich auf die Berechnungen der Aus- und Einfuhr nicht verlaſſen kann. Nichts deſto weniger iſt die Erörterung des- ſelben wegen des Einfluſſes auf das Gewerbsweſen ſehr wichtig; allein die ſtatiſtiſchen Mittel reichten bis jetzt zu einer vollſtändigen Kenntniß deſſelben nicht hin. Denn der Wechſelcurs, der ſich noch nach andern Umſtänden als nach der bloßen Ein- und Ausfuhr richtet, berechtigt noch nicht zu einem Schluſſe auf dieſe (§. 350.) und die Zollliſten ſind an ſich wegen Verheimlichung und Ungenauigkeit unzureichend. 3) Der Zwiſchenhandel übt einen mittelbar förderlichen Einfluß auf die Gewerbſamkeit des Landes, welchem der Kaufmann angehört und wodurch der Waarenzug geht. Er erheiſcht viele Capitalien, iſt aber leicht durch Hinderniſſe der Abſperrung, Abgaben u. dgl. mehr zu unterbrechen. 4) Der Co- lonialhandel iſt für das Mutterland und die Colonien bei freiem Betriebe hauptſächlich darum ſehr vortheilhaft, weil er die Ver-

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Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 619. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/641>, abgerufen am 30.04.2024.