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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Anges beugte sich zu dem Kind nieder, schlug den Aermel des Kleidchens empor und der Prinz kniete hin vor sein Kind, küßte die Buchstaben und küßte Sophie, ja er überströmte sie mit Küssen und Freudenthränen und endlich rief er erschüttert und voll innigster Sehnsucht der Liebe aus: O, Charlotte! meine angebetete Charlotte! Daß du bei mir wärst, mit mir diesen wonneseligen Augenblick zu feiern! O, meine Sophie! Meine himmlische Sophie!

Sie sind mein Vater? fragte das Kind mit dem vollen Wohlklang seiner Stimme. Ich weiß es, daß Sie mein Vater sind.

Und wer sagte dir dies, mein liebes, mein theures Kind?

Weil der Vater sein Kind küßt, antwortete die Kleine. Mich hat noch kein Vater küssen dürfen, meine Anges litt es nicht. Sie sagte oft: einst wird Ihr Vater kommen, liebe Sophie, und wird Sie küssend in seine Arme schließen, und Sie werden eine große Freude empfinden. Ich empfinde jetzt diese Freude, und sie sagt mir, daß Sie mein Vater sind.

Der Prinz war entzückt über den Geist, mit dem sein Kind sich ausdrückte, wie darüber, dasselbe auch körperlich so schön ausgebildet zu finden, so daß Sophie in der That für ein Jahr älter angesehen werden konnte, als sie wirklich war; er wiederholte seine innig zärtlichen Liebkosungen, welche das Kind, von Sympathie durchglüht, von der Allmachtstimme der Natur geleitet, in gleicher Zärtlichkeit erwiederte. Anges ließ Beide lange im ungestörten Genuß dieses überaus reinen und beseligenden Glückes, und erst als der Prinz an das Scheiden denken mußte, wagte sie die Frage: Königliche Hoheit haben ohne Zweifel Nachricht von Ihrer Hoheit, der Prinzessin?

Es geht Charlotten gut, erwiederte der Prinz: doch hat sie mächtige Sehnsucht nach dem Kinde, da Ihr Aufenthalt ihr unbekannt ist. O, eilen Sie, eilen Sie nach jenem Lande, hinweg aus diesem von den Gefahren des Krieges rings und mehr als je umdrohten Zufluchtsort! Ich sorge für Alles; nehmen Sie eine Dienerin an, der bequemste Reisewagen soll zu Ihrer Verfügung gestellt sein, eine Escorte meines Regiments soll Sie sicher durch die Armee den Rhein hinauf geleiten, und in einem ruhigeren unbedrohten Lande und in der Nähe der herrlichen Mutter dieses Kindes, nicht allzufern von Ihrer eigenen Mutter, sollen Sie ein schönes Asyl finden und allen Dank der Liebe

Angés beugte sich zu dem Kind nieder, schlug den Aermel des Kleidchens empor und der Prinz kniete hin vor sein Kind, küßte die Buchstaben und küßte Sophie, ja er überströmte sie mit Küssen und Freudenthränen und endlich rief er erschüttert und voll innigster Sehnsucht der Liebe aus: O, Charlotte! meine angebetete Charlotte! Daß du bei mir wärst, mit mir diesen wonneseligen Augenblick zu feiern! O, meine Sophie! Meine himmlische Sophie!

Sie sind mein Vater? fragte das Kind mit dem vollen Wohlklang seiner Stimme. Ich weiß es, daß Sie mein Vater sind.

Und wer sagte dir dies, mein liebes, mein theures Kind?

Weil der Vater sein Kind küßt, antwortete die Kleine. Mich hat noch kein Vater küssen dürfen, meine Angés litt es nicht. Sie sagte oft: einst wird Ihr Vater kommen, liebe Sophie, und wird Sie küssend in seine Arme schließen, und Sie werden eine große Freude empfinden. Ich empfinde jetzt diese Freude, und sie sagt mir, daß Sie mein Vater sind.

Der Prinz war entzückt über den Geist, mit dem sein Kind sich ausdrückte, wie darüber, dasselbe auch körperlich so schön ausgebildet zu finden, so daß Sophie in der That für ein Jahr älter angesehen werden konnte, als sie wirklich war; er wiederholte seine innig zärtlichen Liebkosungen, welche das Kind, von Sympathie durchglüht, von der Allmachtstimme der Natur geleitet, in gleicher Zärtlichkeit erwiederte. Angés ließ Beide lange im ungestörten Genuß dieses überaus reinen und beseligenden Glückes, und erst als der Prinz an das Scheiden denken mußte, wagte sie die Frage: Königliche Hoheit haben ohne Zweifel Nachricht von Ihrer Hoheit, der Prinzessin?

Es geht Charlotten gut, erwiederte der Prinz: doch hat sie mächtige Sehnsucht nach dem Kinde, da Ihr Aufenthalt ihr unbekannt ist. O, eilen Sie, eilen Sie nach jenem Lande, hinweg aus diesem von den Gefahren des Krieges rings und mehr als je umdrohten Zufluchtsort! Ich sorge für Alles; nehmen Sie eine Dienerin an, der bequemste Reisewagen soll zu Ihrer Verfügung gestellt sein, eine Escorte meines Regiments soll Sie sicher durch die Armee den Rhein hinauf geleiten, und in einem ruhigeren unbedrohten Lande und in der Nähe der herrlichen Mutter dieses Kindes, nicht allzufern von Ihrer eigenen Mutter, sollen Sie ein schönes Asyl finden und allen Dank der Liebe

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          <p>Sie sind mein Vater? fragte das Kind mit dem vollen Wohlklang seiner Stimme. Ich weiß es, daß Sie mein Vater sind.</p>
          <p>Und wer sagte dir dies, mein liebes, mein theures Kind?</p>
          <p>Weil der Vater sein Kind küßt, antwortete die Kleine. Mich hat noch kein Vater küssen dürfen, meine Angés litt es nicht. Sie sagte oft: einst wird Ihr Vater kommen, liebe Sophie, und wird Sie küssend in seine Arme schließen, und Sie werden eine große Freude empfinden. Ich empfinde jetzt diese Freude, und sie sagt mir, daß Sie mein Vater sind.</p>
          <p>Der Prinz war entzückt über den Geist, mit dem sein Kind sich ausdrückte, wie darüber, dasselbe auch körperlich so schön ausgebildet zu finden, so daß Sophie in der That für ein Jahr älter angesehen werden konnte, als sie wirklich war; er wiederholte seine innig zärtlichen Liebkosungen, welche das Kind, von Sympathie durchglüht, von der Allmachtstimme der Natur geleitet, in gleicher Zärtlichkeit erwiederte. Angés ließ Beide lange im ungestörten Genuß dieses überaus reinen und beseligenden Glückes, und erst als der Prinz an das Scheiden denken mußte, wagte sie die Frage: Königliche Hoheit haben ohne Zweifel Nachricht von Ihrer Hoheit, der Prinzessin?</p>
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[197/0201] Angés beugte sich zu dem Kind nieder, schlug den Aermel des Kleidchens empor und der Prinz kniete hin vor sein Kind, küßte die Buchstaben und küßte Sophie, ja er überströmte sie mit Küssen und Freudenthränen und endlich rief er erschüttert und voll innigster Sehnsucht der Liebe aus: O, Charlotte! meine angebetete Charlotte! Daß du bei mir wärst, mit mir diesen wonneseligen Augenblick zu feiern! O, meine Sophie! Meine himmlische Sophie! Sie sind mein Vater? fragte das Kind mit dem vollen Wohlklang seiner Stimme. Ich weiß es, daß Sie mein Vater sind. Und wer sagte dir dies, mein liebes, mein theures Kind? Weil der Vater sein Kind küßt, antwortete die Kleine. Mich hat noch kein Vater küssen dürfen, meine Angés litt es nicht. Sie sagte oft: einst wird Ihr Vater kommen, liebe Sophie, und wird Sie küssend in seine Arme schließen, und Sie werden eine große Freude empfinden. Ich empfinde jetzt diese Freude, und sie sagt mir, daß Sie mein Vater sind. Der Prinz war entzückt über den Geist, mit dem sein Kind sich ausdrückte, wie darüber, dasselbe auch körperlich so schön ausgebildet zu finden, so daß Sophie in der That für ein Jahr älter angesehen werden konnte, als sie wirklich war; er wiederholte seine innig zärtlichen Liebkosungen, welche das Kind, von Sympathie durchglüht, von der Allmachtstimme der Natur geleitet, in gleicher Zärtlichkeit erwiederte. Angés ließ Beide lange im ungestörten Genuß dieses überaus reinen und beseligenden Glückes, und erst als der Prinz an das Scheiden denken mußte, wagte sie die Frage: Königliche Hoheit haben ohne Zweifel Nachricht von Ihrer Hoheit, der Prinzessin? Es geht Charlotten gut, erwiederte der Prinz: doch hat sie mächtige Sehnsucht nach dem Kinde, da Ihr Aufenthalt ihr unbekannt ist. O, eilen Sie, eilen Sie nach jenem Lande, hinweg aus diesem von den Gefahren des Krieges rings und mehr als je umdrohten Zufluchtsort! Ich sorge für Alles; nehmen Sie eine Dienerin an, der bequemste Reisewagen soll zu Ihrer Verfügung gestellt sein, eine Escorte meines Regiments soll Sie sicher durch die Armee den Rhein hinauf geleiten, und in einem ruhigeren unbedrohten Lande und in der Nähe der herrlichen Mutter dieses Kindes, nicht allzufern von Ihrer eigenen Mutter, sollen Sie ein schönes Asyl finden und allen Dank der Liebe

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/201>, abgerufen am 29.04.2024.