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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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dem Wappen vier schwebende Kronen, deren jede ein besonderes Kleinod trug. Zwei Löwen dienten als Schildhalter, die auf Palmenzweige traten, um die sich eine Bandrolle mit dem Wahlspruch: Craignez honte wand. Das Wappen des Vice-Admirals war im Ganzen ebenso, aber es stand nicht in einem Fürstenmantel, auf dem Wappen ruhten vier gekrönte Helme mit den Kleinodien, und der Wahlspruch fehlte.

Ja wirklich, Windt hat Recht, spöttelte Ludwig, zu dieser Einigungsacte hätte nothwendig aus dem Falken von Kniphausen getrunken werden müssen, wie vor Zeiten bei der uralten Einigung der streitenden Linie. Schade, daß sie ihn nicht an Ort und Stelle hatten!

Die Auszüge aus dem Testament der Großmutter, welche Ludwig rasch überflog, enthielten meist ihm Bekanntes; das Testament umfaßte so viele Legate und Schenkungen, daß den Erben alles Lachen darüber vergangen war.

Nun aber, was soll diese dritte Schrift? rief der Graf, und hob sie verwundert empor; sie war 221/2 Seiten lang und von einer Advocatenhand geschrieben. Dieselbe berührte die einem jungen Menschen zu dessen Erziehung, Ausbildung und zu Reisen gemachte Schenkung, über die sich ein Nachlaß, eine Aufzeichnung vorgefunden hatte; gedachte ferner eines Testamentes, in welchem der Falk von Kniphausen ausdrücklich erwähnt worden sei, als spurlos verschwunden, kam dann auch auf das vorhandene Testament zu sprechen, kraft dessen der Vice-Admiral Graf William zum Universal-Erben eingesetzt sei; sprach klagend über die vielen Schenkungen, und vermißte in denselben die Anführung des werthvollen Geräthes, jenes Falken von Kniphausen, das ganz unschätzbar sei. Da nun "dem Vernehmen nach ein gewisser junger Herr dieses Kleinod von der Erblasserin aus freier Hand und aus eigenem Willen in unbekannter Form und Weise erhalten habe, so erscheine wünschenswerth, den dermaligen Aufenthaltsort jenes Herrn zu erkunden, und denselben wo möglich zu bewegen, jenes hochwerthvolle Familienkleinod, sofort er sich über den rechtmäßigen Besitz werde genügend ausweisen können, gegen eine Geldsteuer wieder an die Familie abzutreten, sintemalen alte Sagen und Ueberlieferungen im Umlauf gingen, deren superstitiösem Wahn allerdings keine Folge zu geben, daß an diesen Falken das Glück des hochgräflichen Hauses so gebannet sei, wie das Glück der Grafen von Ranzau an jene Kleinode aus

dem Wappen vier schwebende Kronen, deren jede ein besonderes Kleinod trug. Zwei Löwen dienten als Schildhalter, die auf Palmenzweige traten, um die sich eine Bandrolle mit dem Wahlspruch: Craignez honte wand. Das Wappen des Vice-Admirals war im Ganzen ebenso, aber es stand nicht in einem Fürstenmantel, auf dem Wappen ruhten vier gekrönte Helme mit den Kleinodien, und der Wahlspruch fehlte.

Ja wirklich, Windt hat Recht, spöttelte Ludwig, zu dieser Einigungsacte hätte nothwendig aus dem Falken von Kniphausen getrunken werden müssen, wie vor Zeiten bei der uralten Einigung der streitenden Linie. Schade, daß sie ihn nicht an Ort und Stelle hatten!

Die Auszüge aus dem Testament der Großmutter, welche Ludwig rasch überflog, enthielten meist ihm Bekanntes; das Testament umfaßte so viele Legate und Schenkungen, daß den Erben alles Lachen darüber vergangen war.

Nun aber, was soll diese dritte Schrift? rief der Graf, und hob sie verwundert empor; sie war 22½ Seiten lang und von einer Advocatenhand geschrieben. Dieselbe berührte die einem jungen Menschen zu dessen Erziehung, Ausbildung und zu Reisen gemachte Schenkung, über die sich ein Nachlaß, eine Aufzeichnung vorgefunden hatte; gedachte ferner eines Testamentes, in welchem der Falk von Kniphausen ausdrücklich erwähnt worden sei, als spurlos verschwunden, kam dann auch auf das vorhandene Testament zu sprechen, kraft dessen der Vice-Admiral Graf William zum Universal-Erben eingesetzt sei; sprach klagend über die vielen Schenkungen, und vermißte in denselben die Anführung des werthvollen Geräthes, jenes Falken von Kniphausen, das ganz unschätzbar sei. Da nun „dem Vernehmen nach ein gewisser junger Herr dieses Kleinod von der Erblasserin aus freier Hand und aus eigenem Willen in unbekannter Form und Weise erhalten habe, so erscheine wünschenswerth, den dermaligen Aufenthaltsort jenes Herrn zu erkunden, und denselben wo möglich zu bewegen, jenes hochwerthvolle Familienkleinod, sofort er sich über den rechtmäßigen Besitz werde genügend ausweisen können, gegen eine Geldsteuer wieder an die Familie abzutreten, sintemalen alte Sagen und Ueberlieferungen im Umlauf gingen, deren superstitiösem Wahn allerdings keine Folge zu geben, daß an diesen Falken das Glück des hochgräflichen Hauses so gebannet sei, wie das Glück der Grafen von Ranzau an jene Kleinode aus

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[398/0402] dem Wappen vier schwebende Kronen, deren jede ein besonderes Kleinod trug. Zwei Löwen dienten als Schildhalter, die auf Palmenzweige traten, um die sich eine Bandrolle mit dem Wahlspruch: Craignez honte wand. Das Wappen des Vice-Admirals war im Ganzen ebenso, aber es stand nicht in einem Fürstenmantel, auf dem Wappen ruhten vier gekrönte Helme mit den Kleinodien, und der Wahlspruch fehlte. Ja wirklich, Windt hat Recht, spöttelte Ludwig, zu dieser Einigungsacte hätte nothwendig aus dem Falken von Kniphausen getrunken werden müssen, wie vor Zeiten bei der uralten Einigung der streitenden Linie. Schade, daß sie ihn nicht an Ort und Stelle hatten! Die Auszüge aus dem Testament der Großmutter, welche Ludwig rasch überflog, enthielten meist ihm Bekanntes; das Testament umfaßte so viele Legate und Schenkungen, daß den Erben alles Lachen darüber vergangen war. Nun aber, was soll diese dritte Schrift? rief der Graf, und hob sie verwundert empor; sie war 22½ Seiten lang und von einer Advocatenhand geschrieben. Dieselbe berührte die einem jungen Menschen zu dessen Erziehung, Ausbildung und zu Reisen gemachte Schenkung, über die sich ein Nachlaß, eine Aufzeichnung vorgefunden hatte; gedachte ferner eines Testamentes, in welchem der Falk von Kniphausen ausdrücklich erwähnt worden sei, als spurlos verschwunden, kam dann auch auf das vorhandene Testament zu sprechen, kraft dessen der Vice-Admiral Graf William zum Universal-Erben eingesetzt sei; sprach klagend über die vielen Schenkungen, und vermißte in denselben die Anführung des werthvollen Geräthes, jenes Falken von Kniphausen, das ganz unschätzbar sei. Da nun „dem Vernehmen nach ein gewisser junger Herr dieses Kleinod von der Erblasserin aus freier Hand und aus eigenem Willen in unbekannter Form und Weise erhalten habe, so erscheine wünschenswerth, den dermaligen Aufenthaltsort jenes Herrn zu erkunden, und denselben wo möglich zu bewegen, jenes hochwerthvolle Familienkleinod, sofort er sich über den rechtmäßigen Besitz werde genügend ausweisen können, gegen eine Geldsteuer wieder an die Familie abzutreten, sintemalen alte Sagen und Ueberlieferungen im Umlauf gingen, deren superstitiösem Wahn allerdings keine Folge zu geben, daß an diesen Falken das Glück des hochgräflichen Hauses so gebannet sei, wie das Glück der Grafen von Ranzau an jene Kleinode aus

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/402>, abgerufen am 28.04.2024.