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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Turanier und Mongolen.

Ein hohes Interesse für die Gewinnung und Verarbeitung der
Metalle geht wie ein Familienzug durch alle Stämme turanischer
Abstammung. Diese metallurgischen Bestrebungen hatten ihren
Urgrund wahrscheinlich in der gemeinschaftlichen Heimat, in dem
Teile des Altaigebirges, welches das reichste Erzrevier der ganzen alten
Welt ist. So sind auch die metallurgischen Götter bei den Turaniern
die angesehensten und höchsten, während dieselben Götter nach ihrem
Übergange in die Mythologie anderer, fremder Völkerfamilien teils
eine untergeordnete, teils geradezu eine verachtete Stellung einnahmen.
D'Eckstein hat treffend nachgewiesen 1), wie einerseits die hohe Aus-
bildung der Magie, andererseits die hohe Entwickelung der Metallurgie
die charakteristischen Züge der turanischen Familie bildeten. An diese
knüpfte sich ein Cyklus mythologischer Vorstellungen. Nach ihrer eige-
nen Tradition, wie nach den Berichten stammesfremder Schriftsteller
sind sie die vorzüglichsten Metallarbeiter, die Verehrer der Götter des
Bergbaues und der Schmiedekunst. Unter diesen Bildern erschienen jene
antiken Götter der Phantasie derjenigen Völker, die als Eroberer sie
verdrängten und zurücktrieben, -- jene alten Gottheiten, die als Hüter
verborgener irdischer Schätze für die späteren Völker zu bösen Geistern
und eifersüchtigen Schatzhütern werden, wie die Gnomen und Ko-
bolde, -- jene zwergähnlichen Wesen, die in jeder Volksmythologie
vorkommen. Die Türken, wie die Mongolen versetzen ihre Wiege und
ihr Paradies in ein unbekanntes Thal im Altai, das rings von eisen-
reichen
, unübersteiglichen Bergen umschlossen war, aus dem sie sich
nur mit Hilfe eines Schmiedefeuers einen Ausweg bahnen konnten.
Das Fest dieses Ereignisses, d. h. das Fest der Entdeckung des Eisens,
wird jährlich bei den Mongolen gefeiert und die ältesten chinesischen
Berichte über die turanischen Stämme im Norden erzählen schon von
ihrer Geschicklichkeit in der Verarbeitung des Eisens.

Bei den Finnen, den Livländern und Esthen 2), sowie bei allen
Völkern des Urals, welche zu dieser Gruppe gehören, treffen wir als die
ersten Gewerbe die Schmiedekunst und Weberei. In den religiösen
Erinnerungen nehmen jene, welche sich um die Metallurgie drehen, den
ersten Platz ein. Bei den Finnen handelt eine der ersten Mythen von
der Entstehung des Feuers. Ihre poetischen Sagen erwähnen aus-
drücklich und wiederholt des Goldes und des Eisens, während das
Kupfer nicht genannt wird. Ihr Vulkan (Hephästos), Ilmarinen, schuf
sich aus Gold sein erstes Weib. Aus der Sprache dieser Völker haben

1) Lenormand a. a. O. 75.
2) Lenormand 76.
Beck, Geschichte des Eisens. 18
Turanier und Mongolen.

Ein hohes Interesse für die Gewinnung und Verarbeitung der
Metalle geht wie ein Familienzug durch alle Stämme turanischer
Abstammung. Diese metallurgischen Bestrebungen hatten ihren
Urgrund wahrscheinlich in der gemeinschaftlichen Heimat, in dem
Teile des Altaigebirges, welches das reichste Erzrevier der ganzen alten
Welt ist. So sind auch die metallurgischen Götter bei den Turaniern
die angesehensten und höchsten, während dieselben Götter nach ihrem
Übergange in die Mythologie anderer, fremder Völkerfamilien teils
eine untergeordnete, teils geradezu eine verachtete Stellung einnahmen.
D’Eckstein hat treffend nachgewiesen 1), wie einerseits die hohe Aus-
bildung der Magie, andererseits die hohe Entwickelung der Metallurgie
die charakteristischen Züge der turanischen Familie bildeten. An diese
knüpfte sich ein Cyklus mythologischer Vorstellungen. Nach ihrer eige-
nen Tradition, wie nach den Berichten stammesfremder Schriftsteller
sind sie die vorzüglichsten Metallarbeiter, die Verehrer der Götter des
Bergbaues und der Schmiedekunst. Unter diesen Bildern erschienen jene
antiken Götter der Phantasie derjenigen Völker, die als Eroberer sie
verdrängten und zurücktrieben, — jene alten Gottheiten, die als Hüter
verborgener irdischer Schätze für die späteren Völker zu bösen Geistern
und eifersüchtigen Schatzhütern werden, wie die Gnomen und Ko-
bolde, — jene zwergähnlichen Wesen, die in jeder Volksmythologie
vorkommen. Die Türken, wie die Mongolen versetzen ihre Wiege und
ihr Paradies in ein unbekanntes Thal im Altai, das rings von eisen-
reichen
, unübersteiglichen Bergen umschlossen war, aus dem sie sich
nur mit Hilfe eines Schmiedefeuers einen Ausweg bahnen konnten.
Das Fest dieses Ereignisses, d. h. das Fest der Entdeckung des Eisens,
wird jährlich bei den Mongolen gefeiert und die ältesten chinesischen
Berichte über die turanischen Stämme im Norden erzählen schon von
ihrer Geschicklichkeit in der Verarbeitung des Eisens.

Bei den Finnen, den Livländern und Esthen 2), sowie bei allen
Völkern des Urals, welche zu dieser Gruppe gehören, treffen wir als die
ersten Gewerbe die Schmiedekunst und Weberei. In den religiösen
Erinnerungen nehmen jene, welche sich um die Metallurgie drehen, den
ersten Platz ein. Bei den Finnen handelt eine der ersten Mythen von
der Entstehung des Feuers. Ihre poetischen Sagen erwähnen aus-
drücklich und wiederholt des Goldes und des Eisens, während das
Kupfer nicht genannt wird. Ihr Vulkan (Hephästos), Ilmarinen, schuf
sich aus Gold sein erstes Weib. Aus der Sprache dieser Völker haben

1) Lenormand a. a. O. 75.
2) Lenormand 76.
Beck, Geschichte des Eisens. 18
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[273/0295] Turanier und Mongolen. Ein hohes Interesse für die Gewinnung und Verarbeitung der Metalle geht wie ein Familienzug durch alle Stämme turanischer Abstammung. Diese metallurgischen Bestrebungen hatten ihren Urgrund wahrscheinlich in der gemeinschaftlichen Heimat, in dem Teile des Altaigebirges, welches das reichste Erzrevier der ganzen alten Welt ist. So sind auch die metallurgischen Götter bei den Turaniern die angesehensten und höchsten, während dieselben Götter nach ihrem Übergange in die Mythologie anderer, fremder Völkerfamilien teils eine untergeordnete, teils geradezu eine verachtete Stellung einnahmen. D’Eckstein hat treffend nachgewiesen 1), wie einerseits die hohe Aus- bildung der Magie, andererseits die hohe Entwickelung der Metallurgie die charakteristischen Züge der turanischen Familie bildeten. An diese knüpfte sich ein Cyklus mythologischer Vorstellungen. Nach ihrer eige- nen Tradition, wie nach den Berichten stammesfremder Schriftsteller sind sie die vorzüglichsten Metallarbeiter, die Verehrer der Götter des Bergbaues und der Schmiedekunst. Unter diesen Bildern erschienen jene antiken Götter der Phantasie derjenigen Völker, die als Eroberer sie verdrängten und zurücktrieben, — jene alten Gottheiten, die als Hüter verborgener irdischer Schätze für die späteren Völker zu bösen Geistern und eifersüchtigen Schatzhütern werden, wie die Gnomen und Ko- bolde, — jene zwergähnlichen Wesen, die in jeder Volksmythologie vorkommen. Die Türken, wie die Mongolen versetzen ihre Wiege und ihr Paradies in ein unbekanntes Thal im Altai, das rings von eisen- reichen, unübersteiglichen Bergen umschlossen war, aus dem sie sich nur mit Hilfe eines Schmiedefeuers einen Ausweg bahnen konnten. Das Fest dieses Ereignisses, d. h. das Fest der Entdeckung des Eisens, wird jährlich bei den Mongolen gefeiert und die ältesten chinesischen Berichte über die turanischen Stämme im Norden erzählen schon von ihrer Geschicklichkeit in der Verarbeitung des Eisens. Bei den Finnen, den Livländern und Esthen 2), sowie bei allen Völkern des Urals, welche zu dieser Gruppe gehören, treffen wir als die ersten Gewerbe die Schmiedekunst und Weberei. In den religiösen Erinnerungen nehmen jene, welche sich um die Metallurgie drehen, den ersten Platz ein. Bei den Finnen handelt eine der ersten Mythen von der Entstehung des Feuers. Ihre poetischen Sagen erwähnen aus- drücklich und wiederholt des Goldes und des Eisens, während das Kupfer nicht genannt wird. Ihr Vulkan (Hephästos), Ilmarinen, schuf sich aus Gold sein erstes Weib. Aus der Sprache dieser Völker haben 1) Lenormand a. a. O. 75. 2) Lenormand 76. Beck, Geschichte des Eisens. 18

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/295>, abgerufen am 12.05.2024.