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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Kärnten.
Feiertagen, sowie an den Samstagen vor Weihnachten, Ostern und
Pfingsten erlaubt, an den übrigen Samstagen wurde eine halbe Schicht
gemacht.

Bezüglich des Kohlenbezuges, der seither sehr unordentlich
gehandhabt worden war und zu vielen Streitigkeiten Veranlassung
gegeben hatte, wurde die "Kohlabstrickung", d. h. dass einer dem
andern die Kohlen durch Unterbieten wegnahm, verboten und ein
allgemein gültiges Mass, das Hüttenberger Vässel (Fass), wovon zwei
einen Samb (Schaff) ausmachen, bestimmt. Der Bergrichter hatte
einen geschworenen Sack von einem Vässel Inhalt als Normalmass.
Die Ordnung setzte weiterhin die Zusammensetzung des Berggerichts
und die Taxen fest 1). Diese Taxen, namentlich die Schreibgebühren,
waren im Verhältnis zu dem Tagschichtlohn zu jener Zeit, der
sechs bis acht Kreuzer betrug, als recht hoch anzusehen. Nicht
minder hoch waren die Strafen für alle möglichen Ausschreitungen,
die uns einen Begriff geben von dem Bildungsgrade und Anmassung
der Knappen.

Wie überall, so hatte auch in Kärnten der Protestantismus bei
dem Bergmannsstande rasch Eingang gefunden und Hüttenberg wie
Althofen und St. Veit hatten ihre Pastoren. Als Erzherzog Karl die
neue Lehre verbot und deren Bekenner mit Leibesstrafe bedrohte,
wanderten viele Arbeiter und selbst Gewerken aus, wodurch grosse
Arbeiternot an der Eisenwurze eintrat.

Über das wichtigste technische Ereignis dieses Zeitabschnittes,
die Erbauung des Urtler Hochofens kurz nach Publizierung der Berg-
ordnung im Jahre 1567 und der Einführung des Flossofenbetriebes
in Kärnten haben wir bereits früher berichtet.

Die Besitzverhältnisse am Hüttenberger Erzberg änderten sich im
Laufe des 16. Jahrhunderts in der Weise, dass die Anteile der Bauern
nach und nach in die Hände spekulativer Eisenhändler von Althofen
und St. Veit gelangten, indem dieselben Vorschüsse gegen Verpfändung
der Anteile gewährten und diese dann in Besitz nahmen, wenn die
Rückzahlung der Schuld nicht rechtzeitig geleistet wurde. Auf diese
Weise verdrängten die reichen "Verleger" nach und nach die Bauern-
gewerke. War dieses Verfahren nicht immer reell und frei von
Hinterlist, so hatte es für den Betrieb doch grossen Vorteil, indem
von den neuen Besitzern mit den alten verrotteten Gewohnheiten
gebrochen und technische Verbesserungen eingeführt wurden. So

1) Münichsdorfer, a. a. O., S. 65.

Kärnten.
Feiertagen, sowie an den Samstagen vor Weihnachten, Ostern und
Pfingsten erlaubt, an den übrigen Samstagen wurde eine halbe Schicht
gemacht.

Bezüglich des Kohlenbezuges, der seither sehr unordentlich
gehandhabt worden war und zu vielen Streitigkeiten Veranlassung
gegeben hatte, wurde die „Kohlabstrickung“, d. h. daſs einer dem
andern die Kohlen durch Unterbieten wegnahm, verboten und ein
allgemein gültiges Maſs, das Hüttenberger Vässel (Faſs), wovon zwei
einen Samb (Schaff) ausmachen, bestimmt. Der Bergrichter hatte
einen geschworenen Sack von einem Vässel Inhalt als Normalmaſs.
Die Ordnung setzte weiterhin die Zusammensetzung des Berggerichts
und die Taxen fest 1). Diese Taxen, namentlich die Schreibgebühren,
waren im Verhältnis zu dem Tagschichtlohn zu jener Zeit, der
sechs bis acht Kreuzer betrug, als recht hoch anzusehen. Nicht
minder hoch waren die Strafen für alle möglichen Ausschreitungen,
die uns einen Begriff geben von dem Bildungsgrade und Anmaſsung
der Knappen.

Wie überall, so hatte auch in Kärnten der Protestantismus bei
dem Bergmannsstande rasch Eingang gefunden und Hüttenberg wie
Althofen und St. Veit hatten ihre Pastoren. Als Erzherzog Karl die
neue Lehre verbot und deren Bekenner mit Leibesstrafe bedrohte,
wanderten viele Arbeiter und selbst Gewerken aus, wodurch groſse
Arbeiternot an der Eisenwurze eintrat.

Über das wichtigste technische Ereignis dieses Zeitabschnittes,
die Erbauung des Urtler Hochofens kurz nach Publizierung der Berg-
ordnung im Jahre 1567 und der Einführung des Floſsofenbetriebes
in Kärnten haben wir bereits früher berichtet.

Die Besitzverhältnisse am Hüttenberger Erzberg änderten sich im
Laufe des 16. Jahrhunderts in der Weise, daſs die Anteile der Bauern
nach und nach in die Hände spekulativer Eisenhändler von Althofen
und St. Veit gelangten, indem dieselben Vorschüsse gegen Verpfändung
der Anteile gewährten und diese dann in Besitz nahmen, wenn die
Rückzahlung der Schuld nicht rechtzeitig geleistet wurde. Auf diese
Weise verdrängten die reichen „Verleger“ nach und nach die Bauern-
gewerke. War dieses Verfahren nicht immer reell und frei von
Hinterlist, so hatte es für den Betrieb doch groſsen Vorteil, indem
von den neuen Besitzern mit den alten verrotteten Gewohnheiten
gebrochen und technische Verbesserungen eingeführt wurden. So

1) Münichsdorfer, a. a. O., S. 65.
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[652/0672] Kärnten. Feiertagen, sowie an den Samstagen vor Weihnachten, Ostern und Pfingsten erlaubt, an den übrigen Samstagen wurde eine halbe Schicht gemacht. Bezüglich des Kohlenbezuges, der seither sehr unordentlich gehandhabt worden war und zu vielen Streitigkeiten Veranlassung gegeben hatte, wurde die „Kohlabstrickung“, d. h. daſs einer dem andern die Kohlen durch Unterbieten wegnahm, verboten und ein allgemein gültiges Maſs, das Hüttenberger Vässel (Faſs), wovon zwei einen Samb (Schaff) ausmachen, bestimmt. Der Bergrichter hatte einen geschworenen Sack von einem Vässel Inhalt als Normalmaſs. Die Ordnung setzte weiterhin die Zusammensetzung des Berggerichts und die Taxen fest 1). Diese Taxen, namentlich die Schreibgebühren, waren im Verhältnis zu dem Tagschichtlohn zu jener Zeit, der sechs bis acht Kreuzer betrug, als recht hoch anzusehen. Nicht minder hoch waren die Strafen für alle möglichen Ausschreitungen, die uns einen Begriff geben von dem Bildungsgrade und Anmaſsung der Knappen. Wie überall, so hatte auch in Kärnten der Protestantismus bei dem Bergmannsstande rasch Eingang gefunden und Hüttenberg wie Althofen und St. Veit hatten ihre Pastoren. Als Erzherzog Karl die neue Lehre verbot und deren Bekenner mit Leibesstrafe bedrohte, wanderten viele Arbeiter und selbst Gewerken aus, wodurch groſse Arbeiternot an der Eisenwurze eintrat. Über das wichtigste technische Ereignis dieses Zeitabschnittes, die Erbauung des Urtler Hochofens kurz nach Publizierung der Berg- ordnung im Jahre 1567 und der Einführung des Floſsofenbetriebes in Kärnten haben wir bereits früher berichtet. Die Besitzverhältnisse am Hüttenberger Erzberg änderten sich im Laufe des 16. Jahrhunderts in der Weise, daſs die Anteile der Bauern nach und nach in die Hände spekulativer Eisenhändler von Althofen und St. Veit gelangten, indem dieselben Vorschüsse gegen Verpfändung der Anteile gewährten und diese dann in Besitz nahmen, wenn die Rückzahlung der Schuld nicht rechtzeitig geleistet wurde. Auf diese Weise verdrängten die reichen „Verleger“ nach und nach die Bauern- gewerke. War dieses Verfahren nicht immer reell und frei von Hinterlist, so hatte es für den Betrieb doch groſsen Vorteil, indem von den neuen Besitzern mit den alten verrotteten Gewohnheiten gebrochen und technische Verbesserungen eingeführt wurden. So 1) Münichsdorfer, a. a. O., S. 65.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 652. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/672>, abgerufen am 28.04.2024.