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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
Nachteil des in der Gebläseluft enthaltenen Wasserstoffes am leb-
haftesten diskutiert. O'Reilly berichtet 1), dass ein reicher englischer
Hüttenbesitzer glaubte, die Verbrennung in einem Schmelzofen dadurch
fördern zu können, dass er Wasserdämpfe unter der Form in den
Ofen leitete. Er nahm an, dass diese, indem sie auf die glühende
Masse träfen, zersetzt würden und der dadurch frei gewordene Sauer-
stoff die Verbrennung beschleunigen und die Hitze steigern müsse.
Er machte in diesem Sinne Versuche in einem 18 Fuss hohen Ofen,
wobei aber die verderbliche Wirkung des eingeblasenen Dampfes voll-
ständig erwiesen wurde. Der Hochofen wurde, da wo der Dampf
hin kam, völlig kalt. Die durch die Zersetzung des Wassers gebundene
Wärme war so gross, dass eine Abkühlung des ganzen Ofens eintrat;
das Eisen wurde matt und weiss, und nach und nach erstarrte der
ganze Ofen. Die Theorie war rasch bei der Hand, dieses Resultat zu
erklären. Lavoisier und Laplace hatten nachgewiesen, dass Wasser-
stoff beim Verbrennen zu Wasser eine grössere Menge Wärme ent-
wickele, als Kohlenstoff bei der Verbrennung zu Kohlensäure. Bei
der Zersetzung des Wassers musste also mehr Wärme gebunden
werden, als durch die Verbrennung der Kohle mit dem frei gewor-
denen Sauerstoff erzeugt wird. Das oben erwähnte Experiment und
diese Theorie wurden nun von vielen verallgemeinert, und alle Ge-
bläse, bei denen die Luft mit Wasser in Berührung kam, für durch-
aus verwerflich erklärt, ja die Eiferer, namentlich in Frankreich,
erklärten auch die Wasserregulatoren für höchst nachteilig, obgleich
dieselben sich doch überall, wo sie in Anwendung waren, gut bewährt
hatten. Es wurde eben stark übertrieben und womöglich alle Stö-
rungen des Ofenganges mit Wasserdämpfen in Verbindung gebracht.
Auch die bekannte Erfahrung, dass die Hochöfen im Winter besser
gingen als im Sommer, wurde nicht so sehr der dichteren als vielmehr
der trockeneren Luft im Winter zugeschrieben. Die Sucht zu über-
treiben erzeugte aber gerade eine hartnäckige Opposition bei denjenigen
Hüttenleuten, welche bereits eine dunkle Vorstellung von Wassergas
und seiner Wirkung hatten. Zu diesen letzteren gehörte auch Karsten,
der lebhaft für die Wasserregulatoren eintrat. Da überall noch die
quantitative Analyse fehlte, war die Begründung auf beiden Seiten
schwach, der Meinungsstreit deshalb aber um so lebhafter.

Die Heisssporne der oben erwähnten Richtung verwarfen alle
Wassergebläse. Deshalb sind auch die Urteile über die Wasser-

1) Annales des arts et manufactures, IV, 236.
5*

Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.
Nachteil des in der Gebläseluft enthaltenen Wasserstoffes am leb-
haftesten diskutiert. O’Reilly berichtet 1), daſs ein reicher englischer
Hüttenbesitzer glaubte, die Verbrennung in einem Schmelzofen dadurch
fördern zu können, daſs er Wasserdämpfe unter der Form in den
Ofen leitete. Er nahm an, daſs diese, indem sie auf die glühende
Masse träfen, zersetzt würden und der dadurch frei gewordene Sauer-
stoff die Verbrennung beschleunigen und die Hitze steigern müsse.
Er machte in diesem Sinne Versuche in einem 18 Fuſs hohen Ofen,
wobei aber die verderbliche Wirkung des eingeblasenen Dampfes voll-
ständig erwiesen wurde. Der Hochofen wurde, da wo der Dampf
hin kam, völlig kalt. Die durch die Zersetzung des Wassers gebundene
Wärme war so groſs, daſs eine Abkühlung des ganzen Ofens eintrat;
das Eisen wurde matt und weiſs, und nach und nach erstarrte der
ganze Ofen. Die Theorie war rasch bei der Hand, dieses Resultat zu
erklären. Lavoisier und Laplace hatten nachgewiesen, daſs Wasser-
stoff beim Verbrennen zu Wasser eine gröſsere Menge Wärme ent-
wickele, als Kohlenstoff bei der Verbrennung zu Kohlensäure. Bei
der Zersetzung des Wassers muſste also mehr Wärme gebunden
werden, als durch die Verbrennung der Kohle mit dem frei gewor-
denen Sauerstoff erzeugt wird. Das oben erwähnte Experiment und
diese Theorie wurden nun von vielen verallgemeinert, und alle Ge-
bläse, bei denen die Luft mit Wasser in Berührung kam, für durch-
aus verwerflich erklärt, ja die Eiferer, namentlich in Frankreich,
erklärten auch die Wasserregulatoren für höchst nachteilig, obgleich
dieselben sich doch überall, wo sie in Anwendung waren, gut bewährt
hatten. Es wurde eben stark übertrieben und womöglich alle Stö-
rungen des Ofenganges mit Wasserdämpfen in Verbindung gebracht.
Auch die bekannte Erfahrung, daſs die Hochöfen im Winter besser
gingen als im Sommer, wurde nicht so sehr der dichteren als vielmehr
der trockeneren Luft im Winter zugeschrieben. Die Sucht zu über-
treiben erzeugte aber gerade eine hartnäckige Opposition bei denjenigen
Hüttenleuten, welche bereits eine dunkle Vorstellung von Wassergas
und seiner Wirkung hatten. Zu diesen letzteren gehörte auch Karsten,
der lebhaft für die Wasserregulatoren eintrat. Da überall noch die
quantitative Analyse fehlte, war die Begründung auf beiden Seiten
schwach, der Meinungsstreit deshalb aber um so lebhafter.

Die Heiſssporne der oben erwähnten Richtung verwarfen alle
Wassergebläse. Deshalb sind auch die Urteile über die Wasser-

1) Annales des arts et manufactures, IV, 236.
5*
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[67/0083] Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815. Nachteil des in der Gebläseluft enthaltenen Wasserstoffes am leb- haftesten diskutiert. O’Reilly berichtet 1), daſs ein reicher englischer Hüttenbesitzer glaubte, die Verbrennung in einem Schmelzofen dadurch fördern zu können, daſs er Wasserdämpfe unter der Form in den Ofen leitete. Er nahm an, daſs diese, indem sie auf die glühende Masse träfen, zersetzt würden und der dadurch frei gewordene Sauer- stoff die Verbrennung beschleunigen und die Hitze steigern müsse. Er machte in diesem Sinne Versuche in einem 18 Fuſs hohen Ofen, wobei aber die verderbliche Wirkung des eingeblasenen Dampfes voll- ständig erwiesen wurde. Der Hochofen wurde, da wo der Dampf hin kam, völlig kalt. Die durch die Zersetzung des Wassers gebundene Wärme war so groſs, daſs eine Abkühlung des ganzen Ofens eintrat; das Eisen wurde matt und weiſs, und nach und nach erstarrte der ganze Ofen. Die Theorie war rasch bei der Hand, dieses Resultat zu erklären. Lavoisier und Laplace hatten nachgewiesen, daſs Wasser- stoff beim Verbrennen zu Wasser eine gröſsere Menge Wärme ent- wickele, als Kohlenstoff bei der Verbrennung zu Kohlensäure. Bei der Zersetzung des Wassers muſste also mehr Wärme gebunden werden, als durch die Verbrennung der Kohle mit dem frei gewor- denen Sauerstoff erzeugt wird. Das oben erwähnte Experiment und diese Theorie wurden nun von vielen verallgemeinert, und alle Ge- bläse, bei denen die Luft mit Wasser in Berührung kam, für durch- aus verwerflich erklärt, ja die Eiferer, namentlich in Frankreich, erklärten auch die Wasserregulatoren für höchst nachteilig, obgleich dieselben sich doch überall, wo sie in Anwendung waren, gut bewährt hatten. Es wurde eben stark übertrieben und womöglich alle Stö- rungen des Ofenganges mit Wasserdämpfen in Verbindung gebracht. Auch die bekannte Erfahrung, daſs die Hochöfen im Winter besser gingen als im Sommer, wurde nicht so sehr der dichteren als vielmehr der trockeneren Luft im Winter zugeschrieben. Die Sucht zu über- treiben erzeugte aber gerade eine hartnäckige Opposition bei denjenigen Hüttenleuten, welche bereits eine dunkle Vorstellung von Wassergas und seiner Wirkung hatten. Zu diesen letzteren gehörte auch Karsten, der lebhaft für die Wasserregulatoren eintrat. Da überall noch die quantitative Analyse fehlte, war die Begründung auf beiden Seiten schwach, der Meinungsstreit deshalb aber um so lebhafter. Die Heiſssporne der oben erwähnten Richtung verwarfen alle Wassergebläse. Deshalb sind auch die Urteile über die Wasser- 1) Annales des arts et manufactures, IV, 236. 5*

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/83>, abgerufen am 15.05.2024.