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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Vorarbeiten zu den Frischprozessen.
dann nach Beendigung der Abscheidung in tiefer stehende Pfannen-
wagen C, die ebenfalls durch Lokomotiven zu- und abgefahren werden,
entleert, indem der Mischer durch hydraulischen Druck gekippt wird.
Dieses Verfahren, das sich als sehr praktisch bewährt hat und jetzt
auf den meisten grösseren Stahlwerken eingeführt ist, wurde zuerst
in weiteren Fachkreisen durch einen von Direktor Massenez von
Hörde bei der Versammlung des Iron and Steel Instituts 1891 ge-
haltenen Vortrage bekannt. In dem von ihm vorgeführten Falle der
Entschweflung von Thomasroheisen durch Ferromangan enthielt die
Schlacke im Mischer 28,01 Prozent Mangansulfid 1). Der Mischer fasste
70 Tonnen. Massenez empfahl aber, ihm einen Fassungsraum von
120 Tonnen zu geben. Das Eisen, welches mehrere Stunden flüssig
bleibt, stand 15 bis 20 Minuten im Mischer. Aus der Abnahme des
Mangangehaltes kann man auf die Menge des Schwefelgehaltes
schliessen. Bei 1 Prozent Mangan im Roheisen ist der Schwefelgehalt
durchschnittlich 0,9 Prozent.

Der Hörder Verein liess sich 1892 auch den umgekehrten Prozess,
nämlich die Abscheidung von Mangan durch Zusatz von Schwefeleisen,
patentieren (D. R. P. Nr. 67978).

Von weiteren Entschweflungsmethoden ist noch der von H. W.
Saniter 2) in Wigan 1892 angegebene und ausgeführte Prozess
(D. R. P. Nr. 73782), der darin besteht, dass das flüssige Eisen mit
einer Mischung von Chlorcalcium und Ätzkalk oder Kalkstein in
Berührung gebracht wird, erwähnenswert. Dies sollte in der Guss-
pfanne, auf deren Boden das Gemisch ausgebreitet war, vorgenommen
werden. Die angestellten Versuche verliefen aber ungünstig. Am
20. Juni 1893 nahm Saniter ein Zusatzpatent, wonach die Mischung
neben Chlorcalcium auch Fluorcalcium enthalten sollte. Nach
G. Hilgenstock 3) ist aber auch diese Mischung nur wirksam bei
gleichzeitiger Anwesenheit von Mangan. Der Saniterprozess fand in
vielen englischen Stahlwerken Anwendung und wurde 1894 auch von
Krupp in Essen versucht.

Die Vorschläge von Bell und Wigan 1892 4) und von
De Vathaire 5) 1894, die Entschweflung durch Zusatz alkalischer

1) Vergl. auch A. Krafft, "Betriebsergebnisse im Roheisenmischer" in Stahl
und Eisen 1896, S. 100.
2) Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1893, S. 353.
3) Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 828.
4) Daselbst 1892, S. 647.
5) Daselbst 1894, S. 1052.

Vorarbeiten zu den Frischprozessen.
dann nach Beendigung der Abscheidung in tiefer stehende Pfannen-
wagen C, die ebenfalls durch Lokomotiven zu- und abgefahren werden,
entleert, indem der Mischer durch hydraulischen Druck gekippt wird.
Dieses Verfahren, das sich als sehr praktisch bewährt hat und jetzt
auf den meisten gröſseren Stahlwerken eingeführt ist, wurde zuerst
in weiteren Fachkreisen durch einen von Direktor Massenez von
Hörde bei der Versammlung des Iron and Steel Instituts 1891 ge-
haltenen Vortrage bekannt. In dem von ihm vorgeführten Falle der
Entschweflung von Thomasroheisen durch Ferromangan enthielt die
Schlacke im Mischer 28,01 Prozent Mangansulfid 1). Der Mischer faſste
70 Tonnen. Massenez empfahl aber, ihm einen Fassungsraum von
120 Tonnen zu geben. Das Eisen, welches mehrere Stunden flüssig
bleibt, stand 15 bis 20 Minuten im Mischer. Aus der Abnahme des
Mangangehaltes kann man auf die Menge des Schwefelgehaltes
schlieſsen. Bei 1 Prozent Mangan im Roheisen ist der Schwefelgehalt
durchschnittlich 0,9 Prozent.

Der Hörder Verein lieſs sich 1892 auch den umgekehrten Prozeſs,
nämlich die Abscheidung von Mangan durch Zusatz von Schwefeleisen,
patentieren (D. R. P. Nr. 67978).

Von weiteren Entschweflungsmethoden ist noch der von H. W.
Saniter 2) in Wigan 1892 angegebene und ausgeführte Prozeſs
(D. R. P. Nr. 73782), der darin besteht, daſs das flüssige Eisen mit
einer Mischung von Chlorcalcium und Ätzkalk oder Kalkstein in
Berührung gebracht wird, erwähnenswert. Dies sollte in der Guſs-
pfanne, auf deren Boden das Gemisch ausgebreitet war, vorgenommen
werden. Die angestellten Versuche verliefen aber ungünstig. Am
20. Juni 1893 nahm Saniter ein Zusatzpatent, wonach die Mischung
neben Chlorcalcium auch Fluorcalcium enthalten sollte. Nach
G. Hilgenstock 3) ist aber auch diese Mischung nur wirksam bei
gleichzeitiger Anwesenheit von Mangan. Der Saniterprozeſs fand in
vielen englischen Stahlwerken Anwendung und wurde 1894 auch von
Krupp in Essen versucht.

Die Vorschläge von Bell und Wigan 1892 4) und von
De Vathaire 5) 1894, die Entschweflung durch Zusatz alkalischer

1) Vergl. auch A. Krafft, „Betriebsergebnisse im Roheisenmischer“ in Stahl
und Eisen 1896, S. 100.
2) Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1893, S. 353.
3) Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 828.
4) Daselbst 1892, S. 647.
5) Daselbst 1894, S. 1052.
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[585/0601] Vorarbeiten zu den Frischprozessen. dann nach Beendigung der Abscheidung in tiefer stehende Pfannen- wagen C, die ebenfalls durch Lokomotiven zu- und abgefahren werden, entleert, indem der Mischer durch hydraulischen Druck gekippt wird. Dieses Verfahren, das sich als sehr praktisch bewährt hat und jetzt auf den meisten gröſseren Stahlwerken eingeführt ist, wurde zuerst in weiteren Fachkreisen durch einen von Direktor Massenez von Hörde bei der Versammlung des Iron and Steel Instituts 1891 ge- haltenen Vortrage bekannt. In dem von ihm vorgeführten Falle der Entschweflung von Thomasroheisen durch Ferromangan enthielt die Schlacke im Mischer 28,01 Prozent Mangansulfid 1). Der Mischer faſste 70 Tonnen. Massenez empfahl aber, ihm einen Fassungsraum von 120 Tonnen zu geben. Das Eisen, welches mehrere Stunden flüssig bleibt, stand 15 bis 20 Minuten im Mischer. Aus der Abnahme des Mangangehaltes kann man auf die Menge des Schwefelgehaltes schlieſsen. Bei 1 Prozent Mangan im Roheisen ist der Schwefelgehalt durchschnittlich 0,9 Prozent. Der Hörder Verein lieſs sich 1892 auch den umgekehrten Prozeſs, nämlich die Abscheidung von Mangan durch Zusatz von Schwefeleisen, patentieren (D. R. P. Nr. 67978). Von weiteren Entschweflungsmethoden ist noch der von H. W. Saniter 2) in Wigan 1892 angegebene und ausgeführte Prozeſs (D. R. P. Nr. 73782), der darin besteht, daſs das flüssige Eisen mit einer Mischung von Chlorcalcium und Ätzkalk oder Kalkstein in Berührung gebracht wird, erwähnenswert. Dies sollte in der Guſs- pfanne, auf deren Boden das Gemisch ausgebreitet war, vorgenommen werden. Die angestellten Versuche verliefen aber ungünstig. Am 20. Juni 1893 nahm Saniter ein Zusatzpatent, wonach die Mischung neben Chlorcalcium auch Fluorcalcium enthalten sollte. Nach G. Hilgenstock 3) ist aber auch diese Mischung nur wirksam bei gleichzeitiger Anwesenheit von Mangan. Der Saniterprozeſs fand in vielen englischen Stahlwerken Anwendung und wurde 1894 auch von Krupp in Essen versucht. Die Vorschläge von Bell und Wigan 1892 4) und von De Vathaire 5) 1894, die Entschweflung durch Zusatz alkalischer 1) Vergl. auch A. Krafft, „Betriebsergebnisse im Roheisenmischer“ in Stahl und Eisen 1896, S. 100. 2) Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1893, S. 353. 3) Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 828. 4) Daselbst 1892, S. 647. 5) Daselbst 1894, S. 1052.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/601>, abgerufen am 29.04.2024.