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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Holländische Unternehmungen nach Ostindien.

Die Vereinigung Portugals mit Spanien nach dem Tode
König Heinrich's (1581) brachte eine grosse Veränderung in die Ver-
hältnisse des Welthandels. Bisher hatte Portugal fast ganz Europa
mit den überseeischen Erzeugnissen versorgt; jetzt konnten die
Engländer und Holländer, Spaniens Feinde, ihre Bedürfnisse in
Lissabon nicht mehr holen und öffneten sich deshalb selbst die
Wege nach Ostindien. Die erste holländische Flotte segelte 1595
dahin; bald nachher wurde die holländisch-ostindische Handels-
compagnie gegründet.

Im Jahre 1598 verliess ein holländisches Geschwader von
fünf Schiffen unter dem Befehle des Jaques Mahu den Texel,
um, durch die Magelansstrasse in den Stillen Ocean dringend, die
Westküste von Süd-Amerika und von da Ostindien zu erreichen.
Ein gewisser Dirk Gerritsz, der früher als Büchsenschütze auf
einem portugiesischen Schiffe nach Nangasaki gekommen war, leitete
damals die Blicke der Niederländer auf Japan und begleitete selbst
die Expedition des Mahu. Ihr Zweck war, wie gewöhnlich bei
holländischen Unternehmungen jener Zeit, zugleich Handel, etwas
Seeraub 89) und die Entdeckung neuer Länder. -- Nachdem bei
der Einfahrt in die Südsee ein Sturm das Geschwader zerstreut
hatte, fanden sich zwei von den Schiffen bei einer Insel an der
peruanischen Küste wieder zusammen. Ein unglücklicher Zusam-
menstoss mit den kriegerischen Eingeborenen kostete den Holländern
so viele Leute, dass sie die beiden Schiffe kaum noch regieren
konnten; der Beschluss aber, das eine zu verbrennen, kam durch
die Eifersucht der Befehlshaber nicht zur Ausführung, und man
beschloss auf die Kunde, dass spanische Kriegsschiffe in der Nähe
seien, jetzt direct nach Japan zu segeln. Heftige Winde trennten
unterwegs die beiden Fahrzeuge; das eine ist verschollen, das andere,
"De Liefde" genannt, trieb nach langer mühseliger Fahrt an die
1600.Insel Kiusiu und kam im April 1600 an der Küste von Bungo zu
Anker. Hunger und Krankheit hatten unter der Bemannung stark
aufgeräumt; von den fünfundzwanzig Ueberlebenden konnten sich
nur sechs auf den Füssen erhalten. Der Fürst von Bungo liess
die ganze Mannschaft an das Land bringen und mit allem Nöthigen
versehen. Die meisten erholten sich; zwei starben noch am Tage
der Ankunft, vier andere etwas später.


89) Man kann es nach heutigen Begriffen nicht anders nennen, wenn die See-
fahrer u. A. die wehrlosen Bewohner abgelegener Inseln überfielen und plünderten.
Holländische Unternehmungen nach Ostindien.

Die Vereinigung Portugals mit Spanien nach dem Tode
König Heinrich’s (1581) brachte eine grosse Veränderung in die Ver-
hältnisse des Welthandels. Bisher hatte Portugal fast ganz Europa
mit den überseeischen Erzeugnissen versorgt; jetzt konnten die
Engländer und Holländer, Spaniens Feinde, ihre Bedürfnisse in
Lissabon nicht mehr holen und öffneten sich deshalb selbst die
Wege nach Ostindien. Die erste holländische Flotte segelte 1595
dahin; bald nachher wurde die holländisch-ostindische Handels-
compagnie gegründet.

Im Jahre 1598 verliess ein holländisches Geschwader von
fünf Schiffen unter dem Befehle des Jaques Mahu den Texel,
um, durch die Magelansstrasse in den Stillen Ocean dringend, die
Westküste von Süd-Amerika und von da Ostindien zu erreichen.
Ein gewisser Dirk Gerritsz, der früher als Büchsenschütze auf
einem portugiesischen Schiffe nach Naṅgasaki gekommen war, leitete
damals die Blicke der Niederländer auf Japan und begleitete selbst
die Expedition des Mahu. Ihr Zweck war, wie gewöhnlich bei
holländischen Unternehmungen jener Zeit, zugleich Handel, etwas
Seeraub 89) und die Entdeckung neuer Länder. — Nachdem bei
der Einfahrt in die Südsee ein Sturm das Geschwader zerstreut
hatte, fanden sich zwei von den Schiffen bei einer Insel an der
peruanischen Küste wieder zusammen. Ein unglücklicher Zusam-
menstoss mit den kriegerischen Eingeborenen kostete den Holländern
so viele Leute, dass sie die beiden Schiffe kaum noch regieren
konnten; der Beschluss aber, das eine zu verbrennen, kam durch
die Eifersucht der Befehlshaber nicht zur Ausführung, und man
beschloss auf die Kunde, dass spanische Kriegsschiffe in der Nähe
seien, jetzt direct nach Japan zu segeln. Heftige Winde trennten
unterwegs die beiden Fahrzeuge; das eine ist verschollen, das andere,
»De Liefde« genannt, trieb nach langer mühseliger Fahrt an die
1600.Insel Kiusiu und kam im April 1600 an der Küste von Buṅgo zu
Anker. Hunger und Krankheit hatten unter der Bemannung stark
aufgeräumt; von den fünfundzwanzig Ueberlebenden konnten sich
nur sechs auf den Füssen erhalten. Der Fürst von Buṅgo liess
die ganze Mannschaft an das Land bringen und mit allem Nöthigen
versehen. Die meisten erholten sich; zwei starben noch am Tage
der Ankunft, vier andere etwas später.


89) Man kann es nach heutigen Begriffen nicht anders nennen, wenn die See-
fahrer u. A. die wehrlosen Bewohner abgelegener Inseln überfielen und plünderten.
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[86/0116] Holländische Unternehmungen nach Ostindien. Die Vereinigung Portugals mit Spanien nach dem Tode König Heinrich’s (1581) brachte eine grosse Veränderung in die Ver- hältnisse des Welthandels. Bisher hatte Portugal fast ganz Europa mit den überseeischen Erzeugnissen versorgt; jetzt konnten die Engländer und Holländer, Spaniens Feinde, ihre Bedürfnisse in Lissabon nicht mehr holen und öffneten sich deshalb selbst die Wege nach Ostindien. Die erste holländische Flotte segelte 1595 dahin; bald nachher wurde die holländisch-ostindische Handels- compagnie gegründet. Im Jahre 1598 verliess ein holländisches Geschwader von fünf Schiffen unter dem Befehle des Jaques Mahu den Texel, um, durch die Magelansstrasse in den Stillen Ocean dringend, die Westküste von Süd-Amerika und von da Ostindien zu erreichen. Ein gewisser Dirk Gerritsz, der früher als Büchsenschütze auf einem portugiesischen Schiffe nach Naṅgasaki gekommen war, leitete damals die Blicke der Niederländer auf Japan und begleitete selbst die Expedition des Mahu. Ihr Zweck war, wie gewöhnlich bei holländischen Unternehmungen jener Zeit, zugleich Handel, etwas Seeraub 89) und die Entdeckung neuer Länder. — Nachdem bei der Einfahrt in die Südsee ein Sturm das Geschwader zerstreut hatte, fanden sich zwei von den Schiffen bei einer Insel an der peruanischen Küste wieder zusammen. Ein unglücklicher Zusam- menstoss mit den kriegerischen Eingeborenen kostete den Holländern so viele Leute, dass sie die beiden Schiffe kaum noch regieren konnten; der Beschluss aber, das eine zu verbrennen, kam durch die Eifersucht der Befehlshaber nicht zur Ausführung, und man beschloss auf die Kunde, dass spanische Kriegsschiffe in der Nähe seien, jetzt direct nach Japan zu segeln. Heftige Winde trennten unterwegs die beiden Fahrzeuge; das eine ist verschollen, das andere, »De Liefde« genannt, trieb nach langer mühseliger Fahrt an die Insel Kiusiu und kam im April 1600 an der Küste von Buṅgo zu Anker. Hunger und Krankheit hatten unter der Bemannung stark aufgeräumt; von den fünfundzwanzig Ueberlebenden konnten sich nur sechs auf den Füssen erhalten. Der Fürst von Buṅgo liess die ganze Mannschaft an das Land bringen und mit allem Nöthigen versehen. Die meisten erholten sich; zwei starben noch am Tage der Ankunft, vier andere etwas später. 1600. 89) Man kann es nach heutigen Begriffen nicht anders nennen, wenn die See- fahrer u. A. die wehrlosen Bewohner abgelegener Inseln überfielen und plünderten.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/116>, abgerufen am 29.04.2024.