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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Vertheidigungs-Anstalten. X.
von Yeddo theils das unseres Nachbarn Tosava Kadsusa Nofski
trugen; vor jedem paradirte eine schnurgrade Reihe langer Piken
mit leuchtenden Rosshaarpuscheln. Das Ganze machte den Eindruck
militärischer Genauigkeit und Ordnung bis auf die Soldaten, die
wohl kräftig aber nicht kriegerisch aussehen; ihre mangelhafte
Fussbekleidung lässt kein festes Auftreten, die weiten, hängenden
Rockärmel weder freie noch knappe Bewegungen zu. -- Die Be-
satzung zog Tag und Nacht halbstündlich -- wo es schmutzig war
im Gänsemarsch und sehr behutsam tretend -- in starken Patrouillen
um das Haus, und unsere Bunyo's, vor Allen Muragaki, erschienen
oft spät in der Nacht, um die Wachen zu revidiren.

Wir trafen natürlich auch unsererseits Vorsichtsmaassregeln.
Capitän Sundewall schickte noch zehn Seesoldaten von der Arkona
und einige von der Thetis, mit Gewehren, Munition und Signal-
raketen, so dass wir eine Wache von zwanzig Mann mit Zündnadel-
gewehren hatten. Auf den Kriegsschiffen hielt man Alles zur
armirten Landung bereit und stellte Posten, die beständig nach
den Signalen ausschauen mussten. In Akabane organisirten die
Attaches Lieutenants von Brandt und Graf Eulenburg die Ver-
theidigung, wiesen Jedem von uns für den Fall des Angriffs seine
Stellung und Thätigkeit an, stellten Nachts an geeigneten Plätzen
in und ausser dem Hause militärische Posten aus und gingen häufig
die Ronde. -- In der Nacht zum vierten kam es beinah zum Zu-
sammenstoss mit den Japanern: der Unterofficier der Wache wollte
die Posten revidiren und begegnete in tiefer Dunkelheit einer japa-
nischen Patrouille; beide Theile glaubten auf den Feind zu stossen;
schon knackten die Pistolenhähne des Unterofficiers und die Schwerter
der Japaner fuhren blitzend aus den Scheiden, als man sich zum
Glück noch erkannte.

Wir waren also gerüstet, wussten aber nicht recht ob an
Gefahr zu glauben wäre. Wollten die Verschworenen uns ernstlich
zu Leibe, so hatten wir wenig Aussicht auf Rettung; die engen
winkligen Gänge und die Papierwände unserer kleinen Zimmer waren
der Vertheidigung sehr ungünstig, die Aussenhöfe nur durch niedrige
Bretterzäune und Hecken von den nächsten Grundstücken getrennt,
und ihr Umfang zu ausgedehnt um Nachts mit Erfolg bewacht zu
werden; wir konnten durch einen entschlossenen Angriff überrumpelt
und sämmtlich niedergemacht werden, ehe wir nur auf die Beine
kamen, oder durch nächtliche Brandstiftung ausgeräuchert, im Tumult

Vertheidigungs-Anstalten. X.
von Yeddo theils das unseres Nachbarn Tosava Kadsusa Nofski
trugen; vor jedem paradirte eine schnurgrade Reihe langer Piken
mit leuchtenden Rosshaarpuscheln. Das Ganze machte den Eindruck
militärischer Genauigkeit und Ordnung bis auf die Soldaten, die
wohl kräftig aber nicht kriegerisch aussehen; ihre mangelhafte
Fussbekleidung lässt kein festes Auftreten, die weiten, hängenden
Rockärmel weder freie noch knappe Bewegungen zu. — Die Be-
satzung zog Tag und Nacht halbstündlich — wo es schmutzig war
im Gänsemarsch und sehr behutsam tretend — in starken Patrouillen
um das Haus, und unsere Bunyo’s, vor Allen Muragaki, erschienen
oft spät in der Nacht, um die Wachen zu revidiren.

Wir trafen natürlich auch unsererseits Vorsichtsmaassregeln.
Capitän Sundewall schickte noch zehn Seesoldaten von der Arkona
und einige von der Thetis, mit Gewehren, Munition und Signal-
raketen, so dass wir eine Wache von zwanzig Mann mit Zündnadel-
gewehren hatten. Auf den Kriegsschiffen hielt man Alles zur
armirten Landung bereit und stellte Posten, die beständig nach
den Signalen ausschauen mussten. In Akabane organisirten die
Attachés Lieutenants von Brandt und Graf Eulenburg die Ver-
theidigung, wiesen Jedem von uns für den Fall des Angriffs seine
Stellung und Thätigkeit an, stellten Nachts an geeigneten Plätzen
in und ausser dem Hause militärische Posten aus und gingen häufig
die Ronde. — In der Nacht zum vierten kam es beinah zum Zu-
sammenstoss mit den Japanern: der Unterofficier der Wache wollte
die Posten revidiren und begegnete in tiefer Dunkelheit einer japa-
nischen Patrouille; beide Theile glaubten auf den Feind zu stossen;
schon knackten die Pistolenhähne des Unterofficiers und die Schwerter
der Japaner fuhren blitzend aus den Scheiden, als man sich zum
Glück noch erkannte.

Wir waren also gerüstet, wussten aber nicht recht ob an
Gefahr zu glauben wäre. Wollten die Verschworenen uns ernstlich
zu Leibe, so hatten wir wenig Aussicht auf Rettung; die engen
winkligen Gänge und die Papierwände unserer kleinen Zimmer waren
der Vertheidigung sehr ungünstig, die Aussenhöfe nur durch niedrige
Bretterzäune und Hecken von den nächsten Grundstücken getrennt,
und ihr Umfang zu ausgedehnt um Nachts mit Erfolg bewacht zu
werden; wir konnten durch einen entschlossenen Angriff überrumpelt
und sämmtlich niedergemacht werden, ehe wir nur auf die Beine
kamen, oder durch nächtliche Brandstiftung ausgeräuchert, im Tumult

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[140/0160] Vertheidigungs-Anstalten. X. von Yeddo theils das unseres Nachbarn Tosava Kadsusa Nofski trugen; vor jedem paradirte eine schnurgrade Reihe langer Piken mit leuchtenden Rosshaarpuscheln. Das Ganze machte den Eindruck militärischer Genauigkeit und Ordnung bis auf die Soldaten, die wohl kräftig aber nicht kriegerisch aussehen; ihre mangelhafte Fussbekleidung lässt kein festes Auftreten, die weiten, hängenden Rockärmel weder freie noch knappe Bewegungen zu. — Die Be- satzung zog Tag und Nacht halbstündlich — wo es schmutzig war im Gänsemarsch und sehr behutsam tretend — in starken Patrouillen um das Haus, und unsere Bunyo’s, vor Allen Muragaki, erschienen oft spät in der Nacht, um die Wachen zu revidiren. Wir trafen natürlich auch unsererseits Vorsichtsmaassregeln. Capitän Sundewall schickte noch zehn Seesoldaten von der Arkona und einige von der Thetis, mit Gewehren, Munition und Signal- raketen, so dass wir eine Wache von zwanzig Mann mit Zündnadel- gewehren hatten. Auf den Kriegsschiffen hielt man Alles zur armirten Landung bereit und stellte Posten, die beständig nach den Signalen ausschauen mussten. In Akabane organisirten die Attachés Lieutenants von Brandt und Graf Eulenburg die Ver- theidigung, wiesen Jedem von uns für den Fall des Angriffs seine Stellung und Thätigkeit an, stellten Nachts an geeigneten Plätzen in und ausser dem Hause militärische Posten aus und gingen häufig die Ronde. — In der Nacht zum vierten kam es beinah zum Zu- sammenstoss mit den Japanern: der Unterofficier der Wache wollte die Posten revidiren und begegnete in tiefer Dunkelheit einer japa- nischen Patrouille; beide Theile glaubten auf den Feind zu stossen; schon knackten die Pistolenhähne des Unterofficiers und die Schwerter der Japaner fuhren blitzend aus den Scheiden, als man sich zum Glück noch erkannte. Wir waren also gerüstet, wussten aber nicht recht ob an Gefahr zu glauben wäre. Wollten die Verschworenen uns ernstlich zu Leibe, so hatten wir wenig Aussicht auf Rettung; die engen winkligen Gänge und die Papierwände unserer kleinen Zimmer waren der Vertheidigung sehr ungünstig, die Aussenhöfe nur durch niedrige Bretterzäune und Hecken von den nächsten Grundstücken getrennt, und ihr Umfang zu ausgedehnt um Nachts mit Erfolg bewacht zu werden; wir konnten durch einen entschlossenen Angriff überrumpelt und sämmtlich niedergemacht werden, ehe wir nur auf die Beine kamen, oder durch nächtliche Brandstiftung ausgeräuchert, im Tumult

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/160>, abgerufen am 29.04.2024.