Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
Repräsentanten, Zugfische und Brackwasserfische.
1. Die Art (oder Gattung) kommt nur im Süsswasser vor,
aber alle oder doch die allermeisten Verwandten der-
selben, d. h. die übrigen Arten derselben Gattung und die
übrigen Gattungen derselben Familie, leben im Meer. Man
kann sie als Repräsentanten der Meeresfauna im
Binnenlande bezeichnen.
2. Die einzelnen Individuen wandern aus dem Meere zeitweise,
mehr oder minder regelmässig, in die Flüsse hinauf: Zug-
fische
, in der Regel so, dass die Fische im erwach-
senen, geschlechtsreifen Zustande die Flüsse hinaufsteigen,
um dort zu laichen, die jungen aber ins Meer zurück-
kehren, wie in Europa der Lachs: aufsteigende Zug-
fische
, pisces anadromi. Der umgekehrte Fall, dass er-
wachsene Flussfische stromab ins Meer wandern, um dort
zu laichen, und die jungen wieder ins süsse Wasser ein-
wandern, ist bis jetzt meines Wissens nur vom Aal bekannt.
3. Die Arten (oder Gattungen) leben hauptsächlich an den
Flussmündungen, also in Wasser von geringerem und zeit-
weise wechselndem Salzgehalt, gelangen wohl auch auf-
wärts bis in rein süsses Wasser, aber bleiben in der Nähe
der Küste und fehlen dem eigentlichen Binnenland: Brack-
wasserfische
.

Für den Reisenden, dessen Beobachtungen an jedem Ort auf
kürzere Zeit beschränkt sind, ist es nicht immer möglich, diese drei
Kategorieen bestimmt auseinander zu halten; was er im Binnenlande
erhält, kann zur ersten oder zweiten, was er auf den Fischmärkten
der grösseren Städte an der Küste findet, auch zur dritten gehören
oder zu den richtigen Meerfischen und nur des Verkaufs halber aus
etwas grösserer Entfernung herbeigebracht werden. Auf die Aus-
sagen der Verkäufer ist dabei wenig zu geben, denn sie beantworten
gern jede Frage des Fremden, die nicht ihr nächstes Interesse be-
trifft, mit Ja. Doch will ich im Folgenden versuchen, die von mir
beobachteten Fische nach jenen drei Kategorieen zu scheiden und
beginne mit denjenigen marinen Formen, welche mir tief im Binnen-
lande vorgekommen sind und für die gegenwärtig kein Grund vor-
liegt, ihnen eine regelmässige Wanderung zuzuschreiben:

Percoiden, barschartige Fische. Unser Flussbarsch und
dessen nächste Verwandte fehlen den süssen Gewässern der Tropen-
zone, dagegen beobachtete ich zwei andere Gattungen im Binnen-

Repräsentanten, Zugfische und Brackwasserfische.
1. Die Art (oder Gattung) kommt nur im Süsswasser vor,
aber alle oder doch die allermeisten Verwandten der-
selben, d. h. die übrigen Arten derselben Gattung und die
übrigen Gattungen derselben Familie, leben im Meer. Man
kann sie als Repräsentanten der Meeresfauna im
Binnenlande bezeichnen.
2. Die einzelnen Individuen wandern aus dem Meere zeitweise,
mehr oder minder regelmässig, in die Flüsse hinauf: Zug-
fische
, in der Regel so, dass die Fische im erwach-
senen, geschlechtsreifen Zustande die Flüsse hinaufsteigen,
um dort zu laichen, die jungen aber ins Meer zurück-
kehren, wie in Europa der Lachs: aufsteigende Zug-
fische
, pisces anadromi. Der umgekehrte Fall, dass er-
wachsene Flussfische stromab ins Meer wandern, um dort
zu laichen, und die jungen wieder ins süsse Wasser ein-
wandern, ist bis jetzt meines Wissens nur vom Aal bekannt.
3. Die Arten (oder Gattungen) leben hauptsächlich an den
Flussmündungen, also in Wasser von geringerem und zeit-
weise wechselndem Salzgehalt, gelangen wohl auch auf-
wärts bis in rein süsses Wasser, aber bleiben in der Nähe
der Küste und fehlen dem eigentlichen Binnenland: Brack-
wasserfische
.

Für den Reisenden, dessen Beobachtungen an jedem Ort auf
kürzere Zeit beschränkt sind, ist es nicht immer möglich, diese drei
Kategorieen bestimmt auseinander zu halten; was er im Binnenlande
erhält, kann zur ersten oder zweiten, was er auf den Fischmärkten
der grösseren Städte an der Küste findet, auch zur dritten gehören
oder zu den richtigen Meerfischen und nur des Verkaufs halber aus
etwas grösserer Entfernung herbeigebracht werden. Auf die Aus-
sagen der Verkäufer ist dabei wenig zu geben, denn sie beantworten
gern jede Frage des Fremden, die nicht ihr nächstes Interesse be-
trifft, mit Ja. Doch will ich im Folgenden versuchen, die von mir
beobachteten Fische nach jenen drei Kategorieen zu scheiden und
beginne mit denjenigen marinen Formen, welche mir tief im Binnen-
lande vorgekommen sind und für die gegenwärtig kein Grund vor-
liegt, ihnen eine regelmässige Wanderung zuzuschreiben:

Percoiden, barschartige Fische. Unser Flussbarsch und
dessen nächste Verwandte fehlen den süssen Gewässern der Tropen-
zone, dagegen beobachtete ich zwei andere Gattungen im Binnen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0324" n="306"/>
            <fw place="top" type="header">Repräsentanten, Zugfische und Brackwasserfische.</fw><lb/>
            <list>
              <item>1. Die Art (oder Gattung) kommt nur im Süsswasser vor,<lb/>
aber alle oder doch die allermeisten Verwandten der-<lb/>
selben, d. h. die übrigen Arten derselben Gattung und die<lb/>
übrigen Gattungen derselben Familie, leben im Meer. Man<lb/>
kann sie als <hi rendition="#g">Repräsentanten</hi> der Meeresfauna im<lb/>
Binnenlande bezeichnen.</item><lb/>
              <item>2. Die einzelnen Individuen wandern aus dem Meere zeitweise,<lb/>
mehr oder minder regelmässig, in die Flüsse hinauf: <hi rendition="#g">Zug-<lb/>
fische</hi>, in der Regel so, dass die Fische im erwach-<lb/>
senen, geschlechtsreifen Zustande die Flüsse hinaufsteigen,<lb/>
um dort zu laichen, die jungen aber ins Meer zurück-<lb/>
kehren, wie in Europa der Lachs: <hi rendition="#g">aufsteigende Zug-<lb/>
fische</hi>, pisces anadromi. Der umgekehrte Fall, dass er-<lb/>
wachsene Flussfische stromab ins Meer wandern, um dort<lb/>
zu laichen, und die jungen wieder ins süsse Wasser ein-<lb/>
wandern, ist bis jetzt meines Wissens nur vom Aal bekannt.</item><lb/>
              <item>3. Die Arten (oder Gattungen) leben hauptsächlich an den<lb/>
Flussmündungen, also in Wasser von geringerem und zeit-<lb/>
weise wechselndem Salzgehalt, gelangen wohl auch auf-<lb/>
wärts bis in rein süsses Wasser, aber bleiben in der Nähe<lb/>
der Küste und fehlen dem eigentlichen Binnenland: <hi rendition="#g">Brack-<lb/>
wasserfische</hi>.</item>
            </list><lb/>
            <p>Für den Reisenden, dessen Beobachtungen an jedem Ort auf<lb/>
kürzere Zeit beschränkt sind, ist es nicht immer möglich, diese drei<lb/>
Kategorieen bestimmt auseinander zu halten; was er im Binnenlande<lb/>
erhält, kann zur ersten oder zweiten, was er auf den Fischmärkten<lb/>
der grösseren Städte an der Küste findet, auch zur dritten gehören<lb/>
oder zu den richtigen Meerfischen und nur des Verkaufs halber aus<lb/>
etwas grösserer Entfernung herbeigebracht werden. Auf die Aus-<lb/>
sagen der Verkäufer ist dabei wenig zu geben, denn sie beantworten<lb/>
gern jede Frage des Fremden, die nicht ihr nächstes Interesse be-<lb/>
trifft, mit Ja. Doch will ich im Folgenden versuchen, die von mir<lb/>
beobachteten Fische nach jenen drei Kategorieen zu scheiden und<lb/>
beginne mit denjenigen marinen Formen, welche mir tief im Binnen-<lb/>
lande vorgekommen sind und für die gegenwärtig kein Grund vor-<lb/>
liegt, ihnen eine regelmässige Wanderung zuzuschreiben:</p><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Percoiden</hi>, barschartige Fische. Unser Flussbarsch und<lb/>
dessen nächste Verwandte fehlen den süssen Gewässern der Tropen-<lb/>
zone, dagegen beobachtete ich zwei andere Gattungen im Binnen-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0324] Repräsentanten, Zugfische und Brackwasserfische. 1. Die Art (oder Gattung) kommt nur im Süsswasser vor, aber alle oder doch die allermeisten Verwandten der- selben, d. h. die übrigen Arten derselben Gattung und die übrigen Gattungen derselben Familie, leben im Meer. Man kann sie als Repräsentanten der Meeresfauna im Binnenlande bezeichnen. 2. Die einzelnen Individuen wandern aus dem Meere zeitweise, mehr oder minder regelmässig, in die Flüsse hinauf: Zug- fische, in der Regel so, dass die Fische im erwach- senen, geschlechtsreifen Zustande die Flüsse hinaufsteigen, um dort zu laichen, die jungen aber ins Meer zurück- kehren, wie in Europa der Lachs: aufsteigende Zug- fische, pisces anadromi. Der umgekehrte Fall, dass er- wachsene Flussfische stromab ins Meer wandern, um dort zu laichen, und die jungen wieder ins süsse Wasser ein- wandern, ist bis jetzt meines Wissens nur vom Aal bekannt. 3. Die Arten (oder Gattungen) leben hauptsächlich an den Flussmündungen, also in Wasser von geringerem und zeit- weise wechselndem Salzgehalt, gelangen wohl auch auf- wärts bis in rein süsses Wasser, aber bleiben in der Nähe der Küste und fehlen dem eigentlichen Binnenland: Brack- wasserfische. Für den Reisenden, dessen Beobachtungen an jedem Ort auf kürzere Zeit beschränkt sind, ist es nicht immer möglich, diese drei Kategorieen bestimmt auseinander zu halten; was er im Binnenlande erhält, kann zur ersten oder zweiten, was er auf den Fischmärkten der grösseren Städte an der Küste findet, auch zur dritten gehören oder zu den richtigen Meerfischen und nur des Verkaufs halber aus etwas grösserer Entfernung herbeigebracht werden. Auf die Aus- sagen der Verkäufer ist dabei wenig zu geben, denn sie beantworten gern jede Frage des Fremden, die nicht ihr nächstes Interesse be- trifft, mit Ja. Doch will ich im Folgenden versuchen, die von mir beobachteten Fische nach jenen drei Kategorieen zu scheiden und beginne mit denjenigen marinen Formen, welche mir tief im Binnen- lande vorgekommen sind und für die gegenwärtig kein Grund vor- liegt, ihnen eine regelmässige Wanderung zuzuschreiben: Percoiden, barschartige Fische. Unser Flussbarsch und dessen nächste Verwandte fehlen den süssen Gewässern der Tropen- zone, dagegen beobachtete ich zwei andere Gattungen im Binnen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/324
Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/324>, abgerufen am 29.04.2024.