Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

daß gewisse Leute
und hervor bringt, oder wie eine Sache eine
Veranlassung und Gelegenheit zu der andern ist.
Hier stehet auf einer Seite die Melancholie, auf
der andern Seite die Autochirie oder der Selbst-
Mord: da ist nun noch ein weiter Sprung von
einem bis zum andern, und da fragt sichs nun,
durch was vor Wege und Mittel, und durch
was vor Art und Weise geschiehet es denn, daß
Melancholici auf solche That verfallen: wie
dencken sie denn, was dencken sie denn, was
schliessen sie denn, wie raisonniren sie denn?
Was vor ein Nexus und Verbindung ist denn
zwischen ihrer Leibes-Maladie, und zwischen der
erschrecklichen That? Jst der Nexus und Ver-
bindung bloß natürlich, oder ist sie zugleich sitt-
lich? Gleichwie diejenigen, von welchen ich hier
rede, welche nemlich mit dem ängstlichen Bilde
und Einbildung gemartert werden, als ob sie
sich noch selbst tödten würden, unstreitig unter
die Melancholicos gehören, obschon ihre Melan-
cholie
noch nicht den höchsten Grad erreicht, es mag
nun ihre Melancholie in einem zuvor schon kran-
cken und Miltz-süchtigen Leibe ihren Grund ha-
ben, oder durch andere große Affecten, Furcht,
Sorge, Traurigkeit, Seelen-Angst, Höllen-
Angst im Leibe sich mit mähligem generiret, ge-
zeuget, und feste gesetzt haben; so fragt sichs nun,
wie kommt denn die Idee, der Gedancke, und das

Bild

daß gewiſſe Leute
und hervor bringt, oder wie eine Sache eine
Veranlaſſung und Gelegenheit zu der andern iſt.
Hier ſtehet auf einer Seite die Melancholie, auf
der andern Seite die Autochirie oder der Selbſt-
Mord: da iſt nun noch ein weiter Sprung von
einem bis zum andern, und da fragt ſichs nun,
durch was vor Wege und Mittel, und durch
was vor Art und Weiſe geſchiehet es denn, daß
Melancholici auf ſolche That verfallen: wie
dencken ſie denn, was dencken ſie denn, was
ſchlieſſen ſie denn, wie raiſonniren ſie denn?
Was vor ein Nexus und Verbindung iſt denn
zwiſchen ihrer Leibes-Maladie, und zwiſchen der
erſchrecklichen That? Jſt der Nexus und Ver-
bindung bloß natuͤrlich, oder iſt ſie zugleich ſitt-
lich? Gleichwie diejenigen, von welchen ich hier
rede, welche nemlich mit dem aͤngſtlichen Bilde
und Einbildung gemartert werden, als ob ſie
ſich noch ſelbſt toͤdten wuͤrden, unſtreitig unter
die Melancholicos gehoͤren, obſchon ihre Melan-
cholie
noch nicht den hoͤchſten Grad erreicht, es mag
nun ihre Melancholie in einem zuvor ſchon kran-
cken und Miltz-ſuͤchtigen Leibe ihren Grund ha-
ben, oder durch andere große Affecten, Furcht,
Sorge, Traurigkeit, Seelen-Angſt, Hoͤllen-
Angſt im Leibe ſich mit maͤhligem generiret, ge-
zeuget, und feſte geſetzt haben; ſo fragt ſichs nun,
wie kommt denn die Idée, der Gedancke, und das

Bild
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0308" n="262"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">daß gewi&#x017F;&#x017F;e Leute</hi></fw><lb/>
und hervor bringt, oder wie eine Sache eine<lb/>
Veranla&#x017F;&#x017F;ung und Gelegenheit zu der andern i&#x017F;t.<lb/>
Hier &#x017F;tehet auf einer Seite die <hi rendition="#aq">Melancholie,</hi> auf<lb/>
der andern Seite die <hi rendition="#aq">Autochirie</hi> oder der Selb&#x017F;t-<lb/>
Mord: da i&#x017F;t nun noch ein weiter Sprung von<lb/>
einem bis zum andern, und da fragt &#x017F;ichs nun,<lb/>
durch was vor Wege und Mittel, und durch<lb/>
was vor Art und Wei&#x017F;e ge&#x017F;chiehet es denn, daß<lb/><hi rendition="#aq">Melancholici</hi> auf &#x017F;olche That verfallen: wie<lb/>
dencken &#x017F;ie denn, was dencken &#x017F;ie denn, was<lb/>
&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie denn, wie <hi rendition="#aq">rai&#x017F;onni</hi>ren &#x017F;ie denn?<lb/>
Was vor ein <hi rendition="#aq">Nexus</hi> und Verbindung i&#x017F;t denn<lb/>
zwi&#x017F;chen ihrer Leibes-<hi rendition="#aq">Maladie,</hi> und zwi&#x017F;chen der<lb/>
er&#x017F;chrecklichen That? J&#x017F;t der <hi rendition="#aq">Nexus</hi> und Ver-<lb/>
bindung bloß natu&#x0364;rlich, oder i&#x017F;t &#x017F;ie zugleich &#x017F;itt-<lb/>
lich? Gleichwie diejenigen, von welchen ich hier<lb/>
rede, welche nemlich mit dem a&#x0364;ng&#x017F;tlichen Bilde<lb/>
und Einbildung gemartert werden, als ob &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich noch &#x017F;elb&#x017F;t to&#x0364;dten wu&#x0364;rden, un&#x017F;treitig unter<lb/>
die <hi rendition="#aq">Melancholicos</hi> geho&#x0364;ren, ob&#x017F;chon ihre <hi rendition="#aq">Melan-<lb/>
cholie</hi> noch nicht den ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grad erreicht, es mag<lb/>
nun ihre <hi rendition="#aq">Melancholie</hi> in einem zuvor &#x017F;chon kran-<lb/>
cken und Miltz-&#x017F;u&#x0364;chtigen Leibe ihren Grund ha-<lb/>
ben, oder durch andere große <hi rendition="#aq">Affect</hi>en, Furcht,<lb/>
Sorge, Traurigkeit, Seelen-Ang&#x017F;t, Ho&#x0364;llen-<lb/>
Ang&#x017F;t im Leibe &#x017F;ich mit ma&#x0364;hligem <hi rendition="#aq">generi</hi>ret, ge-<lb/>
zeuget, und fe&#x017F;te ge&#x017F;etzt haben; &#x017F;o fragt &#x017F;ichs nun,<lb/>
wie kommt denn die <hi rendition="#aq">Idée,</hi> der Gedancke, und das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Bild</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0308] daß gewiſſe Leute und hervor bringt, oder wie eine Sache eine Veranlaſſung und Gelegenheit zu der andern iſt. Hier ſtehet auf einer Seite die Melancholie, auf der andern Seite die Autochirie oder der Selbſt- Mord: da iſt nun noch ein weiter Sprung von einem bis zum andern, und da fragt ſichs nun, durch was vor Wege und Mittel, und durch was vor Art und Weiſe geſchiehet es denn, daß Melancholici auf ſolche That verfallen: wie dencken ſie denn, was dencken ſie denn, was ſchlieſſen ſie denn, wie raiſonniren ſie denn? Was vor ein Nexus und Verbindung iſt denn zwiſchen ihrer Leibes-Maladie, und zwiſchen der erſchrecklichen That? Jſt der Nexus und Ver- bindung bloß natuͤrlich, oder iſt ſie zugleich ſitt- lich? Gleichwie diejenigen, von welchen ich hier rede, welche nemlich mit dem aͤngſtlichen Bilde und Einbildung gemartert werden, als ob ſie ſich noch ſelbſt toͤdten wuͤrden, unſtreitig unter die Melancholicos gehoͤren, obſchon ihre Melan- cholie noch nicht den hoͤchſten Grad erreicht, es mag nun ihre Melancholie in einem zuvor ſchon kran- cken und Miltz-ſuͤchtigen Leibe ihren Grund ha- ben, oder durch andere große Affecten, Furcht, Sorge, Traurigkeit, Seelen-Angſt, Hoͤllen- Angſt im Leibe ſich mit maͤhligem generiret, ge- zeuget, und feſte geſetzt haben; ſo fragt ſichs nun, wie kommt denn die Idée, der Gedancke, und das Bild

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/308
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/308>, abgerufen am 16.06.2024.