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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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insonderheit Melancholici
Bild vom Selbst-Mord vielmehr in das Haupt
eines solchen Melancholischen, als eines andern
Menschen? Und woher rühret denn die Ein-
bildung samt der Furcht bey demselben, daß
er sich selbst tödten werde? Wie kan denn die
höchste Furcht, eine That zu begehen, gleichwol
endlich die That nach sich ziehen, und machen,
daß sie einer begehet? Natürlicher und ordent-
licher Weise schreiten die Menschen zu Thaten,
zu welchen sie Lust und Beliebung, und welche
sie zu begehen den Vorsatz haben, der doch hier
nicht zu finden. Und wie gehet es denn zu,
daß einige dieser Bilder wiederum los werden,
und von solcher Furcht eines schrecklichen Todes
befreyet werden? Das sind lauter schwere, dun-
ckele, und noch unerkannte Sachen, und welche
niemanden mehr unbekannt sind, als denen, welche
mit dergleichen Leuten zu thun haben, sie mögen
nun ihre geistliche, oder leibliche Aertzte, oder ihre
Wärter seyn, und sich doch ihres Zustandes, und
ihrer Gedancken, Meynungen und Einbildun-
gen, und ihres Leibes und Gemüthes nicht recht
erkundigen, und zudem auch an sich selbst von
dergleichen Ubeln noch nichts erfahren haben;
oder, so sie etwas erfahren, doch nicht genug
auf sich selbst Achtung gegeben haben, da sie als
Gelehrte solches doch zu thun fähig und verbunden
gewesen wären.

Weil
R 4

inſonderheit Melancholici
Bild vom Selbſt-Mord vielmehr in das Haupt
eines ſolchen Melancholiſchen, als eines andern
Menſchen? Und woher ruͤhret denn die Ein-
bildung ſamt der Furcht bey demſelben, daß
er ſich ſelbſt toͤdten werde? Wie kan denn die
hoͤchſte Furcht, eine That zu begehen, gleichwol
endlich die That nach ſich ziehen, und machen,
daß ſie einer begehet? Natuͤrlicher und ordent-
licher Weiſe ſchreiten die Menſchen zu Thaten,
zu welchen ſie Luſt und Beliebung, und welche
ſie zu begehen den Vorſatz haben, der doch hier
nicht zu finden. Und wie gehet es denn zu,
daß einige dieſer Bilder wiederum los werden,
und von ſolcher Furcht eines ſchrecklichen Todes
befreyet werden? Das ſind lauter ſchwere, dun-
ckele, und noch unerkannte Sachen, und welche
niemanden mehr unbekannt ſind, als denen, welche
mit dergleichen Leuten zu thun haben, ſie moͤgen
nun ihre geiſtliche, oder leibliche Aertzte, oder ihre
Waͤrter ſeyn, und ſich doch ihres Zuſtandes, und
ihrer Gedancken, Meynungen und Einbildun-
gen, und ihres Leibes und Gemuͤthes nicht recht
erkundigen, und zudem auch an ſich ſelbſt von
dergleichen Ubeln noch nichts erfahren haben;
oder, ſo ſie etwas erfahren, doch nicht genug
auf ſich ſelbſt Achtung gegeben haben, da ſie als
Gelehrte ſolches doch zu thun faͤhig und verbunden
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Weil
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[263/0309] inſonderheit Melancholici Bild vom Selbſt-Mord vielmehr in das Haupt eines ſolchen Melancholiſchen, als eines andern Menſchen? Und woher ruͤhret denn die Ein- bildung ſamt der Furcht bey demſelben, daß er ſich ſelbſt toͤdten werde? Wie kan denn die hoͤchſte Furcht, eine That zu begehen, gleichwol endlich die That nach ſich ziehen, und machen, daß ſie einer begehet? Natuͤrlicher und ordent- licher Weiſe ſchreiten die Menſchen zu Thaten, zu welchen ſie Luſt und Beliebung, und welche ſie zu begehen den Vorſatz haben, der doch hier nicht zu finden. Und wie gehet es denn zu, daß einige dieſer Bilder wiederum los werden, und von ſolcher Furcht eines ſchrecklichen Todes befreyet werden? Das ſind lauter ſchwere, dun- ckele, und noch unerkannte Sachen, und welche niemanden mehr unbekannt ſind, als denen, welche mit dergleichen Leuten zu thun haben, ſie moͤgen nun ihre geiſtliche, oder leibliche Aertzte, oder ihre Waͤrter ſeyn, und ſich doch ihres Zuſtandes, und ihrer Gedancken, Meynungen und Einbildun- gen, und ihres Leibes und Gemuͤthes nicht recht erkundigen, und zudem auch an ſich ſelbſt von dergleichen Ubeln noch nichts erfahren haben; oder, ſo ſie etwas erfahren, doch nicht genug auf ſich ſelbſt Achtung gegeben haben, da ſie als Gelehrte ſolches doch zu thun faͤhig und verbunden geweſen waͤren. Weil R 4

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/309>, abgerufen am 24.05.2024.