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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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Catecheten gerathen,
Jch rieth ihm, er solte nur schnelle zur Sache
schreiten, und niemanden etwas sagen; denn,
weil unter tausend Menschen nicht ein einziger,
dem dergleichen jämmerliche Plage bekannt
wäre, so würde sich alles ihm widersetzen, und
ihm es ein ieder auszureden suchen, den er um
Rath fragen würde. Wenn die Sache nur
erst geschehen, so wolte ich hernach die Sache
schon bey den Patronis helffen entschuldigen, daß
er deßhalben seines Catecheten-Dienstes nicht
verlustig würde. Allein er entdeckte die Sa-
che einem Prediger, der nicht mehr am Leben,
der zwar an seiner Beförderung großen Antheil
gehabt, der aber von solcher Leibes-Plage und
Anfechtung nichts wuste, so viel andere wich-
tige Dinge GOtt ihn auch sonst erfahren laßen.
Er suchte ihm solches mit gantzer Gewalt aus-
zureden, und schlug ihm das Gebet, als ein
Mittel wider solche Gedancken und Reitzungen
vor, welches denselben aber eben so deuchte,
als wenn man einen Hungrigen, und Durstigen
bereden wolte, daß man Hunger, und Durst
mit dem Gebet vertreiben könte; sintemahl
kein Ey dem andern so ähnlich, als die Be-
gierde zu secerniren, und zu egeriren, als die
Begierde zu ingeriren, und zu essen, und zu
trincken. Wollen einige sagen, daß sie desi-
derium secernendi
durch diese und jene geistliche

Mittel

Catecheten gerathen,
Jch rieth ihm, er ſolte nur ſchnelle zur Sache
ſchreiten, und niemanden etwas ſagen; denn,
weil unter tauſend Menſchen nicht ein einziger,
dem dergleichen jaͤmmerliche Plage bekannt
waͤre, ſo wuͤrde ſich alles ihm widerſetzen, und
ihm es ein ieder auszureden ſuchen, den er um
Rath fragen wuͤrde. Wenn die Sache nur
erſt geſchehen, ſo wolte ich hernach die Sache
ſchon bey den Patronis helffen entſchuldigen, daß
er deßhalben ſeines Catecheten-Dienſtes nicht
verluſtig wuͤrde. Allein er entdeckte die Sa-
che einem Prediger, der nicht mehr am Leben,
der zwar an ſeiner Befoͤrderung großen Antheil
gehabt, der aber von ſolcher Leibes-Plage und
Anfechtung nichts wuſte, ſo viel andere wich-
tige Dinge GOtt ihn auch ſonſt erfahren laßen.
Er ſuchte ihm ſolches mit gantzer Gewalt aus-
zureden, und ſchlug ihm das Gebet, als ein
Mittel wider ſolche Gedancken und Reitzungen
vor, welches denſelben aber eben ſo deuchte,
als wenn man einen Hungrigen, und Durſtigen
bereden wolte, daß man Hunger, und Durſt
mit dem Gebet vertreiben koͤnte; ſintemahl
kein Ey dem andern ſo aͤhnlich, als die Be-
gierde zu ſecerniren, und zu egeriren, als die
Begierde zu ingeriren, und zu eſſen, und zu
trincken. Wollen einige ſagen, daß ſie deſi-
derium ſecernendi
durch dieſe und jene geiſtliche

Mittel
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[598/0644] Catecheten gerathen, Jch rieth ihm, er ſolte nur ſchnelle zur Sache ſchreiten, und niemanden etwas ſagen; denn, weil unter tauſend Menſchen nicht ein einziger, dem dergleichen jaͤmmerliche Plage bekannt waͤre, ſo wuͤrde ſich alles ihm widerſetzen, und ihm es ein ieder auszureden ſuchen, den er um Rath fragen wuͤrde. Wenn die Sache nur erſt geſchehen, ſo wolte ich hernach die Sache ſchon bey den Patronis helffen entſchuldigen, daß er deßhalben ſeines Catecheten-Dienſtes nicht verluſtig wuͤrde. Allein er entdeckte die Sa- che einem Prediger, der nicht mehr am Leben, der zwar an ſeiner Befoͤrderung großen Antheil gehabt, der aber von ſolcher Leibes-Plage und Anfechtung nichts wuſte, ſo viel andere wich- tige Dinge GOtt ihn auch ſonſt erfahren laßen. Er ſuchte ihm ſolches mit gantzer Gewalt aus- zureden, und ſchlug ihm das Gebet, als ein Mittel wider ſolche Gedancken und Reitzungen vor, welches denſelben aber eben ſo deuchte, als wenn man einen Hungrigen, und Durſtigen bereden wolte, daß man Hunger, und Durſt mit dem Gebet vertreiben koͤnte; ſintemahl kein Ey dem andern ſo aͤhnlich, als die Be- gierde zu ſecerniren, und zu egeriren, als die Begierde zu ingeriren, und zu eſſen, und zu trincken. Wollen einige ſagen, daß ſie deſi- derium ſecernendi durch dieſe und jene geiſtliche Mittel

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 598. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/644>, abgerufen am 28.04.2024.