Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

Bild:
<< vorherige Seite

auf den Tod veranlaßt worden.
nicht mehr ferne seyn könte, zu praepa-
ri
ren. Jch wuste nicht, was ich diesen Wor-
ten vor eine Bedeutung geben solte: ob ihn
meine elende Gestalt, oder sonst eine andere Ab-
sicht solches zu reden veranlasset, habe mir auch
nicht deßhalben weitere Mühe gegeben.

Jch lase zu Hause nebst GOttes Wort al-
lerhand gute geistliche Bücher, und unter andern
Lütkemanns Epistel-Postille; welche in
Wahrheit viel Gutes bey mir gewürcket, und
in den Episteln, in welchen unsere Evangelische
Glaubens-Puncte gar sonderlich ihren Grund
und Beweis haben, dergleichen die Epistel auf
den XIII. Trinitatis ist, mir mehr Scrupel und
Zweifel benommen, und auch zur Revocation
geneigter gemacht, als immer mehr hernach die
Disputationes, und Schrifften wider mich aus-
gerichtet haben. Um dieselbe Zeit, da ich mich
also auf den Tod bereitete, geschahe eben das,
was ich oben gemeldet, daß ich mich auf die Ge-
dancken bringen ließ, als wenn ich durch die
Hand des Scharffrichters würde sterben müssen.
Es war ohnedem vorher schon durch Einbildung
des Todes wegen großer Leibes-Schwachheit
mein Gewissen wegen aller Sünden, so ich ie-
mahls begangen, wie bey Leuten, so da mey-
nen, daß sie sterben werden, offt zu geschehen
pfleget, dermaßen aufgewachet, so daß alle

meine

auf den Tod veranlaßt worden.
nicht mehr ferne ſeyn koͤnte, zu præpa-
ri
ren. Jch wuſte nicht, was ich dieſen Wor-
ten vor eine Bedeutung geben ſolte: ob ihn
meine elende Geſtalt, oder ſonſt eine andere Ab-
ſicht ſolches zu reden veranlaſſet, habe mir auch
nicht deßhalben weitere Muͤhe gegeben.

Jch laſe zu Hauſe nebſt GOttes Wort al-
lerhand gute geiſtliche Buͤcher, und unter andern
Lütkemanns Epiſtel-Poſtille; welche in
Wahrheit viel Gutes bey mir gewuͤrcket, und
in den Epiſteln, in welchen unſere Evangeliſche
Glaubens-Puncte gar ſonderlich ihren Grund
und Beweis haben, dergleichen die Epiſtel auf
den XIII. Trinitatis iſt, mir mehr Scrupel und
Zweifel benommen, und auch zur Revocation
geneigter gemacht, als immer mehr hernach die
Diſputationes, und Schrifften wider mich aus-
gerichtet haben. Um dieſelbe Zeit, da ich mich
alſo auf den Tod bereitete, geſchahe eben das,
was ich oben gemeldet, daß ich mich auf die Ge-
dancken bringen ließ, als wenn ich durch die
Hand des Scharffrichters wuͤrde ſterben muͤſſen.
Es war ohnedem vorher ſchon durch Einbildung
des Todes wegen großer Leibes-Schwachheit
mein Gewiſſen wegen aller Suͤnden, ſo ich ie-
mahls begangen, wie bey Leuten, ſo da mey-
nen, daß ſie ſterben werden, offt zu geſchehen
pfleget, dermaßen aufgewachet, ſo daß alle

meine
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0718" n="672"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">auf den Tod veranlaßt worden.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">nicht mehr ferne &#x017F;eyn ko&#x0364;nte,</hi> zu <hi rendition="#aq">præpa-<lb/>
ri</hi>ren. Jch wu&#x017F;te nicht, was ich die&#x017F;en Wor-<lb/>
ten vor eine Bedeutung geben &#x017F;olte: ob ihn<lb/>
meine elende Ge&#x017F;talt, oder &#x017F;on&#x017F;t eine andere Ab-<lb/>
&#x017F;icht &#x017F;olches zu reden veranla&#x017F;&#x017F;et, habe mir auch<lb/>
nicht deßhalben weitere Mu&#x0364;he gegeben.</p><lb/>
        <p>Jch la&#x017F;e zu Hau&#x017F;e neb&#x017F;t GOttes Wort al-<lb/>
lerhand gute gei&#x017F;tliche Bu&#x0364;cher, und unter andern<lb/><hi rendition="#aq">Lütkemanns</hi> Epi&#x017F;tel-Po&#x017F;tille; welche in<lb/>
Wahrheit viel Gutes bey mir gewu&#x0364;rcket, und<lb/>
in den Epi&#x017F;teln, in welchen un&#x017F;ere Evangeli&#x017F;che<lb/>
Glaubens-Puncte gar &#x017F;onderlich ihren Grund<lb/>
und Beweis haben, dergleichen die Epi&#x017F;tel auf<lb/>
den <hi rendition="#aq">XIII. Trinitatis</hi> i&#x017F;t, mir mehr <hi rendition="#aq">Scrupel</hi> und<lb/>
Zweifel benommen, und auch zur <hi rendition="#aq">Revocation</hi><lb/>
geneigter gemacht, als immer mehr hernach die<lb/><hi rendition="#aq">Di&#x017F;putationes,</hi> und Schrifften wider mich aus-<lb/>
gerichtet haben. Um die&#x017F;elbe Zeit, da ich mich<lb/>
al&#x017F;o auf den Tod bereitete, ge&#x017F;chahe eben das,<lb/>
was ich oben gemeldet, daß ich mich auf die Ge-<lb/>
dancken bringen ließ, als wenn ich durch die<lb/>
Hand des Scharffrichters wu&#x0364;rde &#x017F;terben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Es war ohnedem vorher &#x017F;chon durch Einbildung<lb/>
des Todes wegen großer Leibes-Schwachheit<lb/>
mein Gewi&#x017F;&#x017F;en wegen aller Su&#x0364;nden, &#x017F;o ich ie-<lb/>
mahls begangen, wie bey Leuten, &#x017F;o da mey-<lb/>
nen, daß &#x017F;ie &#x017F;terben werden, offt zu ge&#x017F;chehen<lb/>
pfleget, dermaßen aufgewachet, &#x017F;o daß alle<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">meine</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[672/0718] auf den Tod veranlaßt worden. nicht mehr ferne ſeyn koͤnte, zu præpa- riren. Jch wuſte nicht, was ich dieſen Wor- ten vor eine Bedeutung geben ſolte: ob ihn meine elende Geſtalt, oder ſonſt eine andere Ab- ſicht ſolches zu reden veranlaſſet, habe mir auch nicht deßhalben weitere Muͤhe gegeben. Jch laſe zu Hauſe nebſt GOttes Wort al- lerhand gute geiſtliche Buͤcher, und unter andern Lütkemanns Epiſtel-Poſtille; welche in Wahrheit viel Gutes bey mir gewuͤrcket, und in den Epiſteln, in welchen unſere Evangeliſche Glaubens-Puncte gar ſonderlich ihren Grund und Beweis haben, dergleichen die Epiſtel auf den XIII. Trinitatis iſt, mir mehr Scrupel und Zweifel benommen, und auch zur Revocation geneigter gemacht, als immer mehr hernach die Diſputationes, und Schrifften wider mich aus- gerichtet haben. Um dieſelbe Zeit, da ich mich alſo auf den Tod bereitete, geſchahe eben das, was ich oben gemeldet, daß ich mich auf die Ge- dancken bringen ließ, als wenn ich durch die Hand des Scharffrichters wuͤrde ſterben muͤſſen. Es war ohnedem vorher ſchon durch Einbildung des Todes wegen großer Leibes-Schwachheit mein Gewiſſen wegen aller Suͤnden, ſo ich ie- mahls begangen, wie bey Leuten, ſo da mey- nen, daß ſie ſterben werden, offt zu geſchehen pfleget, dermaßen aufgewachet, ſo daß alle meine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/718
Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/718>, abgerufen am 09.05.2024.