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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XVIII. Diebstahl u. Unterschlagung.
der gesetzlichen Straferhöhung nur für die Strafzumessung in Betracht
kommen, und nicht wie im Rheinischen Recht zu einer neuen Qualifi-
kation führen.

I. Es werden aus einem zum Gottesdienste bestimmten Gebäude
Gegenstände gestohlen, welche dem Gottesdienste gewidmet sind. Der
Begriff des Kirchendiebstahls, oder, wie man gewöhnlich sagt, des
Kirchenraubes ist hier enger gefaßt, als nach dem gemeinen Recht und
namentlich nach der Karolina; n) denn es sind zwei Bedingungen nöthig,
um die Qualifikation zu begründen: der Ort, wo die Entwendung verübt
wird, und der Gegenstand derselben. Dagegen ist kein Unterschied ge-
macht, ob die gestohlene Sache eine heilige oder geweihte, ob sie un-
mittelbar oder mittelbar dem Gottesdienst gewidmet war; o) auch kommt
es darauf nicht an, ob die betreffende Religionsgesellschaft, um deren
Gottesdienst es sich handelt, Korporationsrechte hat oder nicht. Insofern
ist jedoch an frühere gesetzliche Bestimmungen eine Annäherung erreicht,
als die Gebäude, welche zum Gottesdienste bestimmt sind, in Beziehung
auf die in denselben verübten Diebstähle den bewohnten Gebäuden gleich-
gesetzt sind (§. 221. Nr. 2.).

II. Der Diebstahl wird in einem bewohnten Gebäude entweder
zur Nachtzeit oder von zwei oder mehreren Personen begangen.

a. Was unter einem bewohnten Gebäude zu verstehen, ist in
§. 221. näher angegeben; es werden nämlich unter dieser Bezeichnung
mit begriffen:

1) Schiffe, welche bewohnt sind. Bedenken, welche in Beziehung
auf die Frage, wann Schiffe für bewohnt zu halten sind, geäußert
wurden, p) können nur nach den besonderen Verhältnissen des einzelnen
Falles erledigt werden.

2) Die zum Gottesdienste bestimmten Gebäude.

3) Diejenigen öffentlichen Gebäude, welche zum Geschäftsbetriebe
oder zur Aufbewahrung von Sachen bestimmt sind. Die Ausdehnung
dieser Vorschrift auf Speicher, Magazine und Kaufmannsgewölbe
wurde in der vorberathenden Abtheilung des vereinigten ständischen Aus-
schusses beantragt, aber abgelehnt, weil gerade für öffentliche Gebäude

n) P. G. O. Art. 171. Item stelen von geweichten dingen oder stetten ist
schwerer dann ander Diebstall, und geschicht inn dreierlei weiß. Zum ersten, wann
eyner etwas heyligs oder geweichts stielt an geweichten stetten. Zum andern, wann
eyner etwas geweichtes an ungeweichten stetten stielt. Zum dritten, wann eyner un-
geweichte ding an geweichten stetten stielt.
o) Vgl. oben §. 135.
p) Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses. IV.
S. 201.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung.
der geſetzlichen Straferhöhung nur für die Strafzumeſſung in Betracht
kommen, und nicht wie im Rheiniſchen Recht zu einer neuen Qualifi-
kation führen.

I. Es werden aus einem zum Gottesdienſte beſtimmten Gebäude
Gegenſtände geſtohlen, welche dem Gottesdienſte gewidmet ſind. Der
Begriff des Kirchendiebſtahls, oder, wie man gewöhnlich ſagt, des
Kirchenraubes iſt hier enger gefaßt, als nach dem gemeinen Recht und
namentlich nach der Karolina; n) denn es ſind zwei Bedingungen nöthig,
um die Qualifikation zu begründen: der Ort, wo die Entwendung verübt
wird, und der Gegenſtand derſelben. Dagegen iſt kein Unterſchied ge-
macht, ob die geſtohlene Sache eine heilige oder geweihte, ob ſie un-
mittelbar oder mittelbar dem Gottesdienſt gewidmet war; o) auch kommt
es darauf nicht an, ob die betreffende Religionsgeſellſchaft, um deren
Gottesdienſt es ſich handelt, Korporationsrechte hat oder nicht. Inſofern
iſt jedoch an frühere geſetzliche Beſtimmungen eine Annäherung erreicht,
als die Gebäude, welche zum Gottesdienſte beſtimmt ſind, in Beziehung
auf die in denſelben verübten Diebſtähle den bewohnten Gebäuden gleich-
geſetzt ſind (§. 221. Nr. 2.).

II. Der Diebſtahl wird in einem bewohnten Gebäude entweder
zur Nachtzeit oder von zwei oder mehreren Perſonen begangen.

a. Was unter einem bewohnten Gebäude zu verſtehen, iſt in
§. 221. näher angegeben; es werden nämlich unter dieſer Bezeichnung
mit begriffen:

1) Schiffe, welche bewohnt ſind. Bedenken, welche in Beziehung
auf die Frage, wann Schiffe für bewohnt zu halten ſind, geäußert
wurden, p) können nur nach den beſonderen Verhältniſſen des einzelnen
Falles erledigt werden.

2) Die zum Gottesdienſte beſtimmten Gebäude.

3) Diejenigen öffentlichen Gebäude, welche zum Geſchäftsbetriebe
oder zur Aufbewahrung von Sachen beſtimmt ſind. Die Ausdehnung
dieſer Vorſchrift auf Speicher, Magazine und Kaufmannsgewölbe
wurde in der vorberathenden Abtheilung des vereinigten ſtändiſchen Aus-
ſchuſſes beantragt, aber abgelehnt, weil gerade für öffentliche Gebäude

n) P. G. O. Art. 171. Item ſtelen von geweichten dingen oder ſtetten iſt
ſchwerer dann ander Diebſtall, und geſchicht inn dreierlei weiß. Zum erſten, wann
eyner etwas heyligs oder geweichts ſtielt an geweichten ſtetten. Zum andern, wann
eyner etwas geweichtes an ungeweichten ſtetten ſtielt. Zum dritten, wann eyner un-
geweichte ding an geweichten ſtetten ſtielt.
o) Vgl. oben §. 135.
p) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. IV.
S. 201.
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[418/0428] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XVIII. Diebſtahl u. Unterſchlagung. der geſetzlichen Straferhöhung nur für die Strafzumeſſung in Betracht kommen, und nicht wie im Rheiniſchen Recht zu einer neuen Qualifi- kation führen. I. Es werden aus einem zum Gottesdienſte beſtimmten Gebäude Gegenſtände geſtohlen, welche dem Gottesdienſte gewidmet ſind. Der Begriff des Kirchendiebſtahls, oder, wie man gewöhnlich ſagt, des Kirchenraubes iſt hier enger gefaßt, als nach dem gemeinen Recht und namentlich nach der Karolina; n) denn es ſind zwei Bedingungen nöthig, um die Qualifikation zu begründen: der Ort, wo die Entwendung verübt wird, und der Gegenſtand derſelben. Dagegen iſt kein Unterſchied ge- macht, ob die geſtohlene Sache eine heilige oder geweihte, ob ſie un- mittelbar oder mittelbar dem Gottesdienſt gewidmet war; o) auch kommt es darauf nicht an, ob die betreffende Religionsgeſellſchaft, um deren Gottesdienſt es ſich handelt, Korporationsrechte hat oder nicht. Inſofern iſt jedoch an frühere geſetzliche Beſtimmungen eine Annäherung erreicht, als die Gebäude, welche zum Gottesdienſte beſtimmt ſind, in Beziehung auf die in denſelben verübten Diebſtähle den bewohnten Gebäuden gleich- geſetzt ſind (§. 221. Nr. 2.). II. Der Diebſtahl wird in einem bewohnten Gebäude entweder zur Nachtzeit oder von zwei oder mehreren Perſonen begangen. a. Was unter einem bewohnten Gebäude zu verſtehen, iſt in §. 221. näher angegeben; es werden nämlich unter dieſer Bezeichnung mit begriffen: 1) Schiffe, welche bewohnt ſind. Bedenken, welche in Beziehung auf die Frage, wann Schiffe für bewohnt zu halten ſind, geäußert wurden, p) können nur nach den beſonderen Verhältniſſen des einzelnen Falles erledigt werden. 2) Die zum Gottesdienſte beſtimmten Gebäude. 3) Diejenigen öffentlichen Gebäude, welche zum Geſchäftsbetriebe oder zur Aufbewahrung von Sachen beſtimmt ſind. Die Ausdehnung dieſer Vorſchrift auf Speicher, Magazine und Kaufmannsgewölbe wurde in der vorberathenden Abtheilung des vereinigten ſtändiſchen Aus- ſchuſſes beantragt, aber abgelehnt, weil gerade für öffentliche Gebäude n) P. G. O. Art. 171. Item ſtelen von geweichten dingen oder ſtetten iſt ſchwerer dann ander Diebſtall, und geſchicht inn dreierlei weiß. Zum erſten, wann eyner etwas heyligs oder geweichts ſtielt an geweichten ſtetten. Zum andern, wann eyner etwas geweichtes an ungeweichten ſtetten ſtielt. Zum dritten, wann eyner un- geweichte ding an geweichten ſtetten ſtielt. o) Vgl. oben §. 135. p) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. IV. S. 201.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/428>, abgerufen am 29.04.2024.