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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§§. 218-224. Schwerer Diebstahl; Rückfall.
ein besonderer Schutz sich rechtfertige, welcher nur den nicht öffentlichen
zu Theil werde, wenn sie bewohnt seien. q)

4) Der zu einem bewohnten oder demselben gleichgestellten Ge-
bäude gehörige umschlossene Raum und alle darin befindlichen Gebäude
jeder Art. "Ein Raum ist umschlossen, wenn man in denselben nur
durch den Gebrauch von Schlüsseln oder durch Einbrechen oder Ein-
steigen gelangen kann" (§. 221.). -- Durch diese Bestimmung wird der
altgermanische Begriff der Wexe in der Bedeutung von Haus und Hof,
welchen auch das Rheinische Recht für den Diebstahl wieder praktisch
gemacht hat, wiederholt zur Anwendung gebracht. Der umschlossene
Raum wird hier aber in einem engeren Sinne aufgefaßt, als das be-
friedigte Besitzthum in §. 214.; denn jener Raum wird §. 221. nur
insofern unter denselben Schutz wie das bewohnte Gebäude gestellt,
wenn er dazu gehört, was nicht allein auf die Eigenschaft der juristi-
schen Zubehörung, sondern namentlich auch auf die räumliche Verbin-
dung zu beziehen ist. r) Auch die befriedigte Umgebung einer Kirche
wird in diesem Sinne zu den umschlossenen Räumen zu rechnen sein.

5) Das Gebäude ist bewohnt, wenn es überhaupt Bewohner hat;
ob diese zur Zeit des Diebstahls in demselben gerade anwesend waren,
ist für die Begründung der gesetzlichen Straferhöhung ohne Bedeutung
(§. 220.).

b. Die Nachtzeit ist hier nicht genauer bezeichnet worden; es un-
terliegt aber keinem Bedenken, die §. 28. aufgestellte Begriffsbestimmung
auch auf den vorliegenden Fall zur Anwendung zu bringen. In dieser
Allgemeinheit ist übrigens das Stehlen bei Nachtzeit früher nicht qua-
lifizirt worden, indem besonders nur das Einschleichen des Diebes her-
vorgehoben wurde; s. Entwurf von 1847. §. 270. Nr. 7.

c. Die Verübung des Diebstahls durch mehrere Theilnehmer wird
für den Fall, daß sie in einem bewohnten Gebäude stattgefunden, als
Erschwerungsgrund betrachtet, ohne daß die besonderen Voraussetzungen,
welche §. 218. Nr. 8. genannt sind, vorzuliegen brauchen.

III. Es wird in einem Gebäude oder in einem umschlossenen
Raume vermittelst Einbruchs oder Einsteigens gestohlen. Für diesen
Fall wird es nicht mehr, wie in den frühereren Entwürfen, erfordert,
daß das Gebäude ein bewohntes sei, ja nicht einmal, daß es zur Woh-
nung bestimmt ist; auch Magazine, Speicher, Scheunen u. dgl. sind also
gegen einen durch Einbruch oder Einsteigen verübten Diebstahl unter
den besonderen Schutz des Gesetzes gestellt.


q) a. a. O. S. 201.
r) Chauveau et Helie Faustin. Theorie du Code penal. IV. chap.
LX. p.
38.

§§. 218-224. Schwerer Diebſtahl; Rückfall.
ein beſonderer Schutz ſich rechtfertige, welcher nur den nicht öffentlichen
zu Theil werde, wenn ſie bewohnt ſeien. q)

4) Der zu einem bewohnten oder demſelben gleichgeſtellten Ge-
bäude gehörige umſchloſſene Raum und alle darin befindlichen Gebäude
jeder Art. „Ein Raum iſt umſchloſſen, wenn man in denſelben nur
durch den Gebrauch von Schlüſſeln oder durch Einbrechen oder Ein-
ſteigen gelangen kann“ (§. 221.). — Durch dieſe Beſtimmung wird der
altgermaniſche Begriff der Wexe in der Bedeutung von Haus und Hof,
welchen auch das Rheiniſche Recht für den Diebſtahl wieder praktiſch
gemacht hat, wiederholt zur Anwendung gebracht. Der umſchloſſene
Raum wird hier aber in einem engeren Sinne aufgefaßt, als das be-
friedigte Beſitzthum in §. 214.; denn jener Raum wird §. 221. nur
inſofern unter denſelben Schutz wie das bewohnte Gebäude geſtellt,
wenn er dazu gehört, was nicht allein auf die Eigenſchaft der juriſti-
ſchen Zubehörung, ſondern namentlich auch auf die räumliche Verbin-
dung zu beziehen iſt. r) Auch die befriedigte Umgebung einer Kirche
wird in dieſem Sinne zu den umſchloſſenen Räumen zu rechnen ſein.

5) Das Gebäude iſt bewohnt, wenn es überhaupt Bewohner hat;
ob dieſe zur Zeit des Diebſtahls in demſelben gerade anweſend waren,
iſt für die Begründung der geſetzlichen Straferhöhung ohne Bedeutung
(§. 220.).

b. Die Nachtzeit iſt hier nicht genauer bezeichnet worden; es un-
terliegt aber keinem Bedenken, die §. 28. aufgeſtellte Begriffsbeſtimmung
auch auf den vorliegenden Fall zur Anwendung zu bringen. In dieſer
Allgemeinheit iſt übrigens das Stehlen bei Nachtzeit früher nicht qua-
lifizirt worden, indem beſonders nur das Einſchleichen des Diebes her-
vorgehoben wurde; ſ. Entwurf von 1847. §. 270. Nr. 7.

c. Die Verübung des Diebſtahls durch mehrere Theilnehmer wird
für den Fall, daß ſie in einem bewohnten Gebäude ſtattgefunden, als
Erſchwerungsgrund betrachtet, ohne daß die beſonderen Vorausſetzungen,
welche §. 218. Nr. 8. genannt ſind, vorzuliegen brauchen.

III. Es wird in einem Gebäude oder in einem umſchloſſenen
Raume vermittelſt Einbruchs oder Einſteigens geſtohlen. Für dieſen
Fall wird es nicht mehr, wie in den frühereren Entwürfen, erfordert,
daß das Gebäude ein bewohntes ſei, ja nicht einmal, daß es zur Woh-
nung beſtimmt iſt; auch Magazine, Speicher, Scheunen u. dgl. ſind alſo
gegen einen durch Einbruch oder Einſteigen verübten Diebſtahl unter
den beſonderen Schutz des Geſetzes geſtellt.


q) a. a. O. S. 201.
r) Chauveau et Hélie Faustin. Théorie du Code pénal. IV. chap.
LX. p.
38.
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[419/0429] §§. 218-224. Schwerer Diebſtahl; Rückfall. ein beſonderer Schutz ſich rechtfertige, welcher nur den nicht öffentlichen zu Theil werde, wenn ſie bewohnt ſeien. q) 4) Der zu einem bewohnten oder demſelben gleichgeſtellten Ge- bäude gehörige umſchloſſene Raum und alle darin befindlichen Gebäude jeder Art. „Ein Raum iſt umſchloſſen, wenn man in denſelben nur durch den Gebrauch von Schlüſſeln oder durch Einbrechen oder Ein- ſteigen gelangen kann“ (§. 221.). — Durch dieſe Beſtimmung wird der altgermaniſche Begriff der Wexe in der Bedeutung von Haus und Hof, welchen auch das Rheiniſche Recht für den Diebſtahl wieder praktiſch gemacht hat, wiederholt zur Anwendung gebracht. Der umſchloſſene Raum wird hier aber in einem engeren Sinne aufgefaßt, als das be- friedigte Beſitzthum in §. 214.; denn jener Raum wird §. 221. nur inſofern unter denſelben Schutz wie das bewohnte Gebäude geſtellt, wenn er dazu gehört, was nicht allein auf die Eigenſchaft der juriſti- ſchen Zubehörung, ſondern namentlich auch auf die räumliche Verbin- dung zu beziehen iſt. r) Auch die befriedigte Umgebung einer Kirche wird in dieſem Sinne zu den umſchloſſenen Räumen zu rechnen ſein. 5) Das Gebäude iſt bewohnt, wenn es überhaupt Bewohner hat; ob dieſe zur Zeit des Diebſtahls in demſelben gerade anweſend waren, iſt für die Begründung der geſetzlichen Straferhöhung ohne Bedeutung (§. 220.). b. Die Nachtzeit iſt hier nicht genauer bezeichnet worden; es un- terliegt aber keinem Bedenken, die §. 28. aufgeſtellte Begriffsbeſtimmung auch auf den vorliegenden Fall zur Anwendung zu bringen. In dieſer Allgemeinheit iſt übrigens das Stehlen bei Nachtzeit früher nicht qua- lifizirt worden, indem beſonders nur das Einſchleichen des Diebes her- vorgehoben wurde; ſ. Entwurf von 1847. §. 270. Nr. 7. c. Die Verübung des Diebſtahls durch mehrere Theilnehmer wird für den Fall, daß ſie in einem bewohnten Gebäude ſtattgefunden, als Erſchwerungsgrund betrachtet, ohne daß die beſonderen Vorausſetzungen, welche §. 218. Nr. 8. genannt ſind, vorzuliegen brauchen. III. Es wird in einem Gebäude oder in einem umſchloſſenen Raume vermittelſt Einbruchs oder Einſteigens geſtohlen. Für dieſen Fall wird es nicht mehr, wie in den frühereren Entwürfen, erfordert, daß das Gebäude ein bewohntes ſei, ja nicht einmal, daß es zur Woh- nung beſtimmt iſt; auch Magazine, Speicher, Scheunen u. dgl. ſind alſo gegen einen durch Einbruch oder Einſteigen verübten Diebſtahl unter den beſonderen Schutz des Geſetzes geſtellt. q) a. a. O. S. 201. r) Chauveau et Hélie Faustin. Théorie du Code pénal. IV. chap. LX. p. 38.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/429>, abgerufen am 16.05.2024.