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Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652.

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Ich singe deinen Schmertz. Ach wär er nicht zu singen?
Möcht ich/ O Ferdinand/ für Trauerreimen bringen
ein frohes Myrtenspiel. Zypressen sind verhasst
dort in dem Lorbeerwald/ der deinen Ruhm gefasst
und an die Wolken wächst. Doch wer kan wider Sterben/
das mit der ersten Schuld auf alle Menschen erben/
"und alles morden muß. Der Todt lädt sich zu Gast
"bald in des armen Haus/ bald auch in dem Palast.
"das Haus der Sterblichkeit muß einmal widergeben
"den lang bewirten Gast. Die Seel/ des Leibes Leben/
"gesegnet jhren Wirr/ wann jhr der Himmel rufft.
"sie wandert Himmel an; der Körper in die Kluft.
So hat auch eine Seel/ die deine Seel gewesen/
O Käiser fortgemust. Die jetzt des Sohns genesen/
gebar jhr selbst den Tod. Sie hat der Welt gekehrt
den Rücken/ die die Welt so herrlich hat gemehrt.
O theurerworbnes Gut! Gott hat uns nur gewiesen
Die ädle Käiserin/ die auch der Neid gepriesen.
Gott wies uns nur das Liecht und nam es wider hin,
Der Abend kam zu frü/ zu langsam der Beginn.
Die Tugend hat jhr Haus an dieser Seel verloren/
Der Armutstand vermisst forthin Erbarmugsohren/
die Gottesforcht jhr Bild/ die Hoheit jhren Blitz/
die Schönheit jhren Glantz/ die Keuschheit jhren Sitz.
Doch/ warüm schreib ich diß? Ich reisse nur die Schmertzen
in deinem Hertzen auf/ und die Verlangenskertzen
entbrennen desto mehr/ je mehr ich bin bemüht/
daß man jhr hohes Lob in nidern Reimen siht.
die Welt weiß jhren Geist. Kein Ertz ist hie von nöten/
kein Marmor/ kein Porphyr/ kein Griffel der Poeten/
kein Pinsel/ keine Kunst. Ihr ewiges Gerücht
wird/ weil sein Bau noch steht/ diß Rund vergessen nicht.
Zwar ist sie wol vertheilt. Die Seele lebet sicher;
den Leib verwahrt die Grufft; die Tugend füllt die Bücher
des Lebens: wann einmal die werden aufgethan/
wird jhre Trefflichkeit erkennen jederman.
Der
Ich ſinge deinen Schmertz. Ach waͤr er nicht zu ſingen?
Moͤcht ich/ O Ferdinand/ fuͤr Trauerreimen bringen
ein frohes Myrtenſpiel. Zypreſſen ſind verhaſſt
dort in dem Lorbeerwald/ der deinen Ruhm gefaſſt
und an die Wolken waͤchſt. Doch wer kan wider Sterben/
das mit der erſten Schuld auf alle Menſchen erben/
„und alles morden muß. Der Todt laͤdt ſich zu Gaſt
„bald in des armen Haus/ bald auch in dem Palaſt.
„das Haus der Sterblichkeit muß einmal widergeben
„den lang bewirten Gaſt. Die Seel/ des Leibes Leben/
„geſegnet jhren Wirr/ wann jhr der Himmel rufft.
„ſie wandert Himmel an; der Koͤrper in die Kluft.
So hat auch eine Seel/ die deine Seel geweſen/
O Kaͤiſer fortgemuſt. Die jetzt des Sohns geneſen/
gebar jhr ſelbſt den Tod. Sie hat der Welt gekehrt
den Ruͤcken/ die die Welt ſo herrlich hat gemehrt.
O theurerworbnes Gut! Gott hat uns nur gewieſen
Die aͤdle Kaͤiſerin/ die auch der Neid geprieſen.
Gott wieſ uns nur das Liecht und nam es wider hin,
Der Abend kam zu fruͤ/ zu langſam der Beginn.
Die Tugend hat jhr Haus an dieſer Seel verloren/
Der Armutſtand vermiſſt forthin Erbarmugsohren/
die Gottesforcht jhr Bild/ die Hoheit jhren Blitz/
die Schoͤnheit jhren Glantz/ die Keuſchheit jhren Sitz.
Doch/ waruͤm ſchreib ich diß? Ich reiſſe nur die Schmertzen
in deinem Hertzen auf/ und die Verlangenskertzen
entbrennen deſto mehr/ je mehr ich bin bemuͤht/
daß man jhr hohes Lob in nidern Reimen ſiht.
die Welt weiß jhren Geiſt. Kein Ertz iſt hie von noͤten/
kein Marmor/ kein Porphyr/ kein Griffel der Poeten/
kein Pinſel/ keine Kunſt. Ihr ewiges Geruͤcht
wird/ weil ſein Bau noch ſteht/ diß Rund vergeſſen nicht.
Zwar iſt ſie wol vertheilt. Die Seele lebet ſicher;
den Leib verwahrt die Grufft; die Tugend fuͤllt die Buͤcher
des Lebens: wann einmal die werden aufgethan/
wird jhre Trefflichkeit erkennen jederman.
Der
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[36/0086] Ich ſinge deinen Schmertz. Ach waͤr er nicht zu ſingen? Moͤcht ich/ O Ferdinand/ fuͤr Trauerreimen bringen ein frohes Myrtenſpiel. Zypreſſen ſind verhaſſt dort in dem Lorbeerwald/ der deinen Ruhm gefaſſt und an die Wolken waͤchſt. Doch wer kan wider Sterben/ das mit der erſten Schuld auf alle Menſchen erben/ „und alles morden muß. Der Todt laͤdt ſich zu Gaſt „bald in des armen Haus/ bald auch in dem Palaſt. „das Haus der Sterblichkeit muß einmal widergeben „den lang bewirten Gaſt. Die Seel/ des Leibes Leben/ „geſegnet jhren Wirr/ wann jhr der Himmel rufft. „ſie wandert Himmel an; der Koͤrper in die Kluft. So hat auch eine Seel/ die deine Seel geweſen/ O Kaͤiſer fortgemuſt. Die jetzt des Sohns geneſen/ gebar jhr ſelbſt den Tod. Sie hat der Welt gekehrt den Ruͤcken/ die die Welt ſo herrlich hat gemehrt. O theurerworbnes Gut! Gott hat uns nur gewieſen Die aͤdle Kaͤiſerin/ die auch der Neid geprieſen. Gott wieſ uns nur das Liecht und nam es wider hin, Der Abend kam zu fruͤ/ zu langſam der Beginn. Die Tugend hat jhr Haus an dieſer Seel verloren/ Der Armutſtand vermiſſt forthin Erbarmugsohren/ die Gottesforcht jhr Bild/ die Hoheit jhren Blitz/ die Schoͤnheit jhren Glantz/ die Keuſchheit jhren Sitz. Doch/ waruͤm ſchreib ich diß? Ich reiſſe nur die Schmertzen in deinem Hertzen auf/ und die Verlangenskertzen entbrennen deſto mehr/ je mehr ich bin bemuͤht/ daß man jhr hohes Lob in nidern Reimen ſiht. die Welt weiß jhren Geiſt. Kein Ertz iſt hie von noͤten/ kein Marmor/ kein Porphyr/ kein Griffel der Poeten/ kein Pinſel/ keine Kunſt. Ihr ewiges Geruͤcht wird/ weil ſein Bau noch ſteht/ diß Rund vergeſſen nicht. Zwar iſt ſie wol vertheilt. Die Seele lebet ſicher; den Leib verwahrt die Grufft; die Tugend fuͤllt die Buͤcher des Lebens: wann einmal die werden aufgethan/ wird jhre Trefflichkeit erkennen jederman. Der

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Zitationshilfe: Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652/86>, abgerufen am 26.04.2024.