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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774.

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ruhige Landsitze, wo sonst glückliche Städ-
te standen?

Jch verliere mich in einer traurigen
Aussicht; alles ist finster um mich. Leuch-
te du meinem irrenden Geiste wieder,
himmlische Weisheit, die du dein Licht
noch nie dem Flehn eines gleitenden Sterb-
lichen versagt hast!

Jch bin wieder an der Stelle, von wel-
cher ich ausgieng. Diese Welt sey immer
der Schauplatz des Unglücks, der Schau-
platz blutiger Scenen; die sterbliche Natur
sey immer einer dauernden Glückseligkeit
unempfänglich! Jst nichr ein Etwas in mir,
ein Etwas das mich über mich selbst erhöht?
Jst's nicht das innige Gefühl, der stolze Ge-
danke: Jch bin für etwas mehr, als für die
Urnen erschaffen; ist ders nicht? Jsts nicht
die heisse Begierde, der unersättliche Durst
nach Vollkommenheit, der mich unüber-

(I. Theil.) H

ruhige Landſitze, wo ſonſt glückliche Städ-
te ſtanden?

Jch verliere mich in einer traurigen
Ausſicht; alles iſt finſter um mich. Leuch-
te du meinem irrenden Geiſte wieder,
himmliſche Weisheit, die du dein Licht
noch nie dem Flehn eines gleitenden Sterb-
lichen verſagt haſt!

Jch bin wieder an der Stelle, von wel-
cher ich ausgieng. Dieſe Welt ſey immer
der Schauplatz des Unglücks, der Schau-
platz blutiger Scenen; die ſterbliche Natur
ſey immer einer dauernden Glückſeligkeit
unempfänglich! Jſt nichr ein Etwas in mir,
ein Etwas das mich über mich ſelbſt erhöht?
Jſt’s nicht das innige Gefühl, der ſtolze Ge-
danke: Jch bin für etwas mehr, als für die
Urnen erſchaffen; iſt ders nicht? Jſts nicht
die heiſse Begierde, der unerſättliche Durſt
nach Vollkommenheit, der mich unüber-

(I. Theil.) H
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[111/0119] ruhige Landſitze, wo ſonſt glückliche Städ- te ſtanden? Jch verliere mich in einer traurigen Ausſicht; alles iſt finſter um mich. Leuch- te du meinem irrenden Geiſte wieder, himmliſche Weisheit, die du dein Licht noch nie dem Flehn eines gleitenden Sterb- lichen verſagt haſt! Jch bin wieder an der Stelle, von wel- cher ich ausgieng. Dieſe Welt ſey immer der Schauplatz des Unglücks, der Schau- platz blutiger Scenen; die ſterbliche Natur ſey immer einer dauernden Glückſeligkeit unempfänglich! Jſt nichr ein Etwas in mir, ein Etwas das mich über mich ſelbſt erhöht? Jſt’s nicht das innige Gefühl, der ſtolze Ge- danke: Jch bin für etwas mehr, als für die Urnen erſchaffen; iſt ders nicht? Jſts nicht die heiſse Begierde, der unerſättliche Durſt nach Vollkommenheit, der mich unüber- (I. Theil.) H

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Zitationshilfe: Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/119>, abgerufen am 28.04.2024.