sich nicht hinein zwingen lässt wird ver- dächtig gemacht, wird für überflüssig ge- halten, wird weggeschnitten. Wenn die grossen Männer der Vorwelt aufstehn, wenn sie ihre Geschichtschreiber lesen sollten, würden sie es oft auch nur vermuthen kön- nen, dass von ihnen die Rede sey; würden sie nicht oft bey Erblickung ihres Namens erstaunen und die Unverschämtheit eines Menschen bewundern, der ganze Jahrhun- derte nach ihnen in ihren Herzen lesen will, was ihre vertrautesten Freunde nicht darin lesen sollten und was oft in der That auch nicht darin befindlich war? Es ist wahr, würden sie sagen; man hätte den Leser nicht besser unterhalten, man hätte nicht reizender erzählen, man hätte uns nicht angenehmer belügen können. Mit dem allen aber ist die Welt doch betrogen und wir würden uns einer löblichen Polizey
ſich nicht hinein zwingen läſst wird ver- dächtig gemacht, wird für überflüſsig ge- halten, wird weggeſchnitten. Wenn die groſsen Männer der Vorwelt aufſtehn, wenn ſie ihre Geſchichtſchreiber leſen ſollten, würden ſie es oft auch nur vermuthen kön- nen, daſs von ihnen die Rede ſey; würden ſie nicht oft bey Erblickung ihres Namens erſtaunen und die Unverſchämtheit eines Menſchen bewundern, der ganze Jahrhun- derte nach ihnen in ihren Herzen leſen will, was ihre vertrauteſten Freunde nicht darin leſen ſollten und was oft in der That auch nicht darin befindlich war? Es iſt wahr, würden ſie ſagen; man hätte den Leſer nicht beſſer unterhalten, man hätte nicht reizender erzählen, man hätte uns nicht angenehmer belügen können. Mit dem allen aber iſt die Welt doch betrogen und wir würden uns einer löblichen Polizey
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ſich nicht hinein zwingen läſst wird ver-
dächtig gemacht, wird für überflüſsig ge-
halten, wird weggeſchnitten. Wenn die
groſsen Männer der Vorwelt aufſtehn, wenn
ſie ihre Geſchichtſchreiber leſen ſollten,
würden ſie es oft auch nur vermuthen kön-
nen, daſs von ihnen die Rede ſey; würden
ſie nicht oft bey Erblickung ihres Namens
erſtaunen und die Unverſchämtheit eines
Menſchen bewundern, der ganze Jahrhun-
derte nach ihnen in ihren Herzen leſen will,
was ihre vertrauteſten Freunde nicht darin
leſen ſollten und was oft in der That auch
nicht darin befindlich war? Es iſt wahr,
würden ſie ſagen; man hätte den Leſer
nicht beſſer unterhalten, man hätte nicht
reizender erzählen, man hätte uns nicht
angenehmer belügen können. Mit dem
allen aber iſt die Welt doch betrogen und
wir würden uns einer löblichen Polizey
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 1. Berlin, 1774, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge01_1774/217>, abgerufen am 05.05.2024.
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