hutsamkeit vorgetragen werden, und man hat auch gegenseitig nicht unrecht, den Freunden derselben eine kleine Theologi- sche Klugheit anzuempfehlen. Zwischen einem in Lastern zugebrachten Leben von siebenzig bis achtzig Iahren, welches ohne- hin schon über die Gränzen unsers gewöhn- lichen Lebens hinausreicht, und einer Be- strafung von endloser Dauer, scheinet so manchem, der darüber nachgedacht hat und noch nachdenkt, kein Verhältniß statt zu finden. Auch der Sünder hat die Ver- sichrung für sich, dass ihm seine guten Handlungen, sie mögen noch so klein seyn; nicht ganz unvergolten bleiben sollen. Ei- nem in guter Absicht gegebenen Wasser- trunke ist seine Belohnung verheißen. Nun ist auch der größte Bösewicht nicht ohne moralische Güte. Dieß vermindert wenigstens den Grad der Verdamniß, wenn
hutſamkeit vorgetragen werden, und man hat auch gegenſeitig nicht unrecht, den Freunden derſelben eine kleine Theologi- ſche Klugheit anzuempfehlen. Zwiſchen einem in Laſtern zugebrachten Leben von ſiebenzig bis achtzig Iahren, welches ohne- hin ſchon über die Gränzen unſers gewöhn- lichen Lebens hinausreicht, und einer Be- ſtrafung von endloſer Dauer, ſcheinet ſo manchem, der darüber nachgedacht hat und noch nachdenkt, kein Verhältniß ſtatt zu finden. Auch der Sünder hat die Ver- ſichrung für ſich, daſs ihm ſeine guten Handlungen, ſie mögen noch ſo klein ſeyn; nicht ganz unvergolten bleiben ſollen. Ei- nem in guter Abſicht gegebenen Waſſer- trunke iſt ſeine Belohnung verheißen. Nun iſt auch der größte Böſewicht nicht ohne moraliſche Güte. Dieß vermindert wenigſtens den Grad der Verdamniß, wenn
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0162"n="156"/>
hutſamkeit vorgetragen werden, und man<lb/>
hat auch gegenſeitig nicht unrecht, den<lb/>
Freunden derſelben eine kleine Theologi-<lb/>ſche Klugheit anzuempfehlen. Zwiſchen<lb/>
einem in Laſtern zugebrachten Leben von<lb/>ſiebenzig bis achtzig Iahren, welches ohne-<lb/>
hin ſchon über die Gränzen unſers gewöhn-<lb/>
lichen Lebens hinausreicht, und einer Be-<lb/>ſtrafung von endloſer Dauer, ſcheinet ſo<lb/>
manchem, der darüber nachgedacht hat<lb/>
und noch nachdenkt, kein Verhältniß ſtatt<lb/>
zu finden. Auch der Sünder hat die Ver-<lb/>ſichrung für ſich, daſs ihm ſeine guten<lb/>
Handlungen, ſie mögen noch ſo klein ſeyn;<lb/>
nicht ganz unvergolten bleiben ſollen. Ei-<lb/>
nem in guter Abſicht gegebenen Waſſer-<lb/>
trunke iſt ſeine Belohnung verheißen.<lb/>
Nun iſt auch der größte Böſewicht nicht<lb/>
ohne moraliſche Güte. Dieß vermindert<lb/>
wenigſtens den Grad der Verdamniß, wenn<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[156/0162]
hutſamkeit vorgetragen werden, und man
hat auch gegenſeitig nicht unrecht, den
Freunden derſelben eine kleine Theologi-
ſche Klugheit anzuempfehlen. Zwiſchen
einem in Laſtern zugebrachten Leben von
ſiebenzig bis achtzig Iahren, welches ohne-
hin ſchon über die Gränzen unſers gewöhn-
lichen Lebens hinausreicht, und einer Be-
ſtrafung von endloſer Dauer, ſcheinet ſo
manchem, der darüber nachgedacht hat
und noch nachdenkt, kein Verhältniß ſtatt
zu finden. Auch der Sünder hat die Ver-
ſichrung für ſich, daſs ihm ſeine guten
Handlungen, ſie mögen noch ſo klein ſeyn;
nicht ganz unvergolten bleiben ſollen. Ei-
nem in guter Abſicht gegebenen Waſſer-
trunke iſt ſeine Belohnung verheißen.
Nun iſt auch der größte Böſewicht nicht
ohne moraliſche Güte. Dieß vermindert
wenigſtens den Grad der Verdamniß, wenn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/162>, abgerufen am 14.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.