blicke kommen, wo ich Wahrheit verken- nen, wo ich Irrthum ergreiffen, wo ich das Schöne geschmacklos, das Gute unaus- führlich finden werde. --
Wohlan denn! Ich will mich an Gott vergnügen. Die Religion sey der Nerve meines irdischen Wandels! Das wird mich recht froh, das wird mich einer ununter- brochenen Ruhe theilhaftig machen. Ja, gewiß! Aber nicht hier, in der Kindheit, in dem hülflosen Zeitraume meiner Exi- stenz. Es bedarf oft eines anhaltenden be- schwerlichen Kampfs, einer schmerzhaften wiederhohlten Verleugnung seiner selbst, ehe man zu dem Grade des Wohlbefindens hinauf steigt, den die einfältige Recht- schaffenheit giebt. Und dann hat man doch die sichre Höhe nicht erreicht; man ist ihr nur näher gekommen. Das war
blicke kommen, wo ich Wahrheit verken- nen, wo ich Irrthum ergreiffen, wo ich das Schöne geſchmacklos, das Gute unaus- führlich finden werde. —
Wohlan denn! Ich will mich an Gott vergnügen. Die Religion ſey der Nerve meines irdiſchen Wandels! Das wird mich recht froh, das wird mich einer ununter- brochenen Ruhe theilhaftig machen. Ja, gewiß! Aber nicht hier, in der Kindheit, in dem hülfloſen Zeitraume meiner Exi- ſtenz. Es bedarf oft eines anhaltenden be- ſchwerlichen Kampfs, einer ſchmerzhaften wiederhohlten Verleugnung ſeiner ſelbſt, ehe man zu dem Grade des Wohlbefindens hinauf ſteigt, den die einfältige Recht- ſchaffenheit giebt. Und dann hat man doch die ſichre Höhe nicht erreicht; man iſt ihr nur näher gekommen. Das war
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blicke kommen, wo ich Wahrheit verken-
nen, wo ich Irrthum ergreiffen, wo ich
das Schöne geſchmacklos, das Gute unaus-
führlich finden werde. —
Wohlan denn! Ich will mich an Gott
vergnügen. Die Religion ſey der Nerve
meines irdiſchen Wandels! Das wird mich
recht froh, das wird mich einer ununter-
brochenen Ruhe theilhaftig machen. Ja,
gewiß! Aber nicht hier, in der Kindheit,
in dem hülfloſen Zeitraume meiner Exi-
ſtenz. Es bedarf oft eines anhaltenden be-
ſchwerlichen Kampfs, einer ſchmerzhaften
wiederhohlten Verleugnung ſeiner ſelbſt,
ehe man zu dem Grade des Wohlbefindens
hinauf ſteigt, den die einfältige Recht-
ſchaffenheit giebt. Und dann hat man
doch die ſichre Höhe nicht erreicht; man
iſt ihr nur näher gekommen. Das war
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Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blum_spatziergaenge02_1775/85>, abgerufen am 14.05.2024.
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