Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

"Hieraus erhellt auch der Unterschied zwischen
"Stimme (vox) und Sprache (loquela). Blos
"dem Menschen können wir Sprache, oder die
"Stimme der Vernunft, den Thieren nichts als die
"Stimme der Affekten zuschreiben. Der Geist des
"Menschen, wenn er im Verlauf der Zeit seine Ver-
"nunft entwickelt, strebt mit den Ideen Töne zu
"verbinden. Kinder belegen im zartesten Alter Per-
"sonen, die ihnen lieb sind, mit Namen, aber nie
"noch hat dieses ein Thier gethan, obschon es seinen
"Herrn, und andere die zum Hause gehören, sehr
"gut kennt. Alles was alte Reisebeschreiber von
"von den Sprachen gewisser entfernter Völker, wel-
"che blos unartikulirte Töne hervorbringen sollen,
"gesagt haben, verdient keine Aufmerksamkeit. Es
"ist nur zu gewiß, daß die wildesten Völker, die
"Kalifornier, die Anwohner des Kap und andere,
"eine besondere Mundart und eine Menge von Wör-
"tern haben, dahingegen die Thiere, sie mögen nun
"dem Menschen im Körperbau ähneln, wie der
"Orangutang, oder, um mit Plinius von dem Ele-
"phanten zu sprechen, ihm in Ansehung der Sinne
"nahe kommen, keine Sprache haben, und nur
"wenige sehr gleichlautende Töne ausstoßen. Daß
"die Sprache blos ein Werk der Vernunft sey, er-
"hellt schon daraus, weil die übrigen Thiere, wenn
"sie auch dieselben Stimmorgane haben wie der
"Mensch, doch gänzlich derselben ermangeln."

S. 1. Ausg. S. 20. bis 22. 2. Ausg. S. 25. fgg.

Hierauf fügt der Herr Verfasser in einer Note
noch die Bemerkung bey, daß er an den Affen das

Zäpfgen

„Hieraus erhellt auch der Unterſchied zwiſchen
„Stimme (vox) und Sprache (loquela). Blos
„dem Menſchen koͤnnen wir Sprache, oder die
„Stimme der Vernunft, den Thieren nichts als die
„Stimme der Affekten zuſchreiben. Der Geiſt des
„Menſchen, wenn er im Verlauf der Zeit ſeine Ver-
„nunft entwickelt, ſtrebt mit den Ideen Toͤne zu
„verbinden. Kinder belegen im zarteſten Alter Per-
„ſonen, die ihnen lieb ſind, mit Namen, aber nie
„noch hat dieſes ein Thier gethan, obſchon es ſeinen
„Herrn, und andere die zum Hauſe gehoͤren, ſehr
„gut kennt. Alles was alte Reiſebeſchreiber von
„von den Sprachen gewiſſer entfernter Voͤlker, wel-
„che blos unartikulirte Toͤne hervorbringen ſollen,
„geſagt haben, verdient keine Aufmerkſamkeit. Es
„iſt nur zu gewiß, daß die wildeſten Voͤlker, die
„Kalifornier, die Anwohner des Kap und andere,
„eine beſondere Mundart und eine Menge von Woͤr-
„tern haben, dahingegen die Thiere, ſie moͤgen nun
„dem Menſchen im Koͤrperbau aͤhneln, wie der
„Orangutang, oder, um mit Plinius von dem Ele-
„phanten zu ſprechen, ihm in Anſehung der Sinne
„nahe kommen, keine Sprache haben, und nur
„wenige ſehr gleichlautende Toͤne ausſtoßen. Daß
„die Sprache blos ein Werk der Vernunft ſey, er-
„hellt ſchon daraus, weil die uͤbrigen Thiere, wenn
„ſie auch dieſelben Stimmorgane haben wie der
„Menſch, doch gaͤnzlich derſelben ermangeln.“

S. 1. Ausg. S. 20. bis 22. 2. Ausg. S. 25. fgg.

Hierauf fuͤgt der Herr Verfaſſer in einer Note
noch die Bemerkung bey, daß er an den Affen das

Zaͤpfgen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0290" n="256"/>
            <p>&#x201E;Hieraus erhellt auch der Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen<lb/>
&#x201E;Stimme (<hi rendition="#aq">vox</hi>) und Sprache (<hi rendition="#aq">loquela</hi>). Blos<lb/>
&#x201E;dem Men&#x017F;chen ko&#x0364;nnen wir Sprache, oder die<lb/>
&#x201E;Stimme der Vernunft, den Thieren nichts als die<lb/>
&#x201E;Stimme der Affekten zu&#x017F;chreiben. Der Gei&#x017F;t des<lb/>
&#x201E;Men&#x017F;chen, wenn er im Verlauf der Zeit &#x017F;eine Ver-<lb/>
&#x201E;nunft entwickelt, &#x017F;trebt mit den Ideen To&#x0364;ne zu<lb/>
&#x201E;verbinden. Kinder belegen im zarte&#x017F;ten Alter Per-<lb/>
&#x201E;&#x017F;onen, die ihnen lieb &#x017F;ind, mit Namen, aber nie<lb/>
&#x201E;noch hat die&#x017F;es ein Thier gethan, ob&#x017F;chon es &#x017F;einen<lb/>
&#x201E;Herrn, und andere die zum Hau&#x017F;e geho&#x0364;ren, &#x017F;ehr<lb/>
&#x201E;gut kennt. Alles was alte Rei&#x017F;ebe&#x017F;chreiber von<lb/>
&#x201E;von den Sprachen gewi&#x017F;&#x017F;er entfernter Vo&#x0364;lker, wel-<lb/>
&#x201E;che blos unartikulirte To&#x0364;ne hervorbringen &#x017F;ollen,<lb/>
&#x201E;ge&#x017F;agt haben, verdient keine Aufmerk&#x017F;amkeit. Es<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t nur zu gewiß, daß die wilde&#x017F;ten Vo&#x0364;lker, die<lb/>
&#x201E;Kalifornier, die Anwohner des Kap und andere,<lb/>
&#x201E;eine be&#x017F;ondere Mundart und eine Menge von Wo&#x0364;r-<lb/>
&#x201E;tern haben, dahingegen die Thiere, &#x017F;ie mo&#x0364;gen nun<lb/>
&#x201E;dem Men&#x017F;chen im Ko&#x0364;rperbau a&#x0364;hneln, wie der<lb/>
&#x201E;Orangutang, oder, um mit Plinius von dem Ele-<lb/>
&#x201E;phanten zu &#x017F;prechen, ihm in An&#x017F;ehung der Sinne<lb/>
&#x201E;nahe kommen, keine Sprache haben, und nur<lb/>
&#x201E;wenige &#x017F;ehr gleichlautende To&#x0364;ne aus&#x017F;toßen. Daß<lb/>
&#x201E;die Sprache blos ein Werk der Vernunft &#x017F;ey, er-<lb/>
&#x201E;hellt &#x017F;chon daraus, weil die u&#x0364;brigen Thiere, wenn<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie auch die&#x017F;elben Stimmorgane haben wie der<lb/>
&#x201E;Men&#x017F;ch, doch ga&#x0364;nzlich der&#x017F;elben ermangeln.&#x201C;</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#et">S. 1. Ausg. S. 20. bis 22. 2. Ausg. S. 25. fgg.</hi> </p><lb/>
            <p>Hierauf fu&#x0364;gt der Herr Verfa&#x017F;&#x017F;er in einer Note<lb/>
noch die Bemerkung bey, daß er an den Affen das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Za&#x0364;pfgen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0290] „Hieraus erhellt auch der Unterſchied zwiſchen „Stimme (vox) und Sprache (loquela). Blos „dem Menſchen koͤnnen wir Sprache, oder die „Stimme der Vernunft, den Thieren nichts als die „Stimme der Affekten zuſchreiben. Der Geiſt des „Menſchen, wenn er im Verlauf der Zeit ſeine Ver- „nunft entwickelt, ſtrebt mit den Ideen Toͤne zu „verbinden. Kinder belegen im zarteſten Alter Per- „ſonen, die ihnen lieb ſind, mit Namen, aber nie „noch hat dieſes ein Thier gethan, obſchon es ſeinen „Herrn, und andere die zum Hauſe gehoͤren, ſehr „gut kennt. Alles was alte Reiſebeſchreiber von „von den Sprachen gewiſſer entfernter Voͤlker, wel- „che blos unartikulirte Toͤne hervorbringen ſollen, „geſagt haben, verdient keine Aufmerkſamkeit. Es „iſt nur zu gewiß, daß die wildeſten Voͤlker, die „Kalifornier, die Anwohner des Kap und andere, „eine beſondere Mundart und eine Menge von Woͤr- „tern haben, dahingegen die Thiere, ſie moͤgen nun „dem Menſchen im Koͤrperbau aͤhneln, wie der „Orangutang, oder, um mit Plinius von dem Ele- „phanten zu ſprechen, ihm in Anſehung der Sinne „nahe kommen, keine Sprache haben, und nur „wenige ſehr gleichlautende Toͤne ausſtoßen. Daß „die Sprache blos ein Werk der Vernunft ſey, er- „hellt ſchon daraus, weil die uͤbrigen Thiere, wenn „ſie auch dieſelben Stimmorgane haben wie der „Menſch, doch gaͤnzlich derſelben ermangeln.“ S. 1. Ausg. S. 20. bis 22. 2. Ausg. S. 25. fgg. Hierauf fuͤgt der Herr Verfaſſer in einer Note noch die Bemerkung bey, daß er an den Affen das Zaͤpfgen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

"Über die natürlichen Verschiedenheiten im Mensch… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/290
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlechte. Leipzig, 1798, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_menschengeschlecht_1798/290>, abgerufen am 26.04.2024.