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Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779.

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geworfne ist. Die Zahl der Enden an den Hirsch-
geweihen richtet sich nicht genau nach dem Alter
des Thiers. Im vierten Jahre ist es sechsendigt,
und nach dem achten Jahre ist die Anzahl der En-
den unbestimmt. Die grösten Geweihe sind von
64 Enden. Was man vom erstaunlich hohen Al-
ter der Hirsche sagt, ist Fabel; er wird ungefähr
30 Jahre oder etwas drüber alt. Die Brunstzeit
dieses Thiers ist im September, und dauert wohl
sechs Wochen lang. Das Männchen spürt sei-
nen Weibgen, mit vorhängendem Kopfe, wie ein
Hund nach, und weis genau die Stellen wieder
zu finden, wo es in vorigen Jahren die Freuden
der Liebe genossen hat. Treffen sich mehrere bey
einer Geliebten, so entstehen blutige Gefechte, wo-
bey sie zuweilen einander spiessen, oder sich so fest
mit den Geweihen in einander versperren, daß sie
nicht wieder von einander können, sondern auf
dem Wahlplatz verhungern müssen. Sie lassen
sich doch zähmen, und wurden von spätern Römi-
schen Kaisern zum Zug gebraucht. Zum reiten
taugen sie hingegen gar nicht, sie werden scheu
und unbändig, und es war ehedem die unmensch-
liche Strafe für Wilddiebe, daß sie auf Hirsche
geschmiedet, und so bey der Flucht dieser scheuen
Thiere im Gehölze allmählig in Stücke zerrissen
wurden.

6. +. Capreolus. Das Reh. C. cornibus ra-
mosis, teretibus, erectis, summitate bifida
. *

Das Reh ist in Europa und Asien zu Hause,
hat in der Bildung viel vom Hirsch, nur ist es
kleiner, lebt doch eben so in Wäldern, zieht auch
truppweise, ist eben so munter und flink, und läßt
sich doch noch leichter zähmen. Der Rehbock wirft
sein Geweihe, das oft ganz sonderbar und mon-
streus gebildet ist, nicht wie der Hirsch im Hor-

geworfne ist. Die Zahl der Enden an den Hirsch-
geweihen richtet sich nicht genau nach dem Alter
des Thiers. Im vierten Jahre ist es sechsendigt,
und nach dem achten Jahre ist die Anzahl der En-
den unbestimmt. Die grösten Geweihe sind von
64 Enden. Was man vom erstaunlich hohen Al-
ter der Hirsche sagt, ist Fabel; er wird ungefähr
30 Jahre oder etwas drüber alt. Die Brunstzeit
dieses Thiers ist im September, und dauert wohl
sechs Wochen lang. Das Männchen spürt sei-
nen Weibgen, mit vorhängendem Kopfe, wie ein
Hund nach, und weis genau die Stellen wieder
zu finden, wo es in vorigen Jahren die Freuden
der Liebe genossen hat. Treffen sich mehrere bey
einer Geliebten, so entstehen blutige Gefechte, wo-
bey sie zuweilen einander spiessen, oder sich so fest
mit den Geweihen in einander versperren, daß sie
nicht wieder von einander können, sondern auf
dem Wahlplatz verhungern müssen. Sie lassen
sich doch zähmen, und wurden von spätern Römi-
schen Kaisern zum Zug gebraucht. Zum reiten
taugen sie hingegen gar nicht, sie werden scheu
und unbändig, und es war ehedem die unmensch-
liche Strafe für Wilddiebe, daß sie auf Hirsche
geschmiedet, und so bey der Flucht dieser scheuen
Thiere im Gehölze allmählig in Stücke zerrissen
wurden.

6. †. Capreolus. Das Reh. C. cornibus ra-
mosis, teretibus, erectis, summitate bifida
. *

Das Reh ist in Europa und Asien zu Hause,
hat in der Bildung viel vom Hirsch, nur ist es
kleiner, lebt doch eben so in Wäldern, zieht auch
truppweise, ist eben so munter und flink, und läßt
sich doch noch leichter zähmen. Der Rehbock wirft
sein Geweihe, das oft ganz sonderbar und mon-
streus gebildet ist, nicht wie der Hirsch im Hor-

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[125/0147] geworfne ist. Die Zahl der Enden an den Hirsch- geweihen richtet sich nicht genau nach dem Alter des Thiers. Im vierten Jahre ist es sechsendigt, und nach dem achten Jahre ist die Anzahl der En- den unbestimmt. Die grösten Geweihe sind von 64 Enden. Was man vom erstaunlich hohen Al- ter der Hirsche sagt, ist Fabel; er wird ungefähr 30 Jahre oder etwas drüber alt. Die Brunstzeit dieses Thiers ist im September, und dauert wohl sechs Wochen lang. Das Männchen spürt sei- nen Weibgen, mit vorhängendem Kopfe, wie ein Hund nach, und weis genau die Stellen wieder zu finden, wo es in vorigen Jahren die Freuden der Liebe genossen hat. Treffen sich mehrere bey einer Geliebten, so entstehen blutige Gefechte, wo- bey sie zuweilen einander spiessen, oder sich so fest mit den Geweihen in einander versperren, daß sie nicht wieder von einander können, sondern auf dem Wahlplatz verhungern müssen. Sie lassen sich doch zähmen, und wurden von spätern Römi- schen Kaisern zum Zug gebraucht. Zum reiten taugen sie hingegen gar nicht, sie werden scheu und unbändig, und es war ehedem die unmensch- liche Strafe für Wilddiebe, daß sie auf Hirsche geschmiedet, und so bey der Flucht dieser scheuen Thiere im Gehölze allmählig in Stücke zerrissen wurden. 6. †. Capreolus. Das Reh. C. cornibus ra- mosis, teretibus, erectis, summitate bifida. * Das Reh ist in Europa und Asien zu Hause, hat in der Bildung viel vom Hirsch, nur ist es kleiner, lebt doch eben so in Wäldern, zieht auch truppweise, ist eben so munter und flink, und läßt sich doch noch leichter zähmen. Der Rehbock wirft sein Geweihe, das oft ganz sonderbar und mon- streus gebildet ist, nicht wie der Hirsch im Hor-

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Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Handbuch der Naturgeschichte. Bd. 1. Göttingen, 1779, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_naturgeschichte_1779/147>, abgerufen am 28.04.2024.