Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). 2. Aufl. Wien, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Man muß aber eingestehen, daß die meisten
Gründe, welche diese Nebeneinsaugung des Spei-
sesaftes in das Blut erweisen sollen, nicht Stich
halten; denn Ruysch'ens Behauptung, daß die
Gekrösdrüsen bey herannahendem Alter verhärtet,
und gleichsam zusammengeschnürt, und zu ihrer
Verrichtung ganz untauglich gemacht würden, ist
schon längst widerlegt worden; es ist sogar eine
ausgemachte Sache, daß auch andere Krankhei-
ten dieser Drüsen, z. B. Aufschwellungen dersel-
ben, sehr uneigentlich Verstopfungen genannt wer-
den, indem sie noch immer so weit offen sind,
daß sie Quecksilbereinspritzungen durchlassen kön-
nen. Der bekannte Versuch, daß warmes Was-
ser, welches man nach dem Tode in die Gekrösvenen
einspritzt, in den Darmkanal durchschwitzt, scheint
mir für eine Verrichtung in dem lebendigen Kör-
per nichts zu beweisen; noch viel weniger bewei-
set Lieberkühn's zweyschenkligte messingene Röh-
re, die er zum Behuf dieser Meinung ersonnen
hatte. Aber auch die Beobachtung, daß man in
den Blutvenen des Gekröses einen weißem Spei-
sensaft wahrgenommen habe a), bedarf noch ei-
ner genauern Bestätigung. Es ist also höchst
wahrscheinlich, daß diese Gekrösvenen, außer ei-
nem mit vielem Brennbaren geschwängerten, und
zur Bereitung der Galle bestimmten Blute, keinen
Speisesaft führen b).

a) Werner & Feller I. c. p. 12.

b) Caldani sucht zwar diese verborgene Wege der
Einsaugung durch folgenden schönen Versuch zu
erweisen: Man macht bey einem Lamm, oder
Bock, die vorher wohl genährt worden sind,

Man muß aber eingestehen, daß die meisten
Gründe, welche diese Nebeneinsaugung des Spei-
sesaftes in das Blut erweisen sollen, nicht Stich
halten; denn Ruysch'ens Behauptung, daß die
Gekrösdrüsen bey herannahendem Alter verhärtet,
und gleichsam zusammengeschnürt, und zu ihrer
Verrichtung ganz untauglich gemacht würden, ist
schon längst widerlegt worden; es ist sogar eine
ausgemachte Sache, daß auch andere Krankhei-
ten dieser Drüsen, z. B. Aufschwellungen dersel-
ben, sehr uneigentlich Verstopfungen genannt wer-
den, indem sie noch immer so weit offen sind,
daß sie Quecksilbereinspritzungen durchlassen kön-
nen. Der bekannte Versuch, daß warmes Was-
ser, welches man nach dem Tode in die Gekrösvenen
einspritzt, in den Darmkanal durchschwitzt, scheint
mir für eine Verrichtung in dem lebendigen Kör-
per nichts zu beweisen; noch viel weniger bewei-
set Lieberkühn's zweyschenkligte messingene Röh-
re, die er zum Behuf dieser Meinung ersonnen
hatte. Aber auch die Beobachtung, daß man in
den Blutvenen des Gekröses einen weißem Spei-
sensaft wahrgenommen habe a), bedarf noch ei-
ner genauern Bestätigung. Es ist also höchst
wahrscheinlich, daß diese Gekrösvenen, außer ei-
nem mit vielem Brennbaren geschwängerten, und
zur Bereitung der Galle bestimmten Blute, keinen
Speisesaft führen b).

a) Werner & Feller I. c. p. 12.

b) Caldani sucht zwar diese verborgene Wege der
Einsaugung durch folgenden schönen Versuch zu
erweisen: Man macht bey einem Lamm, oder
Bock, die vorher wohl genährt worden sind,

<TEI>
  <text xml:id="blume_hbnatur_000072">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0280" xml:id="pb264_0001" n="264"/>
Man muß aber eingestehen, daß die meisten<lb/>
Gründe, welche diese Nebeneinsaugung des Spei-<lb/>
sesaftes in das Blut erweisen sollen, nicht Stich<lb/>
halten; denn Ruysch'ens Behauptung, daß die<lb/>
Gekrösdrüsen bey herannahendem Alter verhärtet,<lb/>
und gleichsam zusammengeschnürt, und zu ihrer<lb/>
Verrichtung ganz untauglich gemacht würden, ist<lb/>
schon längst widerlegt worden; es ist sogar eine<lb/>
ausgemachte Sache, daß auch andere Krankhei-<lb/>
ten dieser Drüsen, z. B. Aufschwellungen dersel-<lb/>
ben, sehr uneigentlich Verstopfungen genannt wer-<lb/>
den, indem sie noch immer so weit offen sind,<lb/>
daß sie Quecksilbereinspritzungen durchlassen kön-<lb/>
nen. Der bekannte Versuch, daß warmes Was-<lb/>
ser, welches man nach dem Tode in die Gekrösvenen<lb/>
einspritzt, in den Darmkanal durchschwitzt, scheint<lb/>
mir für eine Verrichtung in dem lebendigen Kör-<lb/>
per nichts zu beweisen; noch viel weniger bewei-<lb/>
set Lieberkühn's zweyschenkligte messingene Röh-<lb/>
re, die er zum Behuf dieser Meinung ersonnen<lb/>
hatte. Aber auch die Beobachtung, daß man in<lb/>
den Blutvenen des Gekröses einen weißem Spei-<lb/>
sensaft wahrgenommen habe <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a</hi></hi>), bedarf noch ei-<lb/>
ner genauern Bestätigung. Es ist also höchst<lb/>
wahrscheinlich, daß diese Gekrösvenen, außer ei-<lb/>
nem mit vielem Brennbaren geschwängerten, und<lb/>
zur Bereitung der Galle bestimmten Blute, keinen<lb/>
Speisesaft führen <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi>).</p>
          <p rendition="#indent-2"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">a) Werner</hi></hi> &amp; <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">Feller</hi></hi> I. <hi rendition="#aq">c. p</hi>. 12.</p>
          <p rendition="#indent-2"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">b</hi></hi>) Caldani sucht zwar diese verborgene Wege der<lb/>
Einsaugung durch folgenden schönen Versuch zu<lb/>
erweisen: Man macht bey einem Lamm, oder<lb/>
Bock, die vorher wohl genährt worden sind,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0280] Man muß aber eingestehen, daß die meisten Gründe, welche diese Nebeneinsaugung des Spei- sesaftes in das Blut erweisen sollen, nicht Stich halten; denn Ruysch'ens Behauptung, daß die Gekrösdrüsen bey herannahendem Alter verhärtet, und gleichsam zusammengeschnürt, und zu ihrer Verrichtung ganz untauglich gemacht würden, ist schon längst widerlegt worden; es ist sogar eine ausgemachte Sache, daß auch andere Krankhei- ten dieser Drüsen, z. B. Aufschwellungen dersel- ben, sehr uneigentlich Verstopfungen genannt wer- den, indem sie noch immer so weit offen sind, daß sie Quecksilbereinspritzungen durchlassen kön- nen. Der bekannte Versuch, daß warmes Was- ser, welches man nach dem Tode in die Gekrösvenen einspritzt, in den Darmkanal durchschwitzt, scheint mir für eine Verrichtung in dem lebendigen Kör- per nichts zu beweisen; noch viel weniger bewei- set Lieberkühn's zweyschenkligte messingene Röh- re, die er zum Behuf dieser Meinung ersonnen hatte. Aber auch die Beobachtung, daß man in den Blutvenen des Gekröses einen weißem Spei- sensaft wahrgenommen habe a), bedarf noch ei- ner genauern Bestätigung. Es ist also höchst wahrscheinlich, daß diese Gekrösvenen, außer ei- nem mit vielem Brennbaren geschwängerten, und zur Bereitung der Galle bestimmten Blute, keinen Speisesaft führen b). a) Werner & Feller I. c. p. 12. b) Caldani sucht zwar diese verborgene Wege der Einsaugung durch folgenden schönen Versuch zu erweisen: Man macht bey einem Lamm, oder Bock, die vorher wohl genährt worden sind,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Editura GmbH & Co.KG, Berlin: Volltexterstellung und Basis-TEI-Auszeichung
Johann Friedrich Blumenbach – online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-08-26T09:00:15Z)
Frank Wiegand: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2013-08-26T09:00:15Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Nicht erfasst: Bogensignaturen und Kustoden, Kolumnentitel.
  • Auf Titelblättern wurde auf die Auszeichnung der Schriftgrößenunterschiede zugunsten der Identifizierung von <titlePart>s verzichtet.
  • Keine Auszeichnung der Initialbuchstaben am Kapitelanfang.
  • Langes ſ: als s transkribiert.
  • Hochgestellte e über Vokalen: in moderner Schreibweise erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1795/280
Zitationshilfe: Blumenbach, Johann Friedrich: Anfangsgründe der Physiologie. (Übers. Joseph Eyerel). 2. Aufl. Wien, 1795, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blumenbach_physiologie_1795/280>, abgerufen am 30.04.2024.