Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.

Nur ausnahmsweise hat sich noch der früher allgemein
angenommene Grundsatz erhalten, dasz Fremde kein Grund-
eigenthum
in dem Lande erwerben können. 17 Häufiger sind
dieselben in der Ausübung gewisser Gewerbe, namentlich in
der selbständigen Betreibung von Handwerken, auch
etwa von Kramladen beschränkt. 18 Das Fremdlings-
recht
(jus albinagii) dagegen, welches dem Landesherrn die
Verlassenschaft des Fremden preisgab und der Abschosz
(gabella hereditaria), welcher von Verlassenschaften, die ins
Ausland kamen, erhoben wurde, sind nun fast überall als
unpassende Reste einer untergegangenen Zeit weggeräumt
und die Freizügigkeit auch insofern zur Regel erhoben
worden. 19

In dem öffentlichen Rechte aber ist der Gegensatz zwi-
schen Einheimischen und Fremden noch vollwirksam. Nur den
erstern, nicht ebenso den letztern stehen von Rechtes wegen,
und ohne dasz es einer besondern Zusicherung bedarf, zu:

a) das Recht zu ständigem Aufenthalt und Wohn-
sitz in dem Statsgebiete, 20 in Folge dessen der Einheimische

17 Für England vgl. Blackstone I. 10. Auch in einigen demo-
kratischen Schweizerkantonen gilt das Verbot noch.
18 Wo die Zunftverfassung sich erhalten, versteht sich diese Be-
schränkung gewöhnlich von selbst. Aber auch wo jene aufgelöst worden,
ist dennoch häufig nur den Inländern gestattet, solche Gewerbe zu
betreiben. Die französ. Verf. von 1848. A. 13: "garantit aux citoyens
la liberte du travail et de l'industrie." Die französische Praxis begünstigt
aber in dieser Hinsicht die Gewerbefreiheit auch der Ausländer.
19 Schweizer. Bundesverf. §. 62: "Gegen die auswärtigen Staten
besteht Freizügigkeit unter Vorbehalt des Gegenrechtes." Deutsche
Bundesakte v. 1815. 18. Deutscher Bundesbeschlusz v. 1817. Das
deutsche Reichsgesetz vom 1. Nov. 1867 (ursprünglich von dem nord-
deutschen Bunde erlassen) hat zuerst in Deutschland für die Deutschen
volle Freizügigkeit eingeführt, die aber in der Regel auch den Ausländern
gewährt wird.
20 Schweizer. Bundesverf. v. 1874. §. 70: "Dem Bunde steht das
Recht zu, Fremde, welche die innere oder äussere Sicherheit der Eid-
genossenschaft gefährden, aus dem schweizerischen Gebiete wegzuweisen."
Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.

Nur ausnahmsweise hat sich noch der früher allgemein
angenommene Grundsatz erhalten, dasz Fremde kein Grund-
eigenthum
in dem Lande erwerben können. 17 Häufiger sind
dieselben in der Ausübung gewisser Gewerbe, namentlich in
der selbständigen Betreibung von Handwerken, auch
etwa von Kramladen beschränkt. 18 Das Fremdlings-
recht
(jus albinagii) dagegen, welches dem Landesherrn die
Verlassenschaft des Fremden preisgab und der Abschosz
(gabella hereditaria), welcher von Verlassenschaften, die ins
Ausland kamen, erhoben wurde, sind nun fast überall als
unpassende Reste einer untergegangenen Zeit weggeräumt
und die Freizügigkeit auch insofern zur Regel erhoben
worden. 19

In dem öffentlichen Rechte aber ist der Gegensatz zwi-
schen Einheimischen und Fremden noch vollwirksam. Nur den
erstern, nicht ebenso den letztern stehen von Rechtes wegen,
und ohne dasz es einer besondern Zusicherung bedarf, zu:

a) das Recht zu ständigem Aufenthalt und Wohn-
sitz in dem Statsgebiete, 20 in Folge dessen der Einheimische

17 Für England vgl. Blackstone I. 10. Auch in einigen demo-
kratischen Schweizerkantonen gilt das Verbot noch.
18 Wo die Zunftverfassung sich erhalten, versteht sich diese Be-
schränkung gewöhnlich von selbst. Aber auch wo jene aufgelöst worden,
ist dennoch häufig nur den Inländern gestattet, solche Gewerbe zu
betreiben. Die französ. Verf. von 1848. A. 13: „garantit aux citoyens
la liberté du travail et de l'industrie.“ Die französische Praxis begünstigt
aber in dieser Hinsicht die Gewerbefreiheit auch der Ausländer.
19 Schweizer. Bundesverf. §. 62: „Gegen die auswärtigen Staten
besteht Freizügigkeit unter Vorbehalt des Gegenrechtes.“ Deutsche
Bundesakte v. 1815. 18. Deutscher Bundesbeschlusz v. 1817. Das
deutsche Reichsgesetz vom 1. Nov. 1867 (ursprünglich von dem nord-
deutschen Bunde erlassen) hat zuerst in Deutschland für die Deutschen
volle Freizügigkeit eingeführt, die aber in der Regel auch den Ausländern
gewährt wird.
20 Schweizer. Bundesverf. v. 1874. §. 70: „Dem Bunde steht das
Recht zu, Fremde, welche die innere oder äussere Sicherheit der Eid-
genossenschaft gefährden, aus dem schweizerischen Gebiete wegzuweisen.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0262" n="244"/>
          <fw place="top" type="header">Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur.</fw><lb/>
          <p>Nur ausnahmsweise hat sich noch der früher allgemein<lb/>
angenommene Grundsatz erhalten, dasz Fremde <hi rendition="#g">kein Grund-<lb/>
eigenthum</hi> in dem Lande erwerben können. <note place="foot" n="17">Für England vgl. <hi rendition="#g">Blackstone</hi> I. 10. Auch in einigen demo-<lb/>
kratischen Schweizerkantonen gilt das Verbot noch.</note> Häufiger sind<lb/>
dieselben in der Ausübung gewisser Gewerbe, namentlich in<lb/>
der <hi rendition="#g">selbständigen Betreibung von Handwerken</hi>, auch<lb/>
etwa von <hi rendition="#g">Kramladen</hi> beschränkt. <note place="foot" n="18">Wo die Zunftverfassung sich erhalten, versteht sich diese Be-<lb/>
schränkung gewöhnlich von selbst. Aber auch wo jene aufgelöst worden,<lb/>
ist dennoch häufig nur den Inländern gestattet, solche Gewerbe zu<lb/>
betreiben. Die französ. Verf. von 1848. A. 13: &#x201E;garantit <hi rendition="#i">aux citoyens</hi><lb/>
la liberté du travail et de l'industrie.&#x201C; Die französische Praxis begünstigt<lb/>
aber in dieser Hinsicht die Gewerbefreiheit auch der Ausländer.</note> Das <hi rendition="#g">Fremdlings-<lb/>
recht</hi> (jus albinagii) dagegen, welches dem Landesherrn die<lb/>
Verlassenschaft des Fremden preisgab und der <hi rendition="#g">Abschosz</hi><lb/>
(gabella hereditaria), welcher von Verlassenschaften, die ins<lb/>
Ausland kamen, erhoben wurde, sind nun fast überall als<lb/>
unpassende Reste einer untergegangenen Zeit weggeräumt<lb/>
und die <hi rendition="#g">Freizügigkeit</hi> auch insofern zur Regel erhoben<lb/>
worden. <note place="foot" n="19"><hi rendition="#g">Schweizer</hi>. Bundesverf. §. 62: &#x201E;Gegen die auswärtigen Staten<lb/>
besteht Freizügigkeit unter Vorbehalt des Gegenrechtes.&#x201C; <hi rendition="#g">Deutsche</hi><lb/>
Bundesakte v. 1815. 18. <hi rendition="#g">Deutscher</hi> Bundesbeschlusz v. 1817. Das<lb/>
deutsche Reichsgesetz vom 1. Nov. 1867 (ursprünglich von dem nord-<lb/>
deutschen Bunde erlassen) hat zuerst in Deutschland für die Deutschen<lb/>
volle Freizügigkeit eingeführt, die aber in der Regel auch den Ausländern<lb/>
gewährt wird.</note></p><lb/>
          <p>In dem öffentlichen Rechte aber ist der Gegensatz zwi-<lb/>
schen Einheimischen und Fremden noch vollwirksam. Nur den<lb/>
erstern, nicht ebenso den letztern stehen von Rechtes wegen,<lb/>
und ohne dasz es einer besondern Zusicherung bedarf, zu:</p><lb/>
          <p>a) das Recht zu <hi rendition="#g">ständigem Aufenthalt</hi> und Wohn-<lb/>
sitz in dem Statsgebiete, <note place="foot" n="20"><hi rendition="#g">Schweizer</hi>. Bundesverf. v. 1874. §. 70: &#x201E;Dem Bunde steht das<lb/>
Recht zu, Fremde, welche die innere oder äussere Sicherheit der Eid-<lb/>
genossenschaft gefährden, aus dem schweizerischen Gebiete wegzuweisen.&#x201C;</note> in Folge dessen der Einheimische<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[244/0262] Zweites Buch. Die Grundbedingungen des Stats in d. Menschen- u. Volksnatur. Nur ausnahmsweise hat sich noch der früher allgemein angenommene Grundsatz erhalten, dasz Fremde kein Grund- eigenthum in dem Lande erwerben können. 17 Häufiger sind dieselben in der Ausübung gewisser Gewerbe, namentlich in der selbständigen Betreibung von Handwerken, auch etwa von Kramladen beschränkt. 18 Das Fremdlings- recht (jus albinagii) dagegen, welches dem Landesherrn die Verlassenschaft des Fremden preisgab und der Abschosz (gabella hereditaria), welcher von Verlassenschaften, die ins Ausland kamen, erhoben wurde, sind nun fast überall als unpassende Reste einer untergegangenen Zeit weggeräumt und die Freizügigkeit auch insofern zur Regel erhoben worden. 19 In dem öffentlichen Rechte aber ist der Gegensatz zwi- schen Einheimischen und Fremden noch vollwirksam. Nur den erstern, nicht ebenso den letztern stehen von Rechtes wegen, und ohne dasz es einer besondern Zusicherung bedarf, zu: a) das Recht zu ständigem Aufenthalt und Wohn- sitz in dem Statsgebiete, 20 in Folge dessen der Einheimische 17 Für England vgl. Blackstone I. 10. Auch in einigen demo- kratischen Schweizerkantonen gilt das Verbot noch. 18 Wo die Zunftverfassung sich erhalten, versteht sich diese Be- schränkung gewöhnlich von selbst. Aber auch wo jene aufgelöst worden, ist dennoch häufig nur den Inländern gestattet, solche Gewerbe zu betreiben. Die französ. Verf. von 1848. A. 13: „garantit aux citoyens la liberté du travail et de l'industrie.“ Die französische Praxis begünstigt aber in dieser Hinsicht die Gewerbefreiheit auch der Ausländer. 19 Schweizer. Bundesverf. §. 62: „Gegen die auswärtigen Staten besteht Freizügigkeit unter Vorbehalt des Gegenrechtes.“ Deutsche Bundesakte v. 1815. 18. Deutscher Bundesbeschlusz v. 1817. Das deutsche Reichsgesetz vom 1. Nov. 1867 (ursprünglich von dem nord- deutschen Bunde erlassen) hat zuerst in Deutschland für die Deutschen volle Freizügigkeit eingeführt, die aber in der Regel auch den Ausländern gewährt wird. 20 Schweizer. Bundesverf. v. 1874. §. 70: „Dem Bunde steht das Recht zu, Fremde, welche die innere oder äussere Sicherheit der Eid- genossenschaft gefährden, aus dem schweizerischen Gebiete wegzuweisen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/262
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/262>, abgerufen am 27.04.2024.