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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Drittes Buch. Die Grundlagen des Stats etc. Das Land.
schiffbar machen, Canäle anlegen, Straszen und Eisenbahnen
bauen, ein Netz von Telegraphen ausspannen. Sie kann die
Einförmigkeit der Landschaft durch den Verkehr beleben und
das Innere des Festlandes mit dem Weltmeer verbinden.
Die menschliche Cultur findet also hier grosze und lösbare
Aufgaben vor und der zunehmenden Civilisation wird es
schlieszlich gelingen, alle Theile der bewohnbaren Erdober-
fläche in einen segensreichen Zusammenhang zu bringen.

Auf die Einwirkung wechselnder und momentaner Natur-
erscheinungen
hat neuerlich besonders Thomas Buckle
aufmerksam gemacht. Auch in dieser Beziehung sind die
Küsten- und die Gebirgsländer vor den ebenen Binnenländern
sehr ausgezeichnet und prägen ihre groszartigen Bilder ihren
Bewohnern tief ins Herz ein. Aber es kommen hier noch
andere Erscheinungen in Betracht. Es kann die äuszere
Natur, wie das in manchen Tropenländern geschieht, auf den
gewöhnlichen Menschen auch einen übermächtigen Eindruck
machen, welcher ihm jede Hoffnung raubt, dasz er im
Kampfe mit der Natur siegreich werde und ihn deszhalb
zum Verzicht auf jede Kraftanstrengung treibt, dagegen seine
Phantasie mit ungeheuren Bildern der Naturgewalt, sein Herz
mit Furcht und sein Gemüth mit Aberglauben erfüllt. Der
überwältigende Schneefall, das Vorrücken der Gletscher-
massen, die Lawinenstürze im kalten Norden und im Hoch-
gebirg, die mächtigen Regengüsse und Ueberschwemmungen,
die erschütternden Gewitter und Orkane in manchen heiszen
Ländern, der rasche Wechsel zwischen einer undurchdring-
lichen Ueppigkeit der Vegetation und einer versengten Dürre,
die verheerenden Insektenschwärme und die Wuth der wilden
Thiere, das Alles kann eher niederdrückend als anregend auf
die Menschen wirken, welche da leben. Wie überhaupt nicht
die extremen, sondern die gemäszigten Naturzustände vor-
zugsweise dem Menschen günstig sind, dessen Kräfte nicht
absolut, sondern körperlich enge beschränkt sind, so wirken

Drittes Buch. Die Grundlagen des Stats etc. Das Land.
schiffbar machen, Canäle anlegen, Straszen und Eisenbahnen
bauen, ein Netz von Telegraphen ausspannen. Sie kann die
Einförmigkeit der Landschaft durch den Verkehr beleben und
das Innere des Festlandes mit dem Weltmeer verbinden.
Die menschliche Cultur findet also hier grosze und lösbare
Aufgaben vor und der zunehmenden Civilisation wird es
schlieszlich gelingen, alle Theile der bewohnbaren Erdober-
fläche in einen segensreichen Zusammenhang zu bringen.

Auf die Einwirkung wechselnder und momentaner Natur-
erscheinungen
hat neuerlich besonders Thomas Buckle
aufmerksam gemacht. Auch in dieser Beziehung sind die
Küsten- und die Gebirgsländer vor den ebenen Binnenländern
sehr ausgezeichnet und prägen ihre groszartigen Bilder ihren
Bewohnern tief ins Herz ein. Aber es kommen hier noch
andere Erscheinungen in Betracht. Es kann die äuszere
Natur, wie das in manchen Tropenländern geschieht, auf den
gewöhnlichen Menschen auch einen übermächtigen Eindruck
machen, welcher ihm jede Hoffnung raubt, dasz er im
Kampfe mit der Natur siegreich werde und ihn deszhalb
zum Verzicht auf jede Kraftanstrengung treibt, dagegen seine
Phantasie mit ungeheuren Bildern der Naturgewalt, sein Herz
mit Furcht und sein Gemüth mit Aberglauben erfüllt. Der
überwältigende Schneefall, das Vorrücken der Gletscher-
massen, die Lawinenstürze im kalten Norden und im Hoch-
gebirg, die mächtigen Regengüsse und Ueberschwemmungen,
die erschütternden Gewitter und Orkane in manchen heiszen
Ländern, der rasche Wechsel zwischen einer undurchdring-
lichen Ueppigkeit der Vegetation und einer versengten Dürre,
die verheerenden Insektenschwärme und die Wuth der wilden
Thiere, das Alles kann eher niederdrückend als anregend auf
die Menschen wirken, welche da leben. Wie überhaupt nicht
die extremen, sondern die gemäszigten Naturzustände vor-
zugsweise dem Menschen günstig sind, dessen Kräfte nicht
absolut, sondern körperlich enge beschränkt sind, so wirken

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[262/0280] Drittes Buch. Die Grundlagen des Stats etc. Das Land. schiffbar machen, Canäle anlegen, Straszen und Eisenbahnen bauen, ein Netz von Telegraphen ausspannen. Sie kann die Einförmigkeit der Landschaft durch den Verkehr beleben und das Innere des Festlandes mit dem Weltmeer verbinden. Die menschliche Cultur findet also hier grosze und lösbare Aufgaben vor und der zunehmenden Civilisation wird es schlieszlich gelingen, alle Theile der bewohnbaren Erdober- fläche in einen segensreichen Zusammenhang zu bringen. Auf die Einwirkung wechselnder und momentaner Natur- erscheinungen hat neuerlich besonders Thomas Buckle aufmerksam gemacht. Auch in dieser Beziehung sind die Küsten- und die Gebirgsländer vor den ebenen Binnenländern sehr ausgezeichnet und prägen ihre groszartigen Bilder ihren Bewohnern tief ins Herz ein. Aber es kommen hier noch andere Erscheinungen in Betracht. Es kann die äuszere Natur, wie das in manchen Tropenländern geschieht, auf den gewöhnlichen Menschen auch einen übermächtigen Eindruck machen, welcher ihm jede Hoffnung raubt, dasz er im Kampfe mit der Natur siegreich werde und ihn deszhalb zum Verzicht auf jede Kraftanstrengung treibt, dagegen seine Phantasie mit ungeheuren Bildern der Naturgewalt, sein Herz mit Furcht und sein Gemüth mit Aberglauben erfüllt. Der überwältigende Schneefall, das Vorrücken der Gletscher- massen, die Lawinenstürze im kalten Norden und im Hoch- gebirg, die mächtigen Regengüsse und Ueberschwemmungen, die erschütternden Gewitter und Orkane in manchen heiszen Ländern, der rasche Wechsel zwischen einer undurchdring- lichen Ueppigkeit der Vegetation und einer versengten Dürre, die verheerenden Insektenschwärme und die Wuth der wilden Thiere, das Alles kann eher niederdrückend als anregend auf die Menschen wirken, welche da leben. Wie überhaupt nicht die extremen, sondern die gemäszigten Naturzustände vor- zugsweise dem Menschen günstig sind, dessen Kräfte nicht absolut, sondern körperlich enge beschränkt sind, so wirken

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/280>, abgerufen am 26.04.2024.