Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch. Die Statsformen.
stat), wenn die kriegerische Obergewalt bestimmend wirkt,
oder der Gerichtsherrschaft, wenn das Richteramt als
Herrschaft angesehen wird. Das erstere wird durchweg ge-
waltiger und energischer erscheinen, die letztere beschränkter
und gemäszigter.

IV. Wenn das Statsbewusztsein in dem Fürsten über-
reizt
und übermächtig wird, so dasz er sich selbst für
den allmächtigen Herrn und Inhaber aller öffentlichen Gewalt
hält, so kommt zwar die vielseitige und öffentliche Bedeutung
der Monarchie als einer entscheidenden Centralgewalt zur
Erscheinung, aber die Bevölkerung wird in politischer Unfrei-
heit niedergehalten. Es entsteht die absolute Monarchie,
welche als civilisirte Statsform der barbarischen Despotie ent-
spricht, aber sich dadurch von ihr unterscheidet, dasz der
civilisirte Monarch doch eine Rechtsordnung als noth-
wendig anerkennt, und sich selbst verpflichtet, derselben
gemäsz -- wenigstens in der Regel -- zu regieren. Ausge-
dehnter erscheint diese absolute Gewalt in dem antiken rö-
mischen Stat, beschränkter in der neueren Absolutie, die
durch das Christenthum und die freiheitliche Entwicklung
auch des Mittelalters beschränkt wird.

V. Edler entwickelt und in sich gehaltener sind die For-
men der beschränkten Monarchie, welche die einheitliche
Machtfülle der statlichen Centralgewalt in sich aufnehmen,
aber zugleich damit die Freiheit der Volksclassen und der
einzelnen Bürger zu verbinden unternehmen.

Dahin gehört sowohl die mittelalterliche Form einer ari-
stokratisch
und ständisch beschränkten, als die moderne
Form der repräsentativen und constitutionellen Mon-
archie.

Einige der wichtigsten Erscheinungen dieser verschiede-
nen Arten verdienen eine besondere Betrachtung, wie dieselbe
den folgenden Capiteln vorbehalten wird.

VI. An dieser Stelle musz aber noch ein anderer Gegen-

Sechstes Buch. Die Statsformen.
stat), wenn die kriegerische Obergewalt bestimmend wirkt,
oder der Gerichtsherrschaft, wenn das Richteramt als
Herrschaft angesehen wird. Das erstere wird durchweg ge-
waltiger und energischer erscheinen, die letztere beschränkter
und gemäszigter.

IV. Wenn das Statsbewusztsein in dem Fürsten über-
reizt
und übermächtig wird, so dasz er sich selbst für
den allmächtigen Herrn und Inhaber aller öffentlichen Gewalt
hält, so kommt zwar die vielseitige und öffentliche Bedeutung
der Monarchie als einer entscheidenden Centralgewalt zur
Erscheinung, aber die Bevölkerung wird in politischer Unfrei-
heit niedergehalten. Es entsteht die absolute Monarchie,
welche als civilisirte Statsform der barbarischen Despotie ent-
spricht, aber sich dadurch von ihr unterscheidet, dasz der
civilisirte Monarch doch eine Rechtsordnung als noth-
wendig anerkennt, und sich selbst verpflichtet, derselben
gemäsz — wenigstens in der Regel — zu regieren. Ausge-
dehnter erscheint diese absolute Gewalt in dem antiken rö-
mischen Stat, beschränkter in der neueren Absolutie, die
durch das Christenthum und die freiheitliche Entwicklung
auch des Mittelalters beschränkt wird.

V. Edler entwickelt und in sich gehaltener sind die For-
men der beschränkten Monarchie, welche die einheitliche
Machtfülle der statlichen Centralgewalt in sich aufnehmen,
aber zugleich damit die Freiheit der Volksclassen und der
einzelnen Bürger zu verbinden unternehmen.

Dahin gehört sowohl die mittelalterliche Form einer ari-
stokratisch
und ständisch beschränkten, als die moderne
Form der repräsentativen und constitutionellen Mon-
archie.

Einige der wichtigsten Erscheinungen dieser verschiede-
nen Arten verdienen eine besondere Betrachtung, wie dieselbe
den folgenden Capiteln vorbehalten wird.

VI. An dieser Stelle musz aber noch ein anderer Gegen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0420" n="402"/><fw place="top" type="header">Sechstes Buch. Die Statsformen.</fw><lb/><hi rendition="#g">stat</hi>), wenn die kriegerische Obergewalt bestimmend wirkt,<lb/>
oder der <hi rendition="#g">Gerichtsherrschaft</hi>, wenn das Richteramt als<lb/>
Herrschaft angesehen wird. Das erstere wird durchweg ge-<lb/>
waltiger und energischer erscheinen, die letztere beschränkter<lb/>
und gemäszigter.</p><lb/>
          <p>IV. Wenn das Statsbewusztsein in dem Fürsten <hi rendition="#g">über-<lb/>
reizt</hi> und <hi rendition="#g">übermächtig</hi> wird, so dasz er sich selbst für<lb/>
den allmächtigen Herrn und Inhaber aller öffentlichen Gewalt<lb/>
hält, so kommt zwar die vielseitige und öffentliche Bedeutung<lb/>
der Monarchie als einer entscheidenden Centralgewalt zur<lb/>
Erscheinung, aber die Bevölkerung wird in politischer Unfrei-<lb/>
heit niedergehalten. Es entsteht die <hi rendition="#g">absolute Monarchie</hi>,<lb/>
welche als civilisirte Statsform der barbarischen Despotie ent-<lb/>
spricht, aber sich dadurch von ihr unterscheidet, dasz der<lb/>
civilisirte Monarch doch eine <hi rendition="#g">Rechtsordnung</hi> als noth-<lb/>
wendig anerkennt, und <hi rendition="#g">sich selbst</hi> verpflichtet, derselben<lb/>
gemäsz &#x2014; wenigstens in der Regel &#x2014; zu regieren. Ausge-<lb/>
dehnter erscheint diese absolute Gewalt in dem antiken rö-<lb/>
mischen Stat, beschränkter in der neueren Absolutie, die<lb/>
durch das Christenthum und die freiheitliche Entwicklung<lb/>
auch des Mittelalters beschränkt wird.</p><lb/>
          <p>V. Edler entwickelt und in sich gehaltener sind die For-<lb/>
men der <hi rendition="#g">beschränkten</hi> Monarchie, welche die einheitliche<lb/>
Machtfülle der statlichen Centralgewalt in sich aufnehmen,<lb/>
aber zugleich damit die Freiheit der Volksclassen und der<lb/>
einzelnen Bürger zu verbinden unternehmen.</p><lb/>
          <p>Dahin gehört sowohl die mittelalterliche Form einer <hi rendition="#g">ari-<lb/>
stokratisch</hi> und <hi rendition="#g">ständisch</hi> beschränkten, als die moderne<lb/>
Form der <hi rendition="#g">repräsentativen</hi> und <hi rendition="#g">constitutionellen</hi> Mon-<lb/>
archie.</p><lb/>
          <p>Einige der wichtigsten Erscheinungen dieser verschiede-<lb/>
nen Arten verdienen eine besondere Betrachtung, wie dieselbe<lb/>
den folgenden Capiteln vorbehalten wird.</p><lb/>
          <p>VI. An dieser Stelle musz aber noch ein anderer Gegen-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[402/0420] Sechstes Buch. Die Statsformen. stat), wenn die kriegerische Obergewalt bestimmend wirkt, oder der Gerichtsherrschaft, wenn das Richteramt als Herrschaft angesehen wird. Das erstere wird durchweg ge- waltiger und energischer erscheinen, die letztere beschränkter und gemäszigter. IV. Wenn das Statsbewusztsein in dem Fürsten über- reizt und übermächtig wird, so dasz er sich selbst für den allmächtigen Herrn und Inhaber aller öffentlichen Gewalt hält, so kommt zwar die vielseitige und öffentliche Bedeutung der Monarchie als einer entscheidenden Centralgewalt zur Erscheinung, aber die Bevölkerung wird in politischer Unfrei- heit niedergehalten. Es entsteht die absolute Monarchie, welche als civilisirte Statsform der barbarischen Despotie ent- spricht, aber sich dadurch von ihr unterscheidet, dasz der civilisirte Monarch doch eine Rechtsordnung als noth- wendig anerkennt, und sich selbst verpflichtet, derselben gemäsz — wenigstens in der Regel — zu regieren. Ausge- dehnter erscheint diese absolute Gewalt in dem antiken rö- mischen Stat, beschränkter in der neueren Absolutie, die durch das Christenthum und die freiheitliche Entwicklung auch des Mittelalters beschränkt wird. V. Edler entwickelt und in sich gehaltener sind die For- men der beschränkten Monarchie, welche die einheitliche Machtfülle der statlichen Centralgewalt in sich aufnehmen, aber zugleich damit die Freiheit der Volksclassen und der einzelnen Bürger zu verbinden unternehmen. Dahin gehört sowohl die mittelalterliche Form einer ari- stokratisch und ständisch beschränkten, als die moderne Form der repräsentativen und constitutionellen Mon- archie. Einige der wichtigsten Erscheinungen dieser verschiede- nen Arten verdienen eine besondere Betrachtung, wie dieselbe den folgenden Capiteln vorbehalten wird. VI. An dieser Stelle musz aber noch ein anderer Gegen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/420
Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/420>, abgerufen am 26.04.2024.