Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite
in Miltons verlohrnen Paradiese.


Und er durchläufet izt von Hindernissen frey.


Er stirbet allzugern.

Niemand hat noch erhältet, giltet, gesagt.

Addison hat angemerket, daß Milton dieses
Mittel den Vers von der Prosa zu entfernen, mei-
stens in den Nahmen der Oerter und Personen
angebracht, zum Exempel da er Hessebon statt
Heßbon und Beelzebub statt Belzebub gesezet.
Auf diese Weise wird es auch in unsrer Sprache
eben so glücklich angehen. Was eben dieser Kunst-
verständige bey diesem Anlaß gedenket, daß Mil-
ton aus derselben Ursache allemahl die Nahmen
der Städte und Personen gesezet, welche am we-
nigsten bekannt sind, damit er nur die Sprache
des Pöbels vermiede, kan uns zu diesem Ende
eben so wohl dienen. Jch habe darum lieber
Lindemag, welches der alte und schier vergesse-
ne Nahme ist, als den heutigen Nahmen der
Limmat gesezet; in dem Verse:

Der an die Lindemag die Musen pflegt zu bringen.

Und eben deßwegen habe ich auch Gräcien statt
Griechenlands gesezet:

Erschallt gantz Gräcien nebst Priams Fürstenthume.

Darum gefällt mir auch Barde besser, als Dich-
ter, in der Zeile:

Kein Einfall wird von Barden unterdrüket.

Die Freyheit endlich anlangend, womit Milton,
seine Sprache zu erheben, neue Wörter gepräget,

so
H 4
in Miltons verlohrnen Paradieſe.


Und er durchlaͤufet izt von Hinderniſſen frey.


Er ſtirbet allzugern.

Niemand hat noch erhaͤltet, giltet, geſagt.

Addiſon hat angemerket, daß Milton dieſes
Mittel den Vers von der Proſa zu entfernen, mei-
ſtens in den Nahmen der Oerter und Perſonen
angebracht, zum Exempel da er Heſſebon ſtatt
Heßbon und Beelzebub ſtatt Belzebub geſezet.
Auf dieſe Weiſe wird es auch in unſrer Sprache
eben ſo gluͤcklich angehen. Was eben dieſer Kunſt-
verſtaͤndige bey dieſem Anlaß gedenket, daß Mil-
ton aus derſelben Urſache allemahl die Nahmen
der Staͤdte und Perſonen geſezet, welche am we-
nigſten bekannt ſind, damit er nur die Sprache
des Poͤbels vermiede, kan uns zu dieſem Ende
eben ſo wohl dienen. Jch habe darum lieber
Lindemag, welches der alte und ſchier vergeſſe-
ne Nahme iſt, als den heutigen Nahmen der
Limmat geſezet; in dem Verſe:

Der an die Lindemag die Muſen pflegt zu bringen.

Und eben deßwegen habe ich auch Graͤcien ſtatt
Griechenlands geſezet:

Erſchallt gantz Graͤcien nebſt Priams Fuͤrſtenthume.

Darum gefaͤllt mir auch Barde beſſer, als Dich-
ter, in der Zeile:

Kein Einfall wird von Barden unterdruͤket.

Die Freyheit endlich anlangend, womit Milton,
ſeine Sprache zu erheben, neue Woͤrter gepraͤget,

ſo
H 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0121" n="119"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">in Miltons verlohrnen Paradie&#x017F;e.</hi> </fw><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <cit>
          <quote>Und er <hi rendition="#fr">durchla&#x0364;ufet</hi> izt von Hinderni&#x017F;&#x017F;en frey.</quote>
        </cit><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <cit>
          <quote>Er &#x017F;tirbet allzugern.</quote>
        </cit><lb/>
        <p>Niemand hat noch <hi rendition="#fr">erha&#x0364;ltet, giltet,</hi> ge&#x017F;agt.</p><lb/>
        <p>Addi&#x017F;on hat angemerket, daß Milton die&#x017F;es<lb/>
Mittel den Vers von der Pro&#x017F;a zu entfernen, mei-<lb/>
&#x017F;tens in den Nahmen der Oerter und Per&#x017F;onen<lb/>
angebracht, zum Exempel da er <hi rendition="#fr">He&#x017F;&#x017F;ebon</hi> &#x017F;tatt<lb/><hi rendition="#fr">Heßbon</hi> und Beelzebub &#x017F;tatt Belzebub ge&#x017F;ezet.<lb/>
Auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e wird es auch in un&#x017F;rer Sprache<lb/>
eben &#x017F;o glu&#x0364;cklich angehen. Was eben die&#x017F;er Kun&#x017F;t-<lb/>
ver&#x017F;ta&#x0364;ndige bey die&#x017F;em Anlaß gedenket, daß Mil-<lb/>
ton aus der&#x017F;elben Ur&#x017F;ache allemahl die Nahmen<lb/>
der Sta&#x0364;dte und Per&#x017F;onen ge&#x017F;ezet, welche am we-<lb/>
nig&#x017F;ten bekannt &#x017F;ind, damit er nur die Sprache<lb/>
des Po&#x0364;bels vermiede, kan uns zu die&#x017F;em Ende<lb/>
eben &#x017F;o wohl dienen. Jch habe darum lieber<lb/><hi rendition="#fr">Lindemag,</hi> welches der alte und &#x017F;chier verge&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
ne Nahme i&#x017F;t, als den heutigen Nahmen der<lb/>
Limmat ge&#x017F;ezet; in dem Ver&#x017F;e:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>Der an die Lindemag die Mu&#x017F;en pflegt zu bringen.</quote>
        </cit><lb/>
        <p>Und eben deßwegen habe ich auch <hi rendition="#fr">Gra&#x0364;cien</hi> &#x017F;tatt<lb/>
Griechenlands ge&#x017F;ezet:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>Er&#x017F;challt gantz Gra&#x0364;cien neb&#x017F;t Priams Fu&#x0364;r&#x017F;tenthume.</quote>
        </cit><lb/>
        <p>Darum gefa&#x0364;llt mir auch <hi rendition="#fr">Barde</hi> be&#x017F;&#x017F;er, als Dich-<lb/>
ter, in der Zeile:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>Kein Einfall wird von <hi rendition="#fr">Barden</hi> unterdru&#x0364;ket.</quote>
        </cit><lb/>
        <p>Die Freyheit endlich anlangend, womit Milton,<lb/>
&#x017F;eine Sprache zu erheben, neue Wo&#x0364;rter gepra&#x0364;get,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 4</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0121] in Miltons verlohrnen Paradieſe. Und er durchlaͤufet izt von Hinderniſſen frey. Er ſtirbet allzugern. Niemand hat noch erhaͤltet, giltet, geſagt. Addiſon hat angemerket, daß Milton dieſes Mittel den Vers von der Proſa zu entfernen, mei- ſtens in den Nahmen der Oerter und Perſonen angebracht, zum Exempel da er Heſſebon ſtatt Heßbon und Beelzebub ſtatt Belzebub geſezet. Auf dieſe Weiſe wird es auch in unſrer Sprache eben ſo gluͤcklich angehen. Was eben dieſer Kunſt- verſtaͤndige bey dieſem Anlaß gedenket, daß Mil- ton aus derſelben Urſache allemahl die Nahmen der Staͤdte und Perſonen geſezet, welche am we- nigſten bekannt ſind, damit er nur die Sprache des Poͤbels vermiede, kan uns zu dieſem Ende eben ſo wohl dienen. Jch habe darum lieber Lindemag, welches der alte und ſchier vergeſſe- ne Nahme iſt, als den heutigen Nahmen der Limmat geſezet; in dem Verſe: Der an die Lindemag die Muſen pflegt zu bringen. Und eben deßwegen habe ich auch Graͤcien ſtatt Griechenlands geſezet: Erſchallt gantz Graͤcien nebſt Priams Fuͤrſtenthume. Darum gefaͤllt mir auch Barde beſſer, als Dich- ter, in der Zeile: Kein Einfall wird von Barden unterdruͤket. Die Freyheit endlich anlangend, womit Milton, ſeine Sprache zu erheben, neue Woͤrter gepraͤget, ſo H 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/121
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/121>, abgerufen am 05.05.2024.