Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Complot
fenbarte ihn sein Wapen, das er auf dem linken
Ermel in einem heraldischen Schildlein angehef-
tet hatte. Es war ein sitzender Bär, der an
der Tatze sog. Sie stuhnden ehrerbiehtig vor ihm
auf, und neigeten sich bis zur Erden. Er saß
auf dem Stuhl mit Majestät umwölkt, der An-
tichrist des Wizes. Dreymahl schneuzte er sich,
uud räusperte sich dreymahl, worauf er den Mund
aufthat,

Und wie man sagt und glaubt, hat er also gesprochen. (L l)

Der Schuzgeist des herrschenden Geschmaks
kömmt zu seinen Söhnen und Getreuen in kör-
perlicher Gestalt mit menschlichen Gliedmassen ver-
sehen, und mit irdischen Kleidern umhängt. Jch
bin zwar beständig bey euch gegenwärtig, wie-
wol ungesehen, ihr möget in einem Synodus
versammelt seyn, euch von den Angelegenheiten
unsers Staats zu unterreden, oder einzel in eu-
ren Studierstuben sitzen, ein neugebohrnes Phö-
bus plaudern, oder halbausgebrütete Grillen in
geschikten Reimenkuppeln auf poetischen Füssen
kriechen zu leren. Jch bin es, der euch die Ein-
fälle zuschiket, welche euch öfters kommen, ohne
daß ihr wisset, woher und warum. Wenn ihr

Apollo
(L l) Eine berühmte Zeile aus Herr Neukirchs Ueber-
sezung des Telemachs, welche von dem Verfasser der
Lettres Germaniques unter einer Menge ihres gleichen
angezogen worden. Telemach fängt damit die Erzeh-
lung seiner Begebenheiten an, um welche Calypso ihn
ersucht hatte. Ah que cela est joli, sagt der eben er-
wähnte Franzose dazu, j'y trouve un air bouffon qui
me ravit!

Das Complot
fenbarte ihn ſein Wapen, das er auf dem linken
Ermel in einem heraldiſchen Schildlein angehef-
tet hatte. Es war ein ſitzender Baͤr, der an
der Tatze ſog. Sie ſtuhnden ehrerbiehtig vor ihm
auf, und neigeten ſich bis zur Erden. Er ſaß
auf dem Stuhl mit Majeſtaͤt umwoͤlkt, der An-
tichriſt des Wizes. Dreymahl ſchneuzte er ſich,
uud raͤuſperte ſich dreymahl, worauf er den Mund
aufthat,

Und wie man ſagt und glaubt, hat er alſo geſprochen. (L l)

Der Schuzgeiſt des herrſchenden Geſchmaks
koͤmmt zu ſeinen Soͤhnen und Getreuen in koͤr-
perlicher Geſtalt mit menſchlichen Gliedmaſſen ver-
ſehen, und mit irdiſchen Kleidern umhaͤngt. Jch
bin zwar beſtaͤndig bey euch gegenwaͤrtig, wie-
wol ungeſehen, ihr moͤget in einem Synodus
verſammelt ſeyn, euch von den Angelegenheiten
unſers Staats zu unterreden, oder einzel in eu-
ren Studierſtuben ſitzen, ein neugebohrnes Phoͤ-
bus plaudern, oder halbausgebruͤtete Grillen in
geſchikten Reimenkuppeln auf poetiſchen Fuͤſſen
kriechen zu leren. Jch bin es, der euch die Ein-
faͤlle zuſchiket, welche euch oͤfters kommen, ohne
daß ihr wiſſet, woher und warum. Wenn ihr

Apollo
(L l) Eine beruͤhmte Zeile aus Herr Neukirchs Ueber-
ſezung des Telemachs, welche von dem Verfaſſer der
Lettres Germaniques unter einer Menge ihres gleichen
angezogen worden. Telemach faͤngt damit die Erzeh-
lung ſeiner Begebenheiten an, um welche Calypſo ihn
erſucht hatte. Ah que cela eſt joli, ſagt der eben er-
waͤhnte Franzoſe dazu, j’y trouve un air bouffon qui
me ravit!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0204" n="202"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Complot</hi></fw><lb/>
fenbarte ihn &#x017F;ein Wapen, das er auf dem linken<lb/>
Ermel in einem heraldi&#x017F;chen Schildlein angehef-<lb/>
tet hatte. Es war ein &#x017F;itzender Ba&#x0364;r, der an<lb/>
der Tatze &#x017F;og. Sie &#x017F;tuhnden ehrerbiehtig vor ihm<lb/>
auf, und neigeten &#x017F;ich bis zur Erden. Er &#x017F;<lb/>
auf dem Stuhl mit Maje&#x017F;ta&#x0364;t umwo&#x0364;lkt, der An-<lb/>
tichri&#x017F;t des Wizes. Dreymahl &#x017F;chneuzte er &#x017F;ich,<lb/>
uud ra&#x0364;u&#x017F;perte &#x017F;ich dreymahl, worauf er den Mund<lb/>
aufthat,</p><lb/>
        <cit>
          <quote>Und wie man &#x017F;agt und glaubt, hat er al&#x017F;o ge&#x017F;prochen. <note place="foot" n="(L l)">Eine beru&#x0364;hmte Zeile aus Herr Neukirchs Ueber-<lb/>
&#x017F;ezung des Telemachs, welche von dem Verfa&#x017F;&#x017F;er der<lb/><hi rendition="#aq">Lettres Germaniques</hi> unter einer Menge ihres gleichen<lb/>
angezogen worden. Telemach fa&#x0364;ngt damit die Erzeh-<lb/>
lung &#x017F;einer Begebenheiten an, um welche Calyp&#x017F;o ihn<lb/>
er&#x017F;ucht hatte. <hi rendition="#aq">Ah que cela e&#x017F;t joli,</hi> &#x017F;agt der eben er-<lb/>
wa&#x0364;hnte Franzo&#x017F;e dazu, <hi rendition="#aq">j&#x2019;y trouve un air bouffon qui<lb/>
me ravit!</hi></note></quote>
        </cit><lb/>
        <p>Der Schuzgei&#x017F;t des <hi rendition="#fr">herr&#x017F;chenden Ge&#x017F;chmaks</hi><lb/>
ko&#x0364;mmt zu &#x017F;einen So&#x0364;hnen und Getreuen in ko&#x0364;r-<lb/>
perlicher Ge&#x017F;talt mit men&#x017F;chlichen Gliedma&#x017F;&#x017F;en ver-<lb/>
&#x017F;ehen, und mit irdi&#x017F;chen Kleidern umha&#x0364;ngt. Jch<lb/>
bin zwar be&#x017F;ta&#x0364;ndig bey euch gegenwa&#x0364;rtig, wie-<lb/>
wol unge&#x017F;ehen, ihr mo&#x0364;get in einem Synodus<lb/>
ver&#x017F;ammelt &#x017F;eyn, euch von den Angelegenheiten<lb/>
un&#x017F;ers Staats zu unterreden, oder einzel in eu-<lb/>
ren Studier&#x017F;tuben &#x017F;itzen, ein neugebohrnes Pho&#x0364;-<lb/>
bus plaudern, oder halbausgebru&#x0364;tete Grillen in<lb/>
ge&#x017F;chikten Reimenkuppeln auf poeti&#x017F;chen Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
kriechen zu leren. Jch bin es, der euch die Ein-<lb/>
fa&#x0364;lle zu&#x017F;chiket, welche euch o&#x0364;fters kommen, ohne<lb/>
daß ihr wi&#x017F;&#x017F;et, woher und warum. Wenn ihr<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Apollo</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0204] Das Complot fenbarte ihn ſein Wapen, das er auf dem linken Ermel in einem heraldiſchen Schildlein angehef- tet hatte. Es war ein ſitzender Baͤr, der an der Tatze ſog. Sie ſtuhnden ehrerbiehtig vor ihm auf, und neigeten ſich bis zur Erden. Er ſaß auf dem Stuhl mit Majeſtaͤt umwoͤlkt, der An- tichriſt des Wizes. Dreymahl ſchneuzte er ſich, uud raͤuſperte ſich dreymahl, worauf er den Mund aufthat, Und wie man ſagt und glaubt, hat er alſo geſprochen. (L l) Der Schuzgeiſt des herrſchenden Geſchmaks koͤmmt zu ſeinen Soͤhnen und Getreuen in koͤr- perlicher Geſtalt mit menſchlichen Gliedmaſſen ver- ſehen, und mit irdiſchen Kleidern umhaͤngt. Jch bin zwar beſtaͤndig bey euch gegenwaͤrtig, wie- wol ungeſehen, ihr moͤget in einem Synodus verſammelt ſeyn, euch von den Angelegenheiten unſers Staats zu unterreden, oder einzel in eu- ren Studierſtuben ſitzen, ein neugebohrnes Phoͤ- bus plaudern, oder halbausgebruͤtete Grillen in geſchikten Reimenkuppeln auf poetiſchen Fuͤſſen kriechen zu leren. Jch bin es, der euch die Ein- faͤlle zuſchiket, welche euch oͤfters kommen, ohne daß ihr wiſſet, woher und warum. Wenn ihr Apollo (L l) Eine beruͤhmte Zeile aus Herr Neukirchs Ueber- ſezung des Telemachs, welche von dem Verfaſſer der Lettres Germaniques unter einer Menge ihres gleichen angezogen worden. Telemach faͤngt damit die Erzeh- lung ſeiner Begebenheiten an, um welche Calypſo ihn erſucht hatte. Ah que cela eſt joli, ſagt der eben er- waͤhnte Franzoſe dazu, j’y trouve un air bouffon qui me ravit!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/204
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/204>, abgerufen am 29.04.2024.