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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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Das Complot
dem Falle die Freyheit behaltet zu sagen, ihr ha-
bet diesen und nicht jenen verstanden. Drüket
man zu stark auf euch, und verlangt man daß ihr die
Werke der deutschen Schöpfungskraft aufweiset,
so zeiget in der künftigen Zeit, was die gegenwär-
tige noch nicht hat; ihr werdet allemal in dem
Vermögen der deutschen Köpfe finden, was nicht
im Werke vorhanden ist. Was nicht geschehen
ist, das ist darum nicht unmöglich; und was
einem französischen oder deutschen Chapellain
noch nicht gelungen ist, das kan wol, vielleicht
ehestens, von einem geschiktern Dichter ins
Werk gerichter werden.
(Q q)

Sprich: Jst der Erde drum ein Baum zur Last erzeuget,
Der noch die Aeste nicht voll reifer Früchte beuget. (R r)

Werffet insonderheit euren Antagonisten den Geist
des Widerspruchs vor. Schreibet es nur ihm zu,
daß sie das Schöne in den Schriften derer loben,
welche ihnen feind sind. Leget in ihre bestgemeinten
Absichten eine Begierde zu tadeln. Vergiftet da-
mit ihre reinsten Lehren. Erstreket ihre Boßheit
so weit, daß sie derselben eine Gnüge zu thun, sich
eine Fertigkeit in der Kunst alles lächerlich zu ma-
chen zugeleget haben. (S s) Behauptet daß es
würklich eine solche Kunst gebe, welche dasjenige,
was in seiner Natur und seinem Jnnerlichen gut,
schön, und herrlich ist, durch fremde Ausdrüke und
Vorstellungen, so dieselbe nichts angehen, den-

noch
(Q q) Jm XIXten Beytr. 8. Art. bl. 444.
(R r) Aus dem XXIVsten Beytr. 12. Art. bl. 521.
(S s) Hr. Triller hat schon in dem Ergäntzungsstüke
daran

Das Complot
dem Falle die Freyheit behaltet zu ſagen, ihr ha-
bet dieſen und nicht jenen verſtanden. Druͤket
man zu ſtark auf euch, und verlangt man daß ihr die
Werke der deutſchen Schoͤpfungskraft aufweiſet,
ſo zeiget in der kuͤnftigen Zeit, was die gegenwaͤr-
tige noch nicht hat; ihr werdet allemal in dem
Vermoͤgen der deutſchen Koͤpfe finden, was nicht
im Werke vorhanden iſt. Was nicht geſchehen
iſt, das iſt darum nicht unmoͤglich; und was
einem franzoͤſiſchen oder deutſchen Chapellain
noch nicht gelungen iſt, das kan wol, vielleicht
eheſtens, von einem geſchiktern Dichter ins
Werk gerichter werden.
(Q q)

Sprich: Jſt der Erde drum ein Baum zur Laſt erzeuget,
Der noch die Aeſte nicht voll reifer Fruͤchte beuget. (R r)

Werffet inſonderheit euren Antagoniſten den Geiſt
des Widerſpruchs vor. Schreibet es nur ihm zu,
daß ſie das Schoͤne in den Schriften derer loben,
welche ihnen feind ſind. Leget in ihre beſtgemeinten
Abſichten eine Begierde zu tadeln. Vergiftet da-
mit ihre reinſten Lehren. Erſtreket ihre Boßheit
ſo weit, daß ſie derſelben eine Gnuͤge zu thun, ſich
eine Fertigkeit in der Kunſt alles laͤcherlich zu ma-
chen zugeleget haben. (S ſ) Behauptet daß es
wuͤrklich eine ſolche Kunſt gebe, welche dasjenige,
was in ſeiner Natur und ſeinem Jnnerlichen gut,
ſchoͤn, und herrlich iſt, durch fremde Ausdruͤke und
Vorſtellungen, ſo dieſelbe nichts angehen, den-

noch
(Q q) Jm XIXten Beytr. 8. Art. bl. 444.
(R r) Aus dem XXIVſten Beytr. 12. Art. bl. 521.
(S ſ) Hr. Triller hat ſchon in dem Ergaͤntzungsſtuͤke
daran
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[208/0210] Das Complot dem Falle die Freyheit behaltet zu ſagen, ihr ha- bet dieſen und nicht jenen verſtanden. Druͤket man zu ſtark auf euch, und verlangt man daß ihr die Werke der deutſchen Schoͤpfungskraft aufweiſet, ſo zeiget in der kuͤnftigen Zeit, was die gegenwaͤr- tige noch nicht hat; ihr werdet allemal in dem Vermoͤgen der deutſchen Koͤpfe finden, was nicht im Werke vorhanden iſt. Was nicht geſchehen iſt, das iſt darum nicht unmoͤglich; und was einem franzoͤſiſchen oder deutſchen Chapellain noch nicht gelungen iſt, das kan wol, vielleicht eheſtens, von einem geſchiktern Dichter ins Werk gerichter werden. (Q q) Sprich: Jſt der Erde drum ein Baum zur Laſt erzeuget, Der noch die Aeſte nicht voll reifer Fruͤchte beuget. (R r) Werffet inſonderheit euren Antagoniſten den Geiſt des Widerſpruchs vor. Schreibet es nur ihm zu, daß ſie das Schoͤne in den Schriften derer loben, welche ihnen feind ſind. Leget in ihre beſtgemeinten Abſichten eine Begierde zu tadeln. Vergiftet da- mit ihre reinſten Lehren. Erſtreket ihre Boßheit ſo weit, daß ſie derſelben eine Gnuͤge zu thun, ſich eine Fertigkeit in der Kunſt alles laͤcherlich zu ma- chen zugeleget haben. (S ſ) Behauptet daß es wuͤrklich eine ſolche Kunſt gebe, welche dasjenige, was in ſeiner Natur und ſeinem Jnnerlichen gut, ſchoͤn, und herrlich iſt, durch fremde Ausdruͤke und Vorſtellungen, ſo dieſelbe nichts angehen, den- noch (Q q) Jm XIXten Beytr. 8. Art. bl. 444. (R r) Aus dem XXIVſten Beytr. 12. Art. bl. 521. (S ſ) Hr. Triller hat ſchon in dem Ergaͤntzungsſtuͤke daran

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/210>, abgerufen am 29.04.2024.