Wollte man zweitens die Zürichische Dicht- kunst anführen, und in Vergleichung mit der- selben den Gottschedischen Versuch einer Unvoll- kommenheit belangen; so weiß der Verfasser der Anmerckungen, durch einen listig erweckten Ver- dacht, die Zürchische Dichtkunst so geschickt nie- derzudrücken, daß sein Leipzigischer Versuch be- hend wieder empor kömmt. Das einige Sprüch- lein: Inventis facile est aliquid addere, hat die Kraft dem Leipzigischen Versuche den Preiß der Erfindung gantz zuzueignen, und den Verdacht zu erwecken, daß die Zürichische Kunstrichter sich diese Leipzigische Erfindung wohl zu Nutze gema- chet, und ihre mehrere Vollkommenheit dersel- ben lediglich zu verdancken haben. Er braucht dabey die nöthige Behutsamkeit, daß er sich nicht ins Absonderliche hineinläßt, und die ihm vorgelegte Parallel mit Stillschweigen gäntzlich vorbeygehet; denn solches hätte zu nichts an- ders gedienet, als dem Leser unnöthige Scru- pel zu erwecken, ob und wiesern es möglich sey, daß von zwey Wercken, die in ihren Grundsä- zen, in ihrer Materie, und in ihrer Form gantz unterschieden, ja einander beynahe zuwider sind, eins durch das andere habe können veranlasset werden? Da hingegen bey der blossen Ver- gleichung des ähnlichen Titels niemand leicht in den Sinn kommen wird, zu zweifeln, daß nicht eines von dem andern sey abgesehen worden: Und da man insgemein nur gleiche Sachen mit gleichen Nahmen zu belegen pfleget, so wird ja niemand vermuthen, daß vielleicht das eine von
diesen
Echo
Wollte man zweitens die Zuͤrichiſche Dicht- kunſt anfuͤhren, und in Vergleichung mit der- ſelben den Gottſchediſchen Verſuch einer Unvoll- kommenheit belangen; ſo weiß der Verfaſſer der Anmerckungen, durch einen liſtig erweckten Ver- dacht, die Zuͤrchiſche Dichtkunſt ſo geſchickt nie- derzudruͤcken, daß ſein Leipzigiſcher Verſuch be- hend wieder empor koͤmmt. Das einige Spruͤch- lein: Inventis facile eſt aliquid addere, hat die Kraft dem Leipzigiſchen Verſuche den Preiß der Erfindung gantz zuzueignen, und den Verdacht zu erwecken, daß die Zuͤrichiſche Kunſtrichter ſich dieſe Leipzigiſche Erfindung wohl zu Nutze gema- chet, und ihre mehrere Vollkommenheit derſel- ben lediglich zu verdancken haben. Er braucht dabey die noͤthige Behutſamkeit, daß er ſich nicht ins Abſonderliche hineinlaͤßt, und die ihm vorgelegte Parallel mit Stillſchweigen gaͤntzlich vorbeygehet; denn ſolches haͤtte zu nichts an- ders gedienet, als dem Leſer unnoͤthige Scru- pel zu erwecken, ob und wieſern es moͤglich ſey, daß von zwey Wercken, die in ihren Grundſaͤ- zen, in ihrer Materie, und in ihrer Form gantz unterſchieden, ja einander beynahe zuwider ſind, eins durch das andere habe koͤnnen veranlaſſet werden? Da hingegen bey der bloſſen Ver- gleichung des aͤhnlichen Titels niemand leicht in den Sinn kommen wird, zu zweifeln, daß nicht eines von dem andern ſey abgeſehen worden: Und da man insgemein nur gleiche Sachen mit gleichen Nahmen zu belegen pfleget, ſo wird ja niemand vermuthen, daß vielleicht das eine von
dieſen
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Echo
Wollte man zweitens die Zuͤrichiſche Dicht-
kunſt anfuͤhren, und in Vergleichung mit der-
ſelben den Gottſchediſchen Verſuch einer Unvoll-
kommenheit belangen; ſo weiß der Verfaſſer der
Anmerckungen, durch einen liſtig erweckten Ver-
dacht, die Zuͤrchiſche Dichtkunſt ſo geſchickt nie-
derzudruͤcken, daß ſein Leipzigiſcher Verſuch be-
hend wieder empor koͤmmt. Das einige Spruͤch-
lein: Inventis facile eſt aliquid addere, hat die
Kraft dem Leipzigiſchen Verſuche den Preiß der
Erfindung gantz zuzueignen, und den Verdacht
zu erwecken, daß die Zuͤrichiſche Kunſtrichter ſich
dieſe Leipzigiſche Erfindung wohl zu Nutze gema-
chet, und ihre mehrere Vollkommenheit derſel-
ben lediglich zu verdancken haben. Er braucht
dabey die noͤthige Behutſamkeit, daß er ſich
nicht ins Abſonderliche hineinlaͤßt, und die ihm
vorgelegte Parallel mit Stillſchweigen gaͤntzlich
vorbeygehet; denn ſolches haͤtte zu nichts an-
ders gedienet, als dem Leſer unnoͤthige Scru-
pel zu erwecken, ob und wieſern es moͤglich ſey,
daß von zwey Wercken, die in ihren Grundſaͤ-
zen, in ihrer Materie, und in ihrer Form gantz
unterſchieden, ja einander beynahe zuwider ſind,
eins durch das andere habe koͤnnen veranlaſſet
werden? Da hingegen bey der bloſſen Ver-
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den Sinn kommen wird, zu zweifeln, daß nicht
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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/48>, abgerufen am 27.07.2024.
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