Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

des deutschen Witzes.
hypothetisch annehme, daß es der Zauberey
möglich sey/ ein solch Riesengespenst zu machen.

Es mußte eine solche gemeine und von niemand
in Zweifel gezogene Wahrheit seyn, zu bewei-
sen, daß er nicht aus Dummheit handelte. Die-
se mußte aber in eine ziemliche Dunckelheit ein-
gehüllet werden, damit sie neu und vortrefflich
schiene.

Es ist unleugbar, daß nicht alle Vorstellun-
gen, sie mögen seyn wie sie wollen, und mit
was vor Umständen sie gleich begleitet seyn, für
alle Leute gleich viel Wahrscheinlichkeit haben.
Es ist genug, daß eine Erdichtung auf ein ange-
nommenes Systema einer Religion, einer Sec-
te, eines Aberglaubens, Wahnes, Betruges
der Sinnen, oder der Phantasie gebauet werde.
Wenn hernach nur alle Umstände in derselben
unter sich zusammenhangen, so bekömmt sie eben
so viel Wahrscheinlichkeit, als das Systema,
worauf sie sich bezieht, selber in sich hat, oder ein
Leser selbigem in seinen Gedancken einräumt. Der
Hr. Pitschel würde nun einen geistigen Athos,
so nennet er Miltons Satan wegen seiner aus-
serordentlichen Grösse, den er sonst auch mit dem
Titel einer Teufelsmaschine beehret, in den He-
renmährchen dulden
weil er darinnen zwar kei-
ne absolute Wahrscheinlichkeit
findet, jedoch
sich nach der Hypothesis bequemet, daß ein solch
Riesengespenst durch Zauberey gemacht werden
könne.
Er thut den Schwartzkünstlern, Ne-
gromanten und Teufelsbeschweerern die Ehre
an, daß er mit dem Pöbel voraussetzet, sie kön-

nen
E 3

des deutſchen Witzes.
hypothetiſch annehme, daß es der Zauberey
moͤglich ſey/ ein ſolch Rieſengeſpenſt zu machen.

Es mußte eine ſolche gemeine und von niemand
in Zweifel gezogene Wahrheit ſeyn, zu bewei-
ſen, daß er nicht aus Dummheit handelte. Die-
ſe mußte aber in eine ziemliche Dunckelheit ein-
gehuͤllet werden, damit ſie neu und vortrefflich
ſchiene.

Es iſt unleugbar, daß nicht alle Vorſtellun-
gen, ſie moͤgen ſeyn wie ſie wollen, und mit
was vor Umſtaͤnden ſie gleich begleitet ſeyn, fuͤr
alle Leute gleich viel Wahrſcheinlichkeit haben.
Es iſt genug, daß eine Erdichtung auf ein ange-
nommenes Syſtema einer Religion, einer Sec-
te, eines Aberglaubens, Wahnes, Betruges
der Sinnen, oder der Phantaſie gebauet werde.
Wenn hernach nur alle Umſtaͤnde in derſelben
unter ſich zuſammenhangen, ſo bekoͤmmt ſie eben
ſo viel Wahrſcheinlichkeit, als das Syſtema,
worauf ſie ſich bezieht, ſelber in ſich hat, oder ein
Leſer ſelbigem in ſeinen Gedancken einraͤumt. Der
Hr. Pitſchel wuͤrde nun einen geiſtigen Athos,
ſo nennet er Miltons Satan wegen ſeiner auſ-
ſerordentlichen Groͤſſe, den er ſonſt auch mit dem
Titel einer Teufelsmaſchine beehret, in den He-
renmaͤhrchen dulden
weil er darinnen zwar kei-
ne abſolute Wahrſcheinlichkeit
findet, jedoch
ſich nach der Hypotheſis bequemet, daß ein ſolch
Rieſengeſpenſt durch Zauberey gemacht werden
koͤnne.
Er thut den Schwartzkuͤnſtlern, Ne-
gromanten und Teufelsbeſchweerern die Ehre
an, daß er mit dem Poͤbel vorausſetzet, ſie koͤn-

nen
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0069" n="69"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des deut&#x017F;chen Witzes.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">hypotheti&#x017F;ch annehme, daß es der Zauberey<lb/>
mo&#x0364;glich &#x017F;ey/ ein &#x017F;olch Rie&#x017F;enge&#x017F;pen&#x017F;t zu machen.</hi><lb/>
Es mußte eine &#x017F;olche gemeine und von niemand<lb/>
in Zweifel gezogene Wahrheit &#x017F;eyn, zu bewei-<lb/>
&#x017F;en, daß er <hi rendition="#fr">nicht aus Dummheit handelte.</hi> Die-<lb/>
&#x017F;e mußte aber in eine ziemliche Dunckelheit ein-<lb/>
gehu&#x0364;llet werden, damit &#x017F;ie neu und vortrefflich<lb/>
&#x017F;chiene.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t unleugbar, daß nicht alle Vor&#x017F;tellun-<lb/>
gen, &#x017F;ie mo&#x0364;gen &#x017F;eyn wie &#x017F;ie wollen, und mit<lb/>
was vor Um&#x017F;ta&#x0364;nden &#x017F;ie gleich begleitet &#x017F;eyn, fu&#x0364;r<lb/>
alle Leute gleich viel Wahr&#x017F;cheinlichkeit haben.<lb/>
Es i&#x017F;t genug, daß eine Erdichtung auf ein ange-<lb/>
nommenes Sy&#x017F;tema einer Religion, einer Sec-<lb/>
te, eines Aberglaubens, Wahnes, Betruges<lb/>
der Sinnen, oder der Phanta&#x017F;ie gebauet werde.<lb/>
Wenn hernach nur alle Um&#x017F;ta&#x0364;nde in der&#x017F;elben<lb/>
unter &#x017F;ich zu&#x017F;ammenhangen, &#x017F;o beko&#x0364;mmt &#x017F;ie eben<lb/>
&#x017F;o viel Wahr&#x017F;cheinlichkeit, als das Sy&#x017F;tema,<lb/>
worauf &#x017F;ie &#x017F;ich bezieht, &#x017F;elber in &#x017F;ich hat, oder ein<lb/>
Le&#x017F;er &#x017F;elbigem in &#x017F;einen Gedancken einra&#x0364;umt. Der<lb/>
Hr. Pit&#x017F;chel wu&#x0364;rde nun einen <hi rendition="#fr">gei&#x017F;tigen Athos,</hi><lb/>
&#x017F;o nennet er Miltons Satan wegen &#x017F;einer au&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erordentlichen Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, den er &#x017F;on&#x017F;t auch mit dem<lb/>
Titel einer <hi rendition="#fr">Teufelsma&#x017F;chine</hi> beehret, <hi rendition="#fr">in den He-<lb/>
renma&#x0364;hrchen dulden</hi> weil er darinnen zwar <hi rendition="#fr">kei-<lb/>
ne ab&#x017F;olute Wahr&#x017F;cheinlichkeit</hi> findet, jedoch<lb/>
&#x017F;ich nach der Hypothe&#x017F;is bequemet, daß <hi rendition="#fr">ein &#x017F;olch<lb/>
Rie&#x017F;enge&#x017F;pen&#x017F;t durch Zauberey gemacht werden<lb/>
ko&#x0364;nne.</hi> Er thut den Schwartzku&#x0364;n&#x017F;tlern, Ne-<lb/>
gromanten und Teufelsbe&#x017F;chweerern die Ehre<lb/>
an, daß er mit dem Po&#x0364;bel voraus&#x017F;etzet, &#x017F;ie ko&#x0364;n-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 3</fw><fw place="bottom" type="catch">nen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0069] des deutſchen Witzes. hypothetiſch annehme, daß es der Zauberey moͤglich ſey/ ein ſolch Rieſengeſpenſt zu machen. Es mußte eine ſolche gemeine und von niemand in Zweifel gezogene Wahrheit ſeyn, zu bewei- ſen, daß er nicht aus Dummheit handelte. Die- ſe mußte aber in eine ziemliche Dunckelheit ein- gehuͤllet werden, damit ſie neu und vortrefflich ſchiene. Es iſt unleugbar, daß nicht alle Vorſtellun- gen, ſie moͤgen ſeyn wie ſie wollen, und mit was vor Umſtaͤnden ſie gleich begleitet ſeyn, fuͤr alle Leute gleich viel Wahrſcheinlichkeit haben. Es iſt genug, daß eine Erdichtung auf ein ange- nommenes Syſtema einer Religion, einer Sec- te, eines Aberglaubens, Wahnes, Betruges der Sinnen, oder der Phantaſie gebauet werde. Wenn hernach nur alle Umſtaͤnde in derſelben unter ſich zuſammenhangen, ſo bekoͤmmt ſie eben ſo viel Wahrſcheinlichkeit, als das Syſtema, worauf ſie ſich bezieht, ſelber in ſich hat, oder ein Leſer ſelbigem in ſeinen Gedancken einraͤumt. Der Hr. Pitſchel wuͤrde nun einen geiſtigen Athos, ſo nennet er Miltons Satan wegen ſeiner auſ- ſerordentlichen Groͤſſe, den er ſonſt auch mit dem Titel einer Teufelsmaſchine beehret, in den He- renmaͤhrchen dulden weil er darinnen zwar kei- ne abſolute Wahrſcheinlichkeit findet, jedoch ſich nach der Hypotheſis bequemet, daß ein ſolch Rieſengeſpenſt durch Zauberey gemacht werden koͤnne. Er thut den Schwartzkuͤnſtlern, Ne- gromanten und Teufelsbeſchweerern die Ehre an, daß er mit dem Poͤbel vorausſetzet, ſie koͤn- nen E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/69
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/69>, abgerufen am 27.04.2024.