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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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I. Die Schutzwaffen.
der anderen ist er platt geschlagen, so dass die übereinanderliegenden
[Abbildung] Fig. 158.

Holzstatuette Her-
zog Philipps des Guten
von Bur-
gund (1419--1467). Kopie einer
Statue vom Ende des 15. Jahrhunderts
am Stadthause zu Amsterdam, die 1652
beim Brande zerstört wurde. Arbeit
des Artur Quellinus. Nach van der
Kellen, Nederlands Oudheden.

Ringe fast eine Schuppendecke bil-
den. Panzerhemden, in letzterer
Form gebildet, nannten die Italiener
speciell "maglia ghiazzerina" und sie
sind als die eigentlichen Jazerins*) an-
zusehen, über welche unter den Archäo-
logen so verschiedene Ansichten herr
schen. (Fig. 157).

Bei Betrachtung der ältesten
aus dem Oriente stammenden Panzer-
hemden kommt man zu der Ver-
mutung, dass die Orientalen schon
weit früher als die Europäer die
Kunst des Drahtziehens gekannt
haben. Die Ringelchen von sehr
geringem Durchmesser sind, nicht
immer, doch häufig, aus gezogenem
Draht und durchaus so tadellos ver-
schweisst, dass wir über die Geschick-
lichkeit der Meister uns erstaunen.

Wir haben bereits zu erwähnen
Gelegenheit gehabt, dass der Ring-
panzer schon in antiker Zeit und
vorwiegend von den Truppen des
oströmischen Reiches getragen wurde.
Nach dem Norden Europas gelangte
er schon im 6. Jahrhundert als Han-
delsartikel.

Die Araber scheinen das Draht-
hemd aus Indien erhalten zu haben,
im 2. Jahrhundert ist es aber bereits
ein heimischer Artikel. Die älteste
Nachricht über selbes lesen wir im
Koran, (Sure 34, -- Saba v. 34),
es heisst darin, dass Gott unter den
Händen Davids (Daaud) das Eisen
erweichte und zu diesem sprach:

"Mache vollkommene Panzer

*) Im Inventare der Waffen Louis' X. von Frankreich von 1316 heisst es:
,Item, une couverture de jazeran de fer. Item, une couverture de mailles rondes
demy cloees. Item, une couverture gamboisees des armes le roy et unes Indes
jazeguenees." -- Jeanne d'Arc war bei der Einnahme von Orleans, als sie durch
den Bolzen einer Armrust verwundet wurde, mit einem Jazerin bekleidet. Ebenso
finden wir den Jazerin im Roman des Gaydon: "Sor l'anqueton vesti l'hauberk-jazeran".

I. Die Schutzwaffen.
der anderen ist er platt geschlagen, so daſs die übereinanderliegenden
[Abbildung] Fig. 158.

Holzstatuette Her-
zog Philipps des Guten
von Bur-
gund (1419—1467). Kopie einer
Statue vom Ende des 15. Jahrhunderts
am Stadthause zu Amsterdam, die 1652
beim Brande zerstört wurde. Arbeit
des Artur Quellinus. Nach van der
Kellen, Nederlands Oudheden.

Ringe fast eine Schuppendecke bil-
den. Panzerhemden, in letzterer
Form gebildet, nannten die Italiener
speciell „maglia ghiazzerina“ und sie
sind als die eigentlichen Jazerins*) an-
zusehen, über welche unter den Archäo-
logen so verschiedene Ansichten herr
schen. (Fig. 157).

Bei Betrachtung der ältesten
aus dem Oriente stammenden Panzer-
hemden kommt man zu der Ver-
mutung, daſs die Orientalen schon
weit früher als die Europäer die
Kunst des Drahtziehens gekannt
haben. Die Ringelchen von sehr
geringem Durchmesser sind, nicht
immer, doch häufig, aus gezogenem
Draht und durchaus so tadellos ver-
schweiſst, daſs wir über die Geschick-
lichkeit der Meister uns erstaunen.

Wir haben bereits zu erwähnen
Gelegenheit gehabt, daſs der Ring-
panzer schon in antiker Zeit und
vorwiegend von den Truppen des
oströmischen Reiches getragen wurde.
Nach dem Norden Europas gelangte
er schon im 6. Jahrhundert als Han-
delsartikel.

Die Araber scheinen das Draht-
hemd aus Indien erhalten zu haben,
im 2. Jahrhundert ist es aber bereits
ein heimischer Artikel. Die älteste
Nachricht über selbes lesen wir im
Koran, (Sure 34, — Saba v. 34),
es heiſst darin, daſs Gott unter den
Händen Davids (Daûd) das Eisen
erweichte und zu diesem sprach:

„Mache vollkommene Panzer

*) Im Inventare der Waffen Louis’ X. von Frankreich von 1316 heiſst es:
‚Item, une couverture de jazeran de fer. Item, une couverture de mailles rondes
demy cloées. Item, une couverture gamboisées des armes le roy et unes Indes
jazeguenées.“ — Jeanne d’Arc war bei der Einnahme von Orleans, als sie durch
den Bolzen einer Armrust verwundet wurde, mit einem Jazerin bekleidet. Ebenso
finden wir den Jazerin im Roman des Gaydon: „Sor l’anqueton vesti l’hauberk-jazeran“.
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[144/0162] I. Die Schutzwaffen. der anderen ist er platt geschlagen, so daſs die übereinanderliegenden [Abbildung Fig. 158. Holzstatuette Her- zog Philipps des Guten von Bur- gund (1419—1467). Kopie einer Statue vom Ende des 15. Jahrhunderts am Stadthause zu Amsterdam, die 1652 beim Brande zerstört wurde. Arbeit des Artur Quellinus. Nach van der Kellen, Nederlands Oudheden.] Ringe fast eine Schuppendecke bil- den. Panzerhemden, in letzterer Form gebildet, nannten die Italiener speciell „maglia ghiazzerina“ und sie sind als die eigentlichen Jazerins *) an- zusehen, über welche unter den Archäo- logen so verschiedene Ansichten herr schen. (Fig. 157). Bei Betrachtung der ältesten aus dem Oriente stammenden Panzer- hemden kommt man zu der Ver- mutung, daſs die Orientalen schon weit früher als die Europäer die Kunst des Drahtziehens gekannt haben. Die Ringelchen von sehr geringem Durchmesser sind, nicht immer, doch häufig, aus gezogenem Draht und durchaus so tadellos ver- schweiſst, daſs wir über die Geschick- lichkeit der Meister uns erstaunen. Wir haben bereits zu erwähnen Gelegenheit gehabt, daſs der Ring- panzer schon in antiker Zeit und vorwiegend von den Truppen des oströmischen Reiches getragen wurde. Nach dem Norden Europas gelangte er schon im 6. Jahrhundert als Han- delsartikel. Die Araber scheinen das Draht- hemd aus Indien erhalten zu haben, im 2. Jahrhundert ist es aber bereits ein heimischer Artikel. Die älteste Nachricht über selbes lesen wir im Koran, (Sure 34, — Saba v. 34), es heiſst darin, daſs Gott unter den Händen Davids (Daûd) das Eisen erweichte und zu diesem sprach: „Mache vollkommene Panzer *) Im Inventare der Waffen Louis’ X. von Frankreich von 1316 heiſst es: ‚Item, une couverture de jazeran de fer. Item, une couverture de mailles rondes demy cloées. Item, une couverture gamboisées des armes le roy et unes Indes jazeguenées.“ — Jeanne d’Arc war bei der Einnahme von Orleans, als sie durch den Bolzen einer Armrust verwundet wurde, mit einem Jazerin bekleidet. Ebenso finden wir den Jazerin im Roman des Gaydon: „Sor l’anqueton vesti l’hauberk-jazeran“.

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/162>, abgerufen am 29.04.2024.