wegung einzuklemmen und festzuhalten. Endlich finden sich unter diesen Schilden auch solche, welche aus zwei auf geringe Entfernung übereinander lagernden Blättern bestehen. Das obere ist mit vielen Spalten und Löchern versehen, deren Ränder derart schräg laufen, dass bei jedem Stiche die Klinge des Gegners in eine solche Öffnung gleiten muss. Mit einer drehenden Bewegung des Schildes konnte nun die Klingenspitze eingeklemmt werden. Nächtliche Überfälle waren bei den Spaniern und Italienern sehr beliebt, in solchen bestand ein wesentlicher Teil ihrer Taktik. Nicht selten veranstalten sie nächtliche Überfälle, wobei die Hemden über die Harnische ange- zogen, um sich gegenseitig leichter zu erkennen und den Gegner durch den ungewohnten Anblick in Schrecken zu versetzen. Derlei Unternehmungen hiessen die Spanier Camisaden, von dem spa- nischen "camisa", Hemd. Man wendete sie auch gegen die Türken an. Aus diesem Grunde sind viele ihrer Schilde am oberen Rande mit kreisrunden Ausschnitten für einzufügende Blendlaternen versehen, solche werden Laternenschilde genannt. (Fig. 201 a und b.)
Bei den Spaniern führten nur die ersten Reihen der Angreifen- den derlei Schilde, die übrigen trugen entweder nur Faustschilde oder, wenn mit Stangenwaffen ausgerüstet, gar keine Schilde.
Von den Spaniern kam der Gebrauch der Schilde im Laufe des 16. Jahrhunderts zu den Niederländern. Diese führten beim Angriffe in ihren vorderen Reihen Rundschilde von einfacher Form. Bei der Zunahme der Wirkung der Feuerwaffen wurden selbe immer stärker und schwerer, um Deckung zu bieten, ja es wurde kein Schild vom Plattner angenommen, der nicht durch sein Kugelmal anzeigte, dass ein Probeschuss, aus einem Halbhaken auf 100 Schritte abge- schossen, keine seine volle Brauchbarkeit beeinträchtigende Wirkung ausgeübt hatte. Ihr Gewicht ist bei einzelnen Exemplaren 9 bis 10 kg.
Eine besondere Form eines Schildes, die sich in der Tragart wie im Gebrauche wesentlich von allen anderen Schildformen unterscheidet, erblicken wir in dem sogenannten Faustschild (boce, bocete, ron- delle de poing, ital. brochiero). Wir haben bereits erwähnt, dass derselbe schon im 8. Jahrhundert bei den Byzantinern auftritt, was wieder auf seinen orientalischen Ursprung schliessen lässt. Der Faust- schild, hauptsächlich auf den Einzelkampf berechnet, soll eigent- lich nicht allein vor der feindlichen Waffe eine passive Deckung bieten, sondern auch bei geschickter Handhabung den Schwerthieb ablenken oder parieren. Mit Faustschilden bewaffnete Krieger finden wir schon um 1200, wie auf einem Rufhorn (Olifant), bei Eye I. In französischen Handschriften sehen wir sie häufig abgebildet, wie im breviaire d'amour der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, in der National- bibliothek zu Paris und im Tristan um 1260 ebendaselbst. Der Faustschild, anfänglich nur in Italien und der Provence üblich, fand im 14. Jahrhundert auch in Deutschland Eingang, wo er aber aus-
I. Die Schutzwaffen.
wegung einzuklemmen und festzuhalten. Endlich finden sich unter diesen Schilden auch solche, welche aus zwei auf geringe Entfernung übereinander lagernden Blättern bestehen. Das obere ist mit vielen Spalten und Löchern versehen, deren Ränder derart schräg laufen, daſs bei jedem Stiche die Klinge des Gegners in eine solche Öffnung gleiten muſs. Mit einer drehenden Bewegung des Schildes konnte nun die Klingenspitze eingeklemmt werden. Nächtliche Überfälle waren bei den Spaniern und Italienern sehr beliebt, in solchen bestand ein wesentlicher Teil ihrer Taktik. Nicht selten veranstalten sie nächtliche Überfälle, wobei die Hemden über die Harnische ange- zogen, um sich gegenseitig leichter zu erkennen und den Gegner durch den ungewohnten Anblick in Schrecken zu versetzen. Derlei Unternehmungen hieſsen die Spanier Camisaden, von dem spa- nischen „camisa“, Hemd. Man wendete sie auch gegen die Türken an. Aus diesem Grunde sind viele ihrer Schilde am oberen Rande mit kreisrunden Ausschnitten für einzufügende Blendlaternen versehen, solche werden Laternenschilde genannt. (Fig. 201 a und b.)
Bei den Spaniern führten nur die ersten Reihen der Angreifen- den derlei Schilde, die übrigen trugen entweder nur Faustschilde oder, wenn mit Stangenwaffen ausgerüstet, gar keine Schilde.
Von den Spaniern kam der Gebrauch der Schilde im Laufe des 16. Jahrhunderts zu den Niederländern. Diese führten beim Angriffe in ihren vorderen Reihen Rundschilde von einfacher Form. Bei der Zunahme der Wirkung der Feuerwaffen wurden selbe immer stärker und schwerer, um Deckung zu bieten, ja es wurde kein Schild vom Plattner angenommen, der nicht durch sein Kugelmal anzeigte, daſs ein Probeschuſs, aus einem Halbhaken auf 100 Schritte abge- schossen, keine seine volle Brauchbarkeit beeinträchtigende Wirkung ausgeübt hatte. Ihr Gewicht ist bei einzelnen Exemplaren 9 bis 10 kg.
Eine besondere Form eines Schildes, die sich in der Tragart wie im Gebrauche wesentlich von allen anderen Schildformen unterscheidet, erblicken wir in dem sogenannten Faustschild (boce, bocète, ron- delle de poing, ital. brochiero). Wir haben bereits erwähnt, daſs derselbe schon im 8. Jahrhundert bei den Byzantinern auftritt, was wieder auf seinen orientalischen Ursprung schlieſsen läſst. Der Faust- schild, hauptsächlich auf den Einzelkampf berechnet, soll eigent- lich nicht allein vor der feindlichen Waffe eine passive Deckung bieten, sondern auch bei geschickter Handhabung den Schwerthieb ablenken oder parieren. Mit Faustschilden bewaffnete Krieger finden wir schon um 1200, wie auf einem Rufhorn (Olifant), bei Eye I. In französischen Handschriften sehen wir sie häufig abgebildet, wie im bréviaire d’amour der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, in der National- bibliothek zu Paris und im Tristan um 1260 ebendaselbst. Der Faustschild, anfänglich nur in Italien und der Provence üblich, fand im 14. Jahrhundert auch in Deutschland Eingang, wo er aber aus-
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I. Die Schutzwaffen.
wegung einzuklemmen und festzuhalten. Endlich finden sich unter
diesen Schilden auch solche, welche aus zwei auf geringe Entfernung
übereinander lagernden Blättern bestehen. Das obere ist mit vielen
Spalten und Löchern versehen, deren Ränder derart schräg laufen,
daſs bei jedem Stiche die Klinge des Gegners in eine solche Öffnung
gleiten muſs. Mit einer drehenden Bewegung des Schildes konnte
nun die Klingenspitze eingeklemmt werden. Nächtliche Überfälle
waren bei den Spaniern und Italienern sehr beliebt, in solchen bestand
ein wesentlicher Teil ihrer Taktik. Nicht selten veranstalten sie
nächtliche Überfälle, wobei die Hemden über die Harnische ange-
zogen, um sich gegenseitig leichter zu erkennen und den Gegner
durch den ungewohnten Anblick in Schrecken zu versetzen. Derlei
Unternehmungen hieſsen die Spanier Camisaden, von dem spa-
nischen „camisa“, Hemd. Man wendete sie auch gegen die Türken an.
Aus diesem Grunde sind viele ihrer Schilde am oberen Rande mit
kreisrunden Ausschnitten für einzufügende Blendlaternen versehen,
solche werden Laternenschilde genannt. (Fig. 201 a und b.)
Bei den Spaniern führten nur die ersten Reihen der Angreifen-
den derlei Schilde, die übrigen trugen entweder nur Faustschilde oder,
wenn mit Stangenwaffen ausgerüstet, gar keine Schilde.
Von den Spaniern kam der Gebrauch der Schilde im Laufe des
16. Jahrhunderts zu den Niederländern. Diese führten beim Angriffe
in ihren vorderen Reihen Rundschilde von einfacher Form. Bei der
Zunahme der Wirkung der Feuerwaffen wurden selbe immer stärker
und schwerer, um Deckung zu bieten, ja es wurde kein Schild
vom Plattner angenommen, der nicht durch sein Kugelmal anzeigte,
daſs ein Probeschuſs, aus einem Halbhaken auf 100 Schritte abge-
schossen, keine seine volle Brauchbarkeit beeinträchtigende Wirkung
ausgeübt hatte. Ihr Gewicht ist bei einzelnen Exemplaren 9 bis 10 kg.
Eine besondere Form eines Schildes, die sich in der Tragart wie
im Gebrauche wesentlich von allen anderen Schildformen unterscheidet,
erblicken wir in dem sogenannten Faustschild (boce, bocète, ron-
delle de poing, ital. brochiero). Wir haben bereits erwähnt, daſs
derselbe schon im 8. Jahrhundert bei den Byzantinern auftritt, was
wieder auf seinen orientalischen Ursprung schlieſsen läſst. Der Faust-
schild, hauptsächlich auf den Einzelkampf berechnet, soll eigent-
lich nicht allein vor der feindlichen Waffe eine passive Deckung
bieten, sondern auch bei geschickter Handhabung den Schwerthieb
ablenken oder parieren. Mit Faustschilden bewaffnete Krieger finden
wir schon um 1200, wie auf einem Rufhorn (Olifant), bei Eye I. In
französischen Handschriften sehen wir sie häufig abgebildet, wie im
bréviaire d’amour der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, in der National-
bibliothek zu Paris und im Tristan um 1260 ebendaselbst. Der
Faustschild, anfänglich nur in Italien und der Provence üblich, fand
im 14. Jahrhundert auch in Deutschland Eingang, wo er aber aus-
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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/208>, abgerufen am 03.05.2024.
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