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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Laß uns aber noch ein Wörtchen über den Bienenstaat
philosophieren.

In dem Ausdruck "Staat", weißt du, liegt eigentlich eine
gefährliche Quelle von Mißverständnissen. Zumal, wenn du
dich nun auch noch gewöhnt hast, von einer "Königin" zu
sprechen. Es kommt das Phantasiebild einer bestimmten Form
des monarchischen Staates nach Menschenart heraus: eine
Königin herrschend an der Spitze, -- in den Drohnen eine
Art fauler Aristokratie, -- das große Volk aber mehr oder
minder unterdrücktes Arbeiterprolelariat. Das klingt nun
hübsch: die Drohnenabschlachterei erscheint sogar wie die regel¬
rechte Revolution eines zum Bersten eingeengten sozialen
Standes, und so lassen sich der Analogieen im Märchen noch
mehr ausmalen. Aber gerade mit solcher losen Analogie siehst
du am wenigsten in den Kern der Sache, ja du siehst, was
die Hauptsache ist, nicht in das, was man wirklich lehrreich
auf Menschenverhältnisse hin aus solchem Bienenstaat folgern
könnte.

Du mußt dir ganz klar bleiben: der Bienenstaat, magst
du ihn immerhin einen "Staat" nennen -- (eine soziale Ver¬
einigung Vieler zu einer gewissen Einheit ist er ja zweifellos),
baut sich seinem ganzen Wesen nach auf einem einzigen Prinzip
auf: nämlich der Liebe. Er ist ein "Liebesstaat" in des
Wortes verwegenster Bedeutung. Von einer echten Tyrannis
mit einer absolut herrschenden wirklichen Königin kann gar
keine Rede sein, das ganze Wort "Königin" ist nur ein un¬
genaues Bild. Und ebenso wenig sind die Drohnen eine

Laß uns aber noch ein Wörtchen über den Bienenſtaat
philoſophieren.

In dem Ausdruck „Staat“, weißt du, liegt eigentlich eine
gefährliche Quelle von Mißverſtändniſſen. Zumal, wenn du
dich nun auch noch gewöhnt haſt, von einer „Königin“ zu
ſprechen. Es kommt das Phantaſiebild einer beſtimmten Form
des monarchiſchen Staates nach Menſchenart heraus: eine
Königin herrſchend an der Spitze, — in den Drohnen eine
Art fauler Ariſtokratie, — das große Volk aber mehr oder
minder unterdrücktes Arbeiterprolelariat. Das klingt nun
hübſch: die Drohnenabſchlachterei erſcheint ſogar wie die regel¬
rechte Revolution eines zum Berſten eingeengten ſozialen
Standes, und ſo laſſen ſich der Analogieen im Märchen noch
mehr ausmalen. Aber gerade mit ſolcher loſen Analogie ſiehſt
du am wenigſten in den Kern der Sache, ja du ſiehſt, was
die Hauptſache iſt, nicht in das, was man wirklich lehrreich
auf Menſchenverhältniſſe hin aus ſolchem Bienenſtaat folgern
könnte.

Du mußt dir ganz klar bleiben: der Bienenſtaat, magſt
du ihn immerhin einen „Staat“ nennen — (eine ſoziale Ver¬
einigung Vieler zu einer gewiſſen Einheit iſt er ja zweifellos),
baut ſich ſeinem ganzen Weſen nach auf einem einzigen Prinzip
auf: nämlich der Liebe. Er iſt ein „Liebesſtaat“ in des
Wortes verwegenſter Bedeutung. Von einer echten Tyrannis
mit einer abſolut herrſchenden wirklichen Königin kann gar
keine Rede ſein, das ganze Wort „Königin“ iſt nur ein un¬
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[391/0407] Laß uns aber noch ein Wörtchen über den Bienenſtaat philoſophieren. In dem Ausdruck „Staat“, weißt du, liegt eigentlich eine gefährliche Quelle von Mißverſtändniſſen. Zumal, wenn du dich nun auch noch gewöhnt haſt, von einer „Königin“ zu ſprechen. Es kommt das Phantaſiebild einer beſtimmten Form des monarchiſchen Staates nach Menſchenart heraus: eine Königin herrſchend an der Spitze, — in den Drohnen eine Art fauler Ariſtokratie, — das große Volk aber mehr oder minder unterdrücktes Arbeiterprolelariat. Das klingt nun hübſch: die Drohnenabſchlachterei erſcheint ſogar wie die regel¬ rechte Revolution eines zum Berſten eingeengten ſozialen Standes, und ſo laſſen ſich der Analogieen im Märchen noch mehr ausmalen. Aber gerade mit ſolcher loſen Analogie ſiehſt du am wenigſten in den Kern der Sache, ja du ſiehſt, was die Hauptſache iſt, nicht in das, was man wirklich lehrreich auf Menſchenverhältniſſe hin aus ſolchem Bienenſtaat folgern könnte. Du mußt dir ganz klar bleiben: der Bienenſtaat, magſt du ihn immerhin einen „Staat“ nennen — (eine ſoziale Ver¬ einigung Vieler zu einer gewiſſen Einheit iſt er ja zweifellos), baut ſich ſeinem ganzen Weſen nach auf einem einzigen Prinzip auf: nämlich der Liebe. Er iſt ein „Liebesſtaat“ in des Wortes verwegenſter Bedeutung. Von einer echten Tyrannis mit einer abſolut herrſchenden wirklichen Königin kann gar keine Rede ſein, das ganze Wort „Königin“ iſt nur ein un¬ genaues Bild. Und ebenſo wenig ſind die Drohnen eine

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/407>, abgerufen am 29.04.2024.