Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

gehalten; die neue Regierung vernachlässigte den,
der so viel gethan, die alte zu stürzen. Benjamin
Constant hatte unter allen Liberalen die reinste Ge¬
sinnung, und er war der gediegenste Redner. Es
gab Andere, die glänzender sprachen, aber es war
doch nur Alles vergoldetes Kupfer. Er hatte Recht,
durch und durch. Er hatte einen deutschen Kopf und
ein französisches Herz.

Gestern sind die Minister nach dem Luxembourg
gebracht worden. Sie sollen sehr niedergeschlagen
aussehen und Polignac sehr mager geworden seyn.
Mittwoch geht der Prozeß an und bis Weihnachten
wird er geendigt seyn. Ich durfte nicht daran den¬
ken, mir ein Billet für die Pairs-Kammer zu ver¬
schaffen, es war nicht durchzusetzen. Der Plätze sind
zu wenige. Vierzig Journalisten, die Diplomaten
und andere solche Privilegirten müssen untergebracht
werden. Wie wäre wohl einem deutschen Minister
zu Muthe, wenn er in einem Saale mit vierzig
Zeitungsschreibern sitzen müßte. Er wäre lieber unter
Menschenfressern. Es dürfen keine Frauenzimmer in
die Pairs-Kammer, man fürchtet, sie möchten den
Mund nicht halten können. Große Ehre für das
Geschlecht! -- Von Polen wußte ich schon seit ge¬
stern. Das gehet gut. Es ist mir aber doch nicht
ganz recht; es wäre besser, die Polen hätten noch
gewartet mit ihrer Empörung. Ich wünsche Krieg

gehalten; die neue Regierung vernachläſſigte den,
der ſo viel gethan, die alte zu ſtürzen. Benjamin
Conſtant hatte unter allen Liberalen die reinſte Ge¬
ſinnung, und er war der gediegenſte Redner. Es
gab Andere, die glänzender ſprachen, aber es war
doch nur Alles vergoldetes Kupfer. Er hatte Recht,
durch und durch. Er hatte einen deutſchen Kopf und
ein franzöſiſches Herz.

Geſtern ſind die Miniſter nach dem Luxembourg
gebracht worden. Sie ſollen ſehr niedergeſchlagen
ausſehen und Polignac ſehr mager geworden ſeyn.
Mittwoch geht der Prozeß an und bis Weihnachten
wird er geendigt ſeyn. Ich durfte nicht daran den¬
ken, mir ein Billet für die Pairs-Kammer zu ver¬
ſchaffen, es war nicht durchzuſetzen. Der Plätze ſind
zu wenige. Vierzig Journaliſten, die Diplomaten
und andere ſolche Privilegirten müſſen untergebracht
werden. Wie wäre wohl einem deutſchen Miniſter
zu Muthe, wenn er in einem Saale mit vierzig
Zeitungsſchreibern ſitzen müßte. Er wäre lieber unter
Menſchenfreſſern. Es dürfen keine Frauenzimmer in
die Pairs-Kammer, man fürchtet, ſie möchten den
Mund nicht halten können. Große Ehre für das
Geſchlecht! — Von Polen wußte ich ſchon ſeit ge¬
ſtern. Das gehet gut. Es iſt mir aber doch nicht
ganz recht; es wäre beſſer, die Polen hätten noch
gewartet mit ihrer Empörung. Ich wünſche Krieg

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0139" n="125"/>
gehalten; die neue Regierung vernachlä&#x017F;&#x017F;igte den,<lb/>
der &#x017F;o viel gethan, die alte zu &#x017F;türzen. Benjamin<lb/>
Con&#x017F;tant hatte unter allen Liberalen die rein&#x017F;te Ge¬<lb/>
&#x017F;innung, und er war der gediegen&#x017F;te Redner. Es<lb/>
gab Andere, die glänzender &#x017F;prachen, aber es war<lb/>
doch nur Alles vergoldetes Kupfer. Er hatte Recht,<lb/>
durch und durch. Er hatte einen deut&#x017F;chen Kopf und<lb/>
ein franzö&#x017F;i&#x017F;ches Herz.</p><lb/>
          <p>Ge&#x017F;tern &#x017F;ind die Mini&#x017F;ter nach dem Luxembourg<lb/>
gebracht worden. Sie &#x017F;ollen &#x017F;ehr niederge&#x017F;chlagen<lb/>
aus&#x017F;ehen und Polignac &#x017F;ehr mager geworden &#x017F;eyn.<lb/>
Mittwoch geht der Prozeß an und bis Weihnachten<lb/>
wird er geendigt &#x017F;eyn. Ich durfte nicht daran den¬<lb/>
ken, mir ein Billet für die Pairs-Kammer zu ver¬<lb/>
&#x017F;chaffen, es war nicht durchzu&#x017F;etzen. Der Plätze &#x017F;ind<lb/>
zu wenige. Vierzig Journali&#x017F;ten, die Diplomaten<lb/>
und andere &#x017F;olche Privilegirten mü&#x017F;&#x017F;en untergebracht<lb/>
werden. Wie wäre wohl einem deut&#x017F;chen Mini&#x017F;ter<lb/>
zu Muthe, wenn er in einem Saale mit vierzig<lb/>
Zeitungs&#x017F;chreibern &#x017F;itzen müßte. Er wäre lieber unter<lb/>
Men&#x017F;chenfre&#x017F;&#x017F;ern. Es dürfen keine Frauenzimmer in<lb/>
die Pairs-Kammer, man fürchtet, &#x017F;ie möchten den<lb/>
Mund nicht halten können. Große Ehre für das<lb/>
Ge&#x017F;chlecht! &#x2014; Von Polen wußte ich &#x017F;chon &#x017F;eit ge¬<lb/>
&#x017F;tern. Das gehet gut. Es i&#x017F;t mir aber doch nicht<lb/>
ganz recht; es wäre be&#x017F;&#x017F;er, die Polen hätten noch<lb/>
gewartet mit ihrer Empörung. Ich wün&#x017F;che Krieg<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0139] gehalten; die neue Regierung vernachläſſigte den, der ſo viel gethan, die alte zu ſtürzen. Benjamin Conſtant hatte unter allen Liberalen die reinſte Ge¬ ſinnung, und er war der gediegenſte Redner. Es gab Andere, die glänzender ſprachen, aber es war doch nur Alles vergoldetes Kupfer. Er hatte Recht, durch und durch. Er hatte einen deutſchen Kopf und ein franzöſiſches Herz. Geſtern ſind die Miniſter nach dem Luxembourg gebracht worden. Sie ſollen ſehr niedergeſchlagen ausſehen und Polignac ſehr mager geworden ſeyn. Mittwoch geht der Prozeß an und bis Weihnachten wird er geendigt ſeyn. Ich durfte nicht daran den¬ ken, mir ein Billet für die Pairs-Kammer zu ver¬ ſchaffen, es war nicht durchzuſetzen. Der Plätze ſind zu wenige. Vierzig Journaliſten, die Diplomaten und andere ſolche Privilegirten müſſen untergebracht werden. Wie wäre wohl einem deutſchen Miniſter zu Muthe, wenn er in einem Saale mit vierzig Zeitungsſchreibern ſitzen müßte. Er wäre lieber unter Menſchenfreſſern. Es dürfen keine Frauenzimmer in die Pairs-Kammer, man fürchtet, ſie möchten den Mund nicht halten können. Große Ehre für das Geſchlecht! — Von Polen wußte ich ſchon ſeit ge¬ ſtern. Das gehet gut. Es iſt mir aber doch nicht ganz recht; es wäre beſſer, die Polen hätten noch gewartet mit ihrer Empörung. Ich wünſche Krieg

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/139
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/139>, abgerufen am 27.04.2024.