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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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quel brave homme! je jure de ne jamais la
laver
! Wenn mir einmal ein König die Hand drückte,
im Feuer wollte ich sie reinigen, das kann gefährlich
werden, wenn der Druck in das Blut übergeht.

Neulich war eine Auction von den Meublen,
Kleidungsstücken und andern Hinterlassenschaften der
Herzogin von Berry. Das hätte ich nicht versäumen
sollen. Die treuen Royalisten waren alle da, und
kauften Reliquien zu ungeheuren Preisen. Für ein
Paar Handschuhe, welche die Berry getragen, wur¬
den sechzig Franken bezahlt. Gleich interessant waren
auch die Versteigerungen der Sachen des Königs:
der Krönungswagen unter andern; 7000 Flaschen
Wein des königlichen Privat-Kellers, Weine enthal¬
tend, welche seit funfzig Jahren von allen Fürsten
der Welt, an Ludwig XVI., Napoleon, Ludwig XVIII.,
Charles X. geschenkt worden. Die Geschichte dieser
Weine soll merkwürdig gewesen seyn. Alle solche
humoristische Stoffe für eine geschickte Feder, werden
aber von den hiesigen Blättern selten und ungeschickt
benutzt. Es fehlt diesen Herren an deutscher Philo¬
sophie und Tiefe der Empfindung. Es ist wahr,
der Figaro zum Beispiel hat angenehmen Witz und
ist schön faconnirt: liest man ihn aber einige Zeit,
so siehet man, daß alles nur plattirt ist; man
braucht nur zu reiben und das Gold gehet ab.
Nichts gediegen, nichts durchgehend. Eins der besten

quel brave homme! je jure de ne jamais la
laver
! Wenn mir einmal ein König die Hand drückte,
im Feuer wollte ich ſie reinigen, das kann gefährlich
werden, wenn der Druck in das Blut übergeht.

Neulich war eine Auction von den Meublen,
Kleidungsſtücken und andern Hinterlaſſenſchaften der
Herzogin von Berry. Das hätte ich nicht verſäumen
ſollen. Die treuen Royaliſten waren alle da, und
kauften Reliquien zu ungeheuren Preiſen. Für ein
Paar Handſchuhe, welche die Berry getragen, wur¬
den ſechzig Franken bezahlt. Gleich intereſſant waren
auch die Verſteigerungen der Sachen des Königs:
der Krönungswagen unter andern; 7000 Flaſchen
Wein des königlichen Privat-Kellers, Weine enthal¬
tend, welche ſeit funfzig Jahren von allen Fürſten
der Welt, an Ludwig XVI., Napoleon, Ludwig XVIII.,
Charles X. geſchenkt worden. Die Geſchichte dieſer
Weine ſoll merkwürdig geweſen ſeyn. Alle ſolche
humoriſtiſche Stoffe für eine geſchickte Feder, werden
aber von den hieſigen Blättern ſelten und ungeſchickt
benutzt. Es fehlt dieſen Herren an deutſcher Philo¬
ſophie und Tiefe der Empfindung. Es iſt wahr,
der Figaro zum Beiſpiel hat angenehmen Witz und
iſt ſchön façonnirt: lieſt man ihn aber einige Zeit,
ſo ſiehet man, daß alles nur plattirt iſt; man
braucht nur zu reiben und das Gold gehet ab.
Nichts gediegen, nichts durchgehend. Eins der beſten

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[127/0141] quel brave homme! je jure de ne jamais la laver! Wenn mir einmal ein König die Hand drückte, im Feuer wollte ich ſie reinigen, das kann gefährlich werden, wenn der Druck in das Blut übergeht. Neulich war eine Auction von den Meublen, Kleidungsſtücken und andern Hinterlaſſenſchaften der Herzogin von Berry. Das hätte ich nicht verſäumen ſollen. Die treuen Royaliſten waren alle da, und kauften Reliquien zu ungeheuren Preiſen. Für ein Paar Handſchuhe, welche die Berry getragen, wur¬ den ſechzig Franken bezahlt. Gleich intereſſant waren auch die Verſteigerungen der Sachen des Königs: der Krönungswagen unter andern; 7000 Flaſchen Wein des königlichen Privat-Kellers, Weine enthal¬ tend, welche ſeit funfzig Jahren von allen Fürſten der Welt, an Ludwig XVI., Napoleon, Ludwig XVIII., Charles X. geſchenkt worden. Die Geſchichte dieſer Weine ſoll merkwürdig geweſen ſeyn. Alle ſolche humoriſtiſche Stoffe für eine geſchickte Feder, werden aber von den hieſigen Blättern ſelten und ungeſchickt benutzt. Es fehlt dieſen Herren an deutſcher Philo¬ ſophie und Tiefe der Empfindung. Es iſt wahr, der Figaro zum Beiſpiel hat angenehmen Witz und iſt ſchön façonnirt: lieſt man ihn aber einige Zeit, ſo ſiehet man, daß alles nur plattirt iſt; man braucht nur zu reiben und das Gold gehet ab. Nichts gediegen, nichts durchgehend. Eins der beſten

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/141>, abgerufen am 28.04.2024.