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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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und das Fabrikwesen beider Völker, welches vor mir
die berühmtesten deutschen Historiker, die sich doch
immerfort rühmen, aus der Quelle zu schöpfen,
leichtsinnig übersehen haben. Sie sollen sich aber
den Kopf darüber nicht zerbrechen. Es ist gerade
nicht nöthig, daß Sie alles verstehen was ich sage,
ich selbst verstehe es nicht immer. Wie herrlich
wäre es, wenn beide Länder in allem so verschmolzen
wären, als es beide Völker heute Abend bei ***
waren. In wenigen Jahren wird es ein Jahrtau¬
send, daß Frankreich und Deutschland, die früher
nur ein Reich bildeten, getrennt wurden. Dieser
dumme Streich wurde, gleich allen dummen Streichen
in der Politik, auf einem Congresse beschlossen, zu
Verdün im Jahr 843. Aus jener Zeit stammen
auch die köstlichen eingemachten Früchte und Dra¬
gees, wegen welcher Verdün noch heute berühmt ist.
Einer der Congreß-Gesandten hatte sie erfunden,
und war dafür von seinem genädigen Herrn in den
Grafenstand erhoben worden. Ich hoffe im Jahre
1843 endiget das tausendjährige Reich des Anti¬
christs, nach dessen Vollendung die Herrschaft Gottes
und der Vernunft wieder eintreten wird. Wir haben
nehmlich den Plan gemacht, Frankreich und Deutsch¬
land wieder zu einem großen fränkischen Reiche zu
vereinigen. Zwar soll jedes Land seinen eignen
König behalten, aber beide Länder eine gemeinschaft¬

und das Fabrikweſen beider Völker, welches vor mir
die berühmteſten deutſchen Hiſtoriker, die ſich doch
immerfort rühmen, aus der Quelle zu ſchöpfen,
leichtſinnig überſehen haben. Sie ſollen ſich aber
den Kopf darüber nicht zerbrechen. Es iſt gerade
nicht nöthig, daß Sie alles verſtehen was ich ſage,
ich ſelbſt verſtehe es nicht immer. Wie herrlich
wäre es, wenn beide Länder in allem ſo verſchmolzen
wären, als es beide Völker heute Abend bei ***
waren. In wenigen Jahren wird es ein Jahrtau¬
ſend, daß Frankreich und Deutſchland, die früher
nur ein Reich bildeten, getrennt wurden. Dieſer
dumme Streich wurde, gleich allen dummen Streichen
in der Politik, auf einem Congreſſe beſchloſſen, zu
Verdün im Jahr 843. Aus jener Zeit ſtammen
auch die köſtlichen eingemachten Früchte und Dra¬
gées, wegen welcher Verdün noch heute berühmt iſt.
Einer der Congreß-Geſandten hatte ſie erfunden,
und war dafür von ſeinem genädigen Herrn in den
Grafenſtand erhoben worden. Ich hoffe im Jahre
1843 endiget das tauſendjährige Reich des Anti¬
chriſts, nach deſſen Vollendung die Herrſchaft Gottes
und der Vernunft wieder eintreten wird. Wir haben
nehmlich den Plan gemacht, Frankreich und Deutſch¬
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vereinigen. Zwar ſoll jedes Land ſeinen eignen
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[38/0052] und das Fabrikweſen beider Völker, welches vor mir die berühmteſten deutſchen Hiſtoriker, die ſich doch immerfort rühmen, aus der Quelle zu ſchöpfen, leichtſinnig überſehen haben. Sie ſollen ſich aber den Kopf darüber nicht zerbrechen. Es iſt gerade nicht nöthig, daß Sie alles verſtehen was ich ſage, ich ſelbſt verſtehe es nicht immer. Wie herrlich wäre es, wenn beide Länder in allem ſo verſchmolzen wären, als es beide Völker heute Abend bei *** waren. In wenigen Jahren wird es ein Jahrtau¬ ſend, daß Frankreich und Deutſchland, die früher nur ein Reich bildeten, getrennt wurden. Dieſer dumme Streich wurde, gleich allen dummen Streichen in der Politik, auf einem Congreſſe beſchloſſen, zu Verdün im Jahr 843. Aus jener Zeit ſtammen auch die köſtlichen eingemachten Früchte und Dra¬ gées, wegen welcher Verdün noch heute berühmt iſt. Einer der Congreß-Geſandten hatte ſie erfunden, und war dafür von ſeinem genädigen Herrn in den Grafenſtand erhoben worden. Ich hoffe im Jahre 1843 endiget das tauſendjährige Reich des Anti¬ chriſts, nach deſſen Vollendung die Herrſchaft Gottes und der Vernunft wieder eintreten wird. Wir haben nehmlich den Plan gemacht, Frankreich und Deutſch¬ land wieder zu einem großen fränkiſchen Reiche zu vereinigen. Zwar ſoll jedes Land ſeinen eignen König behalten, aber beide Länder eine gemeinſchaft¬

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/52>, abgerufen am 27.04.2024.