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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.

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Das ist nicht der und der Fürst, der es gethan,
das ist nicht der König der Niederlande, der nicht
der schlimmste Fürst ist; das ist die Fürstennatur,
die sich hier gezeigt, die wahnsinnige Ruchlosigkeit,
die meint, ihrem persönlichen Vortheile dürfe man
das Wohl eines ganzen Volkes aufopfern. Es ist
nicht mehr zu ertragen und ich fange an und werde
ein Republikaner, wovon ich bis jetzt so weit ent¬
fernt war. Sie sollten heute nur (im Messager)
de Potter's Glaubensbekenntniß lesen und wie er
sagt, der beste Fürst tauge nichts, und er wäre für
eine Republik. Nie hat Einer so klar und wahr
gesprochen.

-- Was sagt man denn in Frankfurt von der
Pest (Cholera morbus), die jetzt in Moskau
herrscht? Die Krankheit hat sich von Asien dort hin
gezogen. Es ist eine Geschichte gar nicht zum La¬
chen. In der gestrigen Zeitung steht, der englische
Gesandte in Petersburg habe seiner Regierung be¬
richtet, diese fürchterliche Krankheit werde sich wahr¬
scheinlich auch über Deutschland und weiter verbrei¬
ten. Das ist wieder Gottes nackte Hand! Die
Fürsten werden gehindert seyn, große Heere zusam¬
menzuziehen und thun sie es doch .... Es ahndet
mir -- nein ich weiß es, die Pest wird vermögen,
was nichts bis jetzt vermochte: sie wird das trägste
und furchtsamste Volk der Erde antreiben und er¬

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Das iſt nicht der und der Fürſt, der es gethan,
das iſt nicht der König der Niederlande, der nicht
der ſchlimmſte Fürſt iſt; das iſt die Fürſtennatur,
die ſich hier gezeigt, die wahnſinnige Ruchloſigkeit,
die meint, ihrem perſönlichen Vortheile dürfe man
das Wohl eines ganzen Volkes aufopfern. Es iſt
nicht mehr zu ertragen und ich fange an und werde
ein Republikaner, wovon ich bis jetzt ſo weit ent¬
fernt war. Sie ſollten heute nur (im Meſſager)
de Potter's Glaubensbekenntniß leſen und wie er
ſagt, der beſte Fürſt tauge nichts, und er wäre für
eine Republik. Nie hat Einer ſo klar und wahr
geſprochen.

— Was ſagt man denn in Frankfurt von der
Peſt (Cholera morbus), die jetzt in Moskau
herrſcht? Die Krankheit hat ſich von Aſien dort hin
gezogen. Es iſt eine Geſchichte gar nicht zum La¬
chen. In der geſtrigen Zeitung ſteht, der engliſche
Geſandte in Petersburg habe ſeiner Regierung be¬
richtet, dieſe fürchterliche Krankheit werde ſich wahr¬
ſcheinlich auch über Deutſchland und weiter verbrei¬
ten. Das iſt wieder Gottes nackte Hand! Die
Fürſten werden gehindert ſeyn, große Heere zuſam¬
menzuziehen und thun ſie es doch .... Es ahndet
mir — nein ich weiß es, die Peſt wird vermögen,
was nichts bis jetzt vermochte: ſie wird das trägſte
und furchtſamſte Volk der Erde antreiben und er¬

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[83/0097] Das iſt nicht der und der Fürſt, der es gethan, das iſt nicht der König der Niederlande, der nicht der ſchlimmſte Fürſt iſt; das iſt die Fürſtennatur, die ſich hier gezeigt, die wahnſinnige Ruchloſigkeit, die meint, ihrem perſönlichen Vortheile dürfe man das Wohl eines ganzen Volkes aufopfern. Es iſt nicht mehr zu ertragen und ich fange an und werde ein Republikaner, wovon ich bis jetzt ſo weit ent¬ fernt war. Sie ſollten heute nur (im Meſſager) de Potter's Glaubensbekenntniß leſen und wie er ſagt, der beſte Fürſt tauge nichts, und er wäre für eine Republik. Nie hat Einer ſo klar und wahr geſprochen. — Was ſagt man denn in Frankfurt von der Peſt (Cholera morbus), die jetzt in Moskau herrſcht? Die Krankheit hat ſich von Aſien dort hin gezogen. Es iſt eine Geſchichte gar nicht zum La¬ chen. In der geſtrigen Zeitung ſteht, der engliſche Geſandte in Petersburg habe ſeiner Regierung be¬ richtet, dieſe fürchterliche Krankheit werde ſich wahr¬ ſcheinlich auch über Deutſchland und weiter verbrei¬ ten. Das iſt wieder Gottes nackte Hand! Die Fürſten werden gehindert ſeyn, große Heere zuſam¬ menzuziehen und thun ſie es doch .... Es ahndet mir — nein ich weiß es, die Peſt wird vermögen, was nichts bis jetzt vermochte: ſie wird das trägſte und furchtſamſte Volk der Erde antreiben und er¬ 6*

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/97>, abgerufen am 26.04.2024.