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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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tig über die Sache sprechen -- heute müßte einer
dumm seyn, der nicht vernünftig wäre -- sondern
auch kalt, weil sie der Krieg unmittelbar nichts an¬
geht, sagen, der Krieg wäre unvermeidlich. Die
zwei Prinzipien, welche die Welt beherrschen, Freiheit
und Tyrannei, ständen sich feindlich einander gegen¬
über, und an eine friedliche Ausgleichung wäre nicht
zu denken; denn nie würden absolute Fürsten ihren
Völkern gutwillig liberale Institutionen geben. Und
so ist es. Tausendjährige Leidenschaften, Vorurtheile,
von so alten und tiefen Wurzeln, zerstört man nicht
so leicht, nicht einmal dann, wenn selbst die, die sie
haben, von ihnen befreit seyn möchten. Der Mensch
[i]st nicht frei, auch der beste nicht. Er kann alles
lernen wollen, aber nichts vergessen, und so lange
Kopf und Herz vom Alten besetzt sind, findet das
Neue keinen Platz. Darum Krieg! --


tig über die Sache ſprechen — heute müßte einer
dumm ſeyn, der nicht vernünftig wäre — ſondern
auch kalt, weil ſie der Krieg unmittelbar nichts an¬
geht, ſagen, der Krieg wäre unvermeidlich. Die
zwei Prinzipien, welche die Welt beherrſchen, Freiheit
und Tyrannei, ſtänden ſich feindlich einander gegen¬
über, und an eine friedliche Ausgleichung wäre nicht
zu denken; denn nie würden abſolute Fürſten ihren
Völkern gutwillig liberale Inſtitutionen geben. Und
ſo iſt es. Tauſendjährige Leidenſchaften, Vorurtheile,
von ſo alten und tiefen Wurzeln, zerſtört man nicht
ſo leicht, nicht einmal dann, wenn ſelbſt die, die ſie
haben, von ihnen befreit ſeyn möchten. Der Menſch
[i]ſt nicht frei, auch der beſte nicht. Er kann alles
lernen wollen, aber nichts vergeſſen, und ſo lange
Kopf und Herz vom Alten beſetzt ſind, findet das
Neue keinen Platz. Darum Krieg! —


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[104/0118] tig über die Sache ſprechen — heute müßte einer dumm ſeyn, der nicht vernünftig wäre — ſondern auch kalt, weil ſie der Krieg unmittelbar nichts an¬ geht, ſagen, der Krieg wäre unvermeidlich. Die zwei Prinzipien, welche die Welt beherrſchen, Freiheit und Tyrannei, ſtänden ſich feindlich einander gegen¬ über, und an eine friedliche Ausgleichung wäre nicht zu denken; denn nie würden abſolute Fürſten ihren Völkern gutwillig liberale Inſtitutionen geben. Und ſo iſt es. Tauſendjährige Leidenſchaften, Vorurtheile, von ſo alten und tiefen Wurzeln, zerſtört man nicht ſo leicht, nicht einmal dann, wenn ſelbſt die, die ſie haben, von ihnen befreit ſeyn möchten. Der Menſch iſt nicht frei, auch der beſte nicht. Er kann alles lernen wollen, aber nichts vergeſſen, und ſo lange Kopf und Herz vom Alten beſetzt ſind, findet das Neue keinen Platz. Darum Krieg! —

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/118>, abgerufen am 26.04.2024.