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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.

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nicht wie Goethe im Wilhelm Meister Lehrbriefe mit
Trüffeln; aber es ist eine recht kräftige Philosophie,
bürgerlich zubereitet. Man kan von ihm lernen. So
sagt er einmal, die Ehen wären tausendmal besser
und schöner als sie sind, wenn nicht Mann und Frau
einen großen Theil des Tages in so nachlässiger
Kleidung vor einander erschienen. Das Kind Amor
fürchte sich vor baumwollenen Nachtmützen und un¬
gewaschenen Morgenhauben; bei den Weibern nehme
mit der Liebe die Sorge für ihren Putz ab. Er
gibt uns jungen Leuten die Lehre: "Jeunes gens,
mefiez-vous de votre maeitresse, lorsque vous la
verrez venir en papilottes au rendez-vous que
vous lui auriez donne
." Rock ist die Wonne der
Pariser Nähmädchen; auch ist das Papier ganz weich
von den vielen Händen und Thränen und kein Band
in der Leihbibliothek, in dem nicht einige Blätter fehl¬
ten. Was der Mann aber auch schlau ist, und wie
er sich bei Allen beliebt zu machen weiß! Den Lie¬
benden und jungen Leuten überhaupt gibt er immer
Recht gegen die Eltern und Alten! aber mit den letz¬
tern verdirbt es darum doch nicht. Jungen Mädchen
gibt er, was sie verlangen, und wiegt ihnen gut;
aber wenn er die Waare abliefert, wickelt er sie in
ein Blatt Moral, das die Kinder mit nach Hause
nehmen und woran sich die Mütter erquicken. In
Zeichnung komischer Charaktere hat Kock viele Fertig¬

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nicht wie Goethe im Wilhelm Meiſter Lehrbriefe mit
Trüffeln; aber es iſt eine recht kräftige Philoſophie,
bürgerlich zubereitet. Man kan von ihm lernen. So
ſagt er einmal, die Ehen wären tauſendmal beſſer
und ſchöner als ſie ſind, wenn nicht Mann und Frau
einen großen Theil des Tages in ſo nachläſſiger
Kleidung vor einander erſchienen. Das Kind Amor
fürchte ſich vor baumwollenen Nachtmützen und un¬
gewaſchenen Morgenhauben; bei den Weibern nehme
mit der Liebe die Sorge für ihren Putz ab. Er
gibt uns jungen Leuten die Lehre: „Jeunes gens,
méfiez-vous de votre maîtresse, lorsque vous la
verrez venir en papilottes au rendez-vous que
vous lui auriez donné
.“ Rock iſt die Wonne der
Pariſer Nähmädchen; auch iſt das Papier ganz weich
von den vielen Händen und Thränen und kein Band
in der Leihbibliothek, in dem nicht einige Blätter fehl¬
ten. Was der Mann aber auch ſchlau iſt, und wie
er ſich bei Allen beliebt zu machen weiß! Den Lie¬
benden und jungen Leuten überhaupt gibt er immer
Recht gegen die Eltern und Alten! aber mit den letz¬
tern verdirbt es darum doch nicht. Jungen Mädchen
gibt er, was ſie verlangen, und wiegt ihnen gut;
aber wenn er die Waare abliefert, wickelt er ſie in
ein Blatt Moral, das die Kinder mit nach Hauſe
nehmen und woran ſich die Mütter erquicken. In
Zeichnung komiſcher Charaktere hat Kock viele Fertig¬

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[115/0129] nicht wie Goethe im Wilhelm Meiſter Lehrbriefe mit Trüffeln; aber es iſt eine recht kräftige Philoſophie, bürgerlich zubereitet. Man kan von ihm lernen. So ſagt er einmal, die Ehen wären tauſendmal beſſer und ſchöner als ſie ſind, wenn nicht Mann und Frau einen großen Theil des Tages in ſo nachläſſiger Kleidung vor einander erſchienen. Das Kind Amor fürchte ſich vor baumwollenen Nachtmützen und un¬ gewaſchenen Morgenhauben; bei den Weibern nehme mit der Liebe die Sorge für ihren Putz ab. Er gibt uns jungen Leuten die Lehre: „Jeunes gens, méfiez-vous de votre maîtresse, lorsque vous la verrez venir en papilottes au rendez-vous que vous lui auriez donné.“ Rock iſt die Wonne der Pariſer Nähmädchen; auch iſt das Papier ganz weich von den vielen Händen und Thränen und kein Band in der Leihbibliothek, in dem nicht einige Blätter fehl¬ ten. Was der Mann aber auch ſchlau iſt, und wie er ſich bei Allen beliebt zu machen weiß! Den Lie¬ benden und jungen Leuten überhaupt gibt er immer Recht gegen die Eltern und Alten! aber mit den letz¬ tern verdirbt es darum doch nicht. Jungen Mädchen gibt er, was ſie verlangen, und wiegt ihnen gut; aber wenn er die Waare abliefert, wickelt er ſie in ein Blatt Moral, das die Kinder mit nach Hauſe nehmen und woran ſich die Mütter erquicken. In Zeichnung komiſcher Charaktere hat Kock viele Fertig¬ 8*

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/129>, abgerufen am 29.04.2024.