wird nie zugeben, daß der kleine Beauharnois König von Belgien wird, und ich gebe es noch weniger zu. Behüte mich Gott! Mir ist nichts verhaßter, denn nichts ist verderblicher, als diese Mischung von Buonapartischem und deutschem Blute. Frankreich hat das erfahren unter Napoleon, hatte aber das Glück, früher unglücklich als schuldig zu werden. Was! einen König, der sein Volk verwundete und vergiftete zugleich, zugleich Sklaverei und Dienstbar¬ keit über es brächte? Diese beiden Uebel waren doch bis jetzt in keinem Staate vereinigt. Die Spanier, Italiener, Russen und Andere sind Sklaven; die Völker deutscher Zunge sind Bediente. Aber Skla¬ verei macht nur unglücklich, entwürdigt nicht, doch Dienstbarkeit erniedrigt. Lieber einen Don Miguel zum Herrn haben, als einen sogenanten milden und gerechten deutschen Fürsten. Man ehrt doch noch die Kraft, indem man sie fürchtet, ihr Fesseln anlegt; wir zahmen Hausthiere aber dürfen frei umhergehen, weil man recht wohl weiß, daß wir jeden Abend in den Stall zurückkehren, und zu jeder Tageszeit kom¬ men, sobald man uns pfeift. Lassen Sie so einem Schafe einmal in den Sinn kommen, den Löwen zu spielen, und Sie werden sehen, wie der milde und gerechte Hirt zum Tiger wird. Die weiche Nach¬ giebigkeit macht selbst eine Kanonenkugel mild; sie
wird nie zugeben, daß der kleine Beauharnois König von Belgien wird, und ich gebe es noch weniger zu. Behüte mich Gott! Mir iſt nichts verhaßter, denn nichts iſt verderblicher, als dieſe Miſchung von Buonapartiſchem und deutſchem Blute. Frankreich hat das erfahren unter Napoleon, hatte aber das Glück, früher unglücklich als ſchuldig zu werden. Was! einen König, der ſein Volk verwundete und vergiftete zugleich, zugleich Sklaverei und Dienſtbar¬ keit über es brächte? Dieſe beiden Uebel waren doch bis jetzt in keinem Staate vereinigt. Die Spanier, Italiener, Ruſſen und Andere ſind Sklaven; die Völker deutſcher Zunge ſind Bediente. Aber Skla¬ verei macht nur unglücklich, entwürdigt nicht, doch Dienſtbarkeit erniedrigt. Lieber einen Don Miguel zum Herrn haben, als einen ſogenanten milden und gerechten deutſchen Fürſten. Man ehrt doch noch die Kraft, indem man ſie fürchtet, ihr Feſſeln anlegt; wir zahmen Hausthiere aber dürfen frei umhergehen, weil man recht wohl weiß, daß wir jeden Abend in den Stall zurückkehren, und zu jeder Tageszeit kom¬ men, ſobald man uns pfeift. Laſſen Sie ſo einem Schafe einmal in den Sinn kommen, den Löwen zu ſpielen, und Sie werden ſehen, wie der milde und gerechte Hirt zum Tiger wird. Die weiche Nach¬ giebigkeit macht ſelbſt eine Kanonenkugel mild; ſie
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wird nie zugeben, daß der kleine Beauharnois König
von Belgien wird, und ich gebe es noch weniger zu.
Behüte mich Gott! Mir iſt nichts verhaßter, denn
nichts iſt verderblicher, als dieſe Miſchung von
Buonapartiſchem und deutſchem Blute. Frankreich
hat das erfahren unter Napoleon, hatte aber das
Glück, früher unglücklich als ſchuldig zu werden.
Was! einen König, der ſein Volk verwundete und
vergiftete zugleich, zugleich Sklaverei und Dienſtbar¬
keit über es brächte? Dieſe beiden Uebel waren doch
bis jetzt in keinem Staate vereinigt. Die Spanier,
Italiener, Ruſſen und Andere ſind Sklaven; die
Völker deutſcher Zunge ſind Bediente. Aber Skla¬
verei macht nur unglücklich, entwürdigt nicht, doch
Dienſtbarkeit erniedrigt. Lieber einen Don Miguel
zum Herrn haben, als einen ſogenanten milden und
gerechten deutſchen Fürſten. Man ehrt doch noch die
Kraft, indem man ſie fürchtet, ihr Feſſeln anlegt;
wir zahmen Hausthiere aber dürfen frei umhergehen,
weil man recht wohl weiß, daß wir jeden Abend in
den Stall zurückkehren, und zu jeder Tageszeit kom¬
men, ſobald man uns pfeift. Laſſen Sie ſo einem
Schafe einmal in den Sinn kommen, den Löwen zu
ſpielen, und Sie werden ſehen, wie der milde und
gerechte Hirt zum Tiger wird. Die weiche Nach¬
giebigkeit macht ſelbſt eine Kanonenkugel mild; ſie
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris02_1832/16>, abgerufen am 26.04.2024.
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