Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

heit nieder zu reden, da wo die öffentliche Meinung
die Menge entscheidet, sind sie grob und plump, um
auf die grobe, plumpe und gedankenlose Menge zu
wirken, die in allen Ständen, vom Hofmanne bis
zum Bauer, die Mehrzahl bildet. Was sie gegen
uns, sollten wir gegen sie thun. Seit fünfzehn Jah¬
ren hat die Freiheit den Sieg, den sie siebenmal er¬
rungen, siebenmal wieder verlohren, weil sie zu mä¬
ßig war, wie in ihren Handlungen, so in ihren Re¬
den. Die Völker glauben noch nicht fest genug an
ihr eigenes Recht, und daß sie allein alles Recht be¬
sitzen. Sie kennen noch nicht genug ihre eigene
Macht und daß Keiner Macht hat neben ihnen. Sie
wissen noch nicht genug, daß die Welt ihnen allein
gehört und Königen nicht der kleinste Theil davon
der sich weiter erstreckte, als ihr väterliches Erbe,
und daß sie darum von allem was sie wollen und
was sie thun, keinem Rechenschaft zu geben haben,
als Gott allein. Darum, weil sie das nicht wissen,
ihr Recht und ihre Macht nicht kennen, wollen die
Völker in den Augen ihrer Fürsten gut und billig er¬
scheinen, rechtfertigen sich, statt Rechtfertigung zu be¬
gehren, fordern, wo sie nehmen sollten, fordern nicht
alles, was ihnen gebührt und fordern es mit so lei¬
sen höflichen Worten, daß man sich anstellt, die
Hälfte nicht verstanden zu haben, und die verstandene
Hälfte abzuschlagen den Muth bekömmt; das muß

heit nieder zu reden, da wo die öffentliche Meinung
die Menge entſcheidet, ſind ſie grob und plump, um
auf die grobe, plumpe und gedankenloſe Menge zu
wirken, die in allen Ständen, vom Hofmanne bis
zum Bauer, die Mehrzahl bildet. Was ſie gegen
uns, ſollten wir gegen ſie thun. Seit fünfzehn Jah¬
ren hat die Freiheit den Sieg, den ſie ſiebenmal er¬
rungen, ſiebenmal wieder verlohren, weil ſie zu mä¬
ßig war, wie in ihren Handlungen, ſo in ihren Re¬
den. Die Völker glauben noch nicht feſt genug an
ihr eigenes Recht, und daß ſie allein alles Recht be¬
ſitzen. Sie kennen noch nicht genug ihre eigene
Macht und daß Keiner Macht hat neben ihnen. Sie
wiſſen noch nicht genug, daß die Welt ihnen allein
gehört und Königen nicht der kleinſte Theil davon
der ſich weiter erſtreckte, als ihr väterliches Erbe,
und daß ſie darum von allem was ſie wollen und
was ſie thun, keinem Rechenſchaft zu geben haben,
als Gott allein. Darum, weil ſie das nicht wiſſen,
ihr Recht und ihre Macht nicht kennen, wollen die
Völker in den Augen ihrer Fürſten gut und billig er¬
ſcheinen, rechtfertigen ſich, ſtatt Rechtfertigung zu be¬
gehren, fordern, wo ſie nehmen ſollten, fordern nicht
alles, was ihnen gebührt und fordern es mit ſo lei¬
ſen höflichen Worten, daß man ſich anſtellt, die
Hälfte nicht verſtanden zu haben, und die verſtandene
Hälfte abzuſchlagen den Muth bekömmt; das muß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0132" n="118"/>
heit nieder zu reden, da wo die öffentliche Meinung<lb/>
die Menge ent&#x017F;cheidet, &#x017F;ind &#x017F;ie grob und plump, um<lb/>
auf die grobe, plumpe und gedankenlo&#x017F;e Menge zu<lb/>
wirken, die in allen Ständen, vom Hofmanne bis<lb/>
zum Bauer, die Mehrzahl bildet. Was &#x017F;ie gegen<lb/>
uns, &#x017F;ollten wir gegen &#x017F;ie thun. Seit fünfzehn Jah¬<lb/>
ren hat die Freiheit den Sieg, den &#x017F;ie &#x017F;iebenmal er¬<lb/>
rungen, &#x017F;iebenmal wieder verlohren, weil &#x017F;ie zu mä¬<lb/>
ßig war, wie in ihren Handlungen, &#x017F;o in ihren Re¬<lb/>
den. Die Völker glauben noch nicht fe&#x017F;t genug an<lb/>
ihr eigenes Recht, und daß &#x017F;ie allein alles Recht be¬<lb/>
&#x017F;itzen. Sie kennen noch nicht genug ihre eigene<lb/>
Macht und daß Keiner Macht hat neben ihnen. Sie<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en noch nicht genug, daß die Welt ihnen allein<lb/>
gehört und Königen nicht der klein&#x017F;te Theil davon<lb/>
der &#x017F;ich weiter er&#x017F;treckte, als ihr väterliches Erbe,<lb/>
und daß &#x017F;ie darum von allem was &#x017F;ie wollen und<lb/>
was &#x017F;ie thun, keinem Rechen&#x017F;chaft zu geben haben,<lb/>
als Gott allein. Darum, weil &#x017F;ie das nicht wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
ihr Recht und ihre Macht nicht kennen, wollen die<lb/>
Völker in den Augen ihrer Für&#x017F;ten gut und billig er¬<lb/>
&#x017F;cheinen, rechtfertigen &#x017F;ich, &#x017F;tatt Rechtfertigung zu be¬<lb/>
gehren, fordern, wo &#x017F;ie nehmen &#x017F;ollten, fordern nicht<lb/>
alles, was ihnen gebührt und fordern es mit &#x017F;o lei¬<lb/>
&#x017F;en höflichen Worten, daß man &#x017F;ich an&#x017F;tellt, die<lb/>
Hälfte nicht ver&#x017F;tanden zu haben, und die ver&#x017F;tandene<lb/>
Hälfte abzu&#x017F;chlagen den Muth bekömmt; das muß<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0132] heit nieder zu reden, da wo die öffentliche Meinung die Menge entſcheidet, ſind ſie grob und plump, um auf die grobe, plumpe und gedankenloſe Menge zu wirken, die in allen Ständen, vom Hofmanne bis zum Bauer, die Mehrzahl bildet. Was ſie gegen uns, ſollten wir gegen ſie thun. Seit fünfzehn Jah¬ ren hat die Freiheit den Sieg, den ſie ſiebenmal er¬ rungen, ſiebenmal wieder verlohren, weil ſie zu mä¬ ßig war, wie in ihren Handlungen, ſo in ihren Re¬ den. Die Völker glauben noch nicht feſt genug an ihr eigenes Recht, und daß ſie allein alles Recht be¬ ſitzen. Sie kennen noch nicht genug ihre eigene Macht und daß Keiner Macht hat neben ihnen. Sie wiſſen noch nicht genug, daß die Welt ihnen allein gehört und Königen nicht der kleinſte Theil davon der ſich weiter erſtreckte, als ihr väterliches Erbe, und daß ſie darum von allem was ſie wollen und was ſie thun, keinem Rechenſchaft zu geben haben, als Gott allein. Darum, weil ſie das nicht wiſſen, ihr Recht und ihre Macht nicht kennen, wollen die Völker in den Augen ihrer Fürſten gut und billig er¬ ſcheinen, rechtfertigen ſich, ſtatt Rechtfertigung zu be¬ gehren, fordern, wo ſie nehmen ſollten, fordern nicht alles, was ihnen gebührt und fordern es mit ſo lei¬ ſen höflichen Worten, daß man ſich anſtellt, die Hälfte nicht verſtanden zu haben, und die verſtandene Hälfte abzuſchlagen den Muth bekömmt; das muß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/132
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/132>, abgerufen am 28.04.2024.